Clemens Fritz vom SV Werder Bremen im Interview: "Über das Angebot von Atletico habe ich lange nachgedacht"

Clemens Fritz spielte elf Jahre beim SV Werder Bremen.
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Wie ging es weiter?

Fritz: Ich bin dann relativ zügig und nach Anweisung von Müller-Wohlfahrt das dritte Mal operiert worden. Das war im September, ich bin anschließend noch bis Januar in Donaustauf geblieben. Als ich zurück in Leverkusen war und schon ein, zwei Spiele für die zweite Mannschaft gemacht habe, hatte ich trotzdem noch Probleme mit der Platte. Die hat irgendwie gestört. Also ließ ich mich noch einmal operieren und die Platte entfernen. Im Sommer 2005 war ich dann endlich wieder spielfähig und habe im August mein Comeback gegeben.

Dadurch haben Sie letztlich bis auf einen Einsatz in einem Champions-League-Spiel gegen Liverpool die gesamte Saison 2004/05 verpasst. Nach Ihrer Rückkehr wurden Sie aber auf Anhieb Stammspieler, spielten eine starke Saison und gingen anschließend zu Werder.

Fritz: Bremen war nach Bayern das Nonplusultra in Deutschland. Werder ist sehr frühzeitig an mich herangetreten, mein Vertrag lief auch aus. In Leverkusen hörte Reiner Calmund auf und es gab ein paar Umstrukturierungen. Bei Werder spielte Patrick Owomoyela auf meiner Position, war Nationalspieler und die WM 2006 stand vor der Tür. Ich dagegen kam im Prinzip aus dieser langwierigen Verletzung und war damals noch kein Nationalspieler. Mir war es daher wichtig, eine faire Chance zu bekommen und nicht als Backup geholt zu werden. Das wurde mir von Thomas Schaaf auch versichert.

Gleich in Ihrer ersten Saison spielten Sie mit Werder in der Champions League - unter anderem gegen Barcelona, wo es zum direkten Duell mit Ronaldinho kam. Wie war es, gegen ihn zu spielen?

Fritz: Sehr beeindruckend. Ich erinnere mich an eine Szene. Da kam ein Diagonalball zu ihm, ich stand ungefähr fünf Meter entfernt. Ich wollte ihm gerade so ein bisschen Druck geben, weil ich dachte, der nimmt ihn jetzt gleich mit der Brust an. Doch stattdessen drehte er sich, spielte den Ball mit dem Rücken über mich drüber und rannte auf der anderen Seite an mir vorbei. Völlig unberechenbar. Zum Glück hat Per Mertesacker den Ball abgefangen, sonst hätte ich da ziemlich blöd ausgesehen.

Bei Bayer Leverkusen verletzte sich Clemens Fritz schwer.
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Bei Bayer Leverkusen verletzte sich Clemens Fritz schwer.

Beim Rückspiel in Barcelona haben Sie mit Ronaldinho das Trikot getauscht. Besitzen Sie das noch?

Fritz: Klar, das hängt bei mir zu Hause in Bremen. Andere Trikots meiner Sammlung lagern bei meinen Eltern in Erfurt. Ein paar dieser besonderen Trikots habe ich eingerahmt und aufgehängt. Zum Beispiel eines von Per, als er beim FC Arsenal spielte. Ich habe Ronaldinho damals zehn Minuten vor Schluss gefragt, ob wir tauschen können. Er sagte zu, aber ich weiß noch, wie nach Abpfiff direkt ein Mitspieler von mir zu ihm ging und auch gefragt hat. Er blieb aber bei seinem Wort.

Kaum waren Sie in Bremen, wurden Sie im September 2006 erstmals in die Nationalmannschaft berufen. Haben Sie noch den Anruf von Joachim Löw im Sinn?

Fritz: Zum Glück hatte mich Thomas Schaaf vorbereitet, sonst hätte ich das wahrscheinlich nicht geglaubt. Er meinte in seiner typischen Art, ich solle mal davon ausgehen, dass mich der Bundestrainer anruft. Noch am selben Tag war das der Fall. Ich war im Stadion in der Kabine, als der Anruf kam und bin dann in unseren damaligen Aufenthaltsraum gegangen, um mit ihm zu telefonieren.

Ihr erstes Länderspiel fand beim 2:0 am 7. Oktober 2006 gegen Georgien statt. War die Nationalelf eine andere Dimension im Vergleich zu dem, was Sie aus den Vereinsmannschaften kannten?

Fritz: Eigentlich nicht. Ich hatte den Vorteil, dass ich viele Spieler schon kannte und wir ja auch einige Jungs aus Bremen waren. Bei Jogi Löw waren die Trainingseinheiten zwar kürzer, aber es war stets eine gute Intensität drin. Unter ihm hatte ich auf dem Platz jedes Mal das Gefühl, dass ich zu 100 Prozent vorbereitet bin - auch körperlich. In meinen ersten fünf, sechs Spielen habe ich auch von Anfang an und durchgespielt. Bernd Schneider, den ich noch aus Leverkusen kannte, spielte auf meiner rechten Seite. Wir waren ziemlich gut aufeinander abgestimmt. Er war für mich damals der wertvollste Mitspieler im Offensivspiel und eine riesige Hilfe.

Werder-Coach Schaaf 2006 mit seinen Neuzugängen Clemens Fritz, Diego und Pierre Wome (v.l.n.r.).
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Werder-Coach Schaaf 2006 mit seinen Neuzugängen Clemens Fritz, Diego und Pierre Wome (v.l.n.r.).

Sie wurden auch für den Kader der EM 2008 nominiert und standen im Auftaktspiel gegen Polen in der Startelf. Wie sah es vor dieser Partie in Sachen Anspannung aus?

Fritz: Die war enorm, so hoch wie noch nie. Es war eine 50-zu-50-Entscheidung, wer im rechten Mittelfeld spielt - Bastian Schweinsteiger oder ich. Jogi Löw kam dann am Spieltag beim morgendlichen Aufgalopp auf mich zu und sagte nur: 'Clemens, du spielst.' Ich war super nervös, aber das war bei mir auch immer ein gutes Zeichen. Je nervöser ich war, desto bessere Leistungen habe ich gebracht. Das gab mir daher ein wenig Sicherheit, aber ich habe in der Mittagspause kein Auge zugedrückt.

Sie kamen schließlich in allen drei Gruppenspielen zum Einsatz, durften in der K.o.-Phase aber nur noch sieben Minuten spielen. Wieso?

Fritz: Das weiß ich nicht mehr so richtig. Bei mir hat gegen Turnierende auch ein Stück weit die Kraft nachgelassen. Diese lange Zeit mit der Vorbereitung und den Belastungen des Turniers, das war für mich etwas Neues. Es war so, wie es lief, aber auch in Ordnung. Ich habe nicht gedacht: Was macht der denn jetzt, wieso lässt er mich raus? Ich war wohl einfach müde und nicht mehr so spritzig. Ich weiß noch, wie ich im Auftaktspiel nach rund einer Stunde um meine Auswechslung bat, weil ich so viele Läufe gemacht habe und einfach nur komplett platt war.

Sie haben somit auch das EM-Finale verpasst. Ist das etwas, was einen rückblickend ärgert?

Fritz: Nein! Klar, man würde gerne in jedem möglichen Finale zum Einsatz kommen. Wenn ich aber auf meine gesamte Karriere zurückschaue: Hätte mir das früher jemand so vorausgesagt, ich hätte ihn für verrückt erklärt. Als Spieler aus den neuen Bundesländern war früher die DDR-Oberliga das Maximum - und ich durfte für Deutschland und sehr, sehr oft in der Bundesliga spielen. Daher würde ich niemals einen Groll auf irgendetwas haben, sondern bin mehr als zufrieden.

Sie blieben insgesamt elf Jahre in Bremen und wurden nach Ihrem Karriereende 2017 zum achten Ehrenspielführer des Vereins ernannt. Man könnte diese elf Jahre gewissermaßen halbieren: In der ersten Hälfte hatte der Verein Erfolg, in der zweiten rutschte man nach und nach ab. Gab es für Sie einen Zeitpunkt, an dem die Sache zu kippen begann?

Fritz: Den einen expliziten Moment gab es nicht. Es hing aber natürlich schon sehr stark damit zusammen, dass wir uns nach 2011 nicht mehr für die Champions League qualifizierten und einen relativ teuren Kader hatten. Man hat dann gehofft, dass es vielleicht auch nur ein Jahr ohne Königsklasse wird. Die wirtschaftlichen Problematiken schlugen allerdings direkt zu. Nachdem Thomas Schaaf aufgehört hatte, merkte man schon, dass es auf Dauer wohl schwierig werden könnte, wieder dorthin zurückzukommen, wo man einmal war.

Ab wann war Ihnen klar, dass Bremen so etwas wie Ihre zweite Heimat geworden ist und Sie den Klub auch in der schwierigen Zeit nicht verlassen werden?

Fritz: Relativ spät. Als es nicht mehr so erfolgreich lief, habe ich tatsächlich darüber nachgedacht, noch einmal zu wechseln. Ich spürte aber das volle Vertrauen des Vereins, so dass das recht schnell wieder erledigt war. 2012 hat mir Klaus Allofs bei meiner Vertragsverlängerung einen Anschlussvertrag angeboten, weil er sich mich gut im Management vorstellen konnte. Ich weiß noch, wie ich zu meinem Berater gesagt habe: Das brauche ich nicht, ich gehe ja sowieso nach Erfurt zurück.