Clemens Fritz vom SV Werder Bremen im Interview: "Über das Angebot von Atletico habe ich lange nachgedacht"

Clemens Fritz spielte elf Jahre beim SV Werder Bremen.
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Was hat er daraufhin gesagt?

Fritz: 'Unterschreib' mal lieber, denn du weißt nicht, was in ein paar Jahren ist.' (lacht) Nachdem Frank Baumann 2009 aufgehört hat, fragte ich ihn, ob er jetzt wieder zurück nach Würzburg geht. Er verneinte. Da sagte ich noch: Wie könnt ihr denn in Bremen bleiben? Heute kann ich ihn sehr gut verstehen. Bei mir dauerte es bis 2015, ehe ich mir das auch vorstellen konnte. Heute weiß ich, dass das die richtige Entscheidung war.

Hatten Sie in all der Zeit einmal ein Angebot, dass Sie stark ins Grübeln gebracht hat?

Fritz: Ich erinnere mich an eine Anfrage für eine Rückkehr nach Leverkusen, aber damit habe ich mich nicht großartig beschäftigt. 2009 war es anders. Da hatte ich ein Angebot von Atletico Madrid und habe lange darüber nachgedacht. Das war die Saison nach der EM. Ich tat mich nach dem kurzen Urlaub unheimlich schwer, in den Rhythmus zu kommen. Thomas Schaaf hat sehr viel mit mir gesprochen. Es wäre völlig in Ordnung gewesen, wenn er mich auf die Bank gesetzt hätte - aber er hat mich trotzdem spielen lassen. Dieses Vertrauen war der ausschlaggebende Punkt. Mir ging es in Bremen echt gut, wieso sollte ich also irgendwo anders hingehen?

Clemens Fritz ist auch nach dem Karriereende für Werder Bremen am Ball.
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Clemens Fritz ist auch nach dem Karriereende für Werder Bremen am Ball.

Sie sind kurz nach Ihrem Karriereende 2017 erstmals Vater geworden und haben mit einem Trainee-Programm im Management bei Werder weitergemacht. Wieso haben Sie nach so vielen Jahren im Profifußball keine längere Pause eingelegt?

Fritz: Ich hatte mit Werder zunächst vereinbart, ein Jahr Pause zu machen. Ich musste nebenher leider noch die Reha wegen meines Syndesmosebandrisses machen. Die dauerte fast ein Jahr, weil ich extreme Probleme mit meinem Sprunggelenk hatte. Da feststand, dass meine Tochter im August auf die Welt kommt und wir zu der Zeit auch heirateten, war mir wichtig, den Sommer für meine Familie und mich zu haben. Daher begann ich mit dem Trainee im März, ging drei Monate lang die Scouting-Abteilung durch und bekam danach noch einmal drei Monate frei.

Vater und Bürojob: Wie ungewohnt war dieses neue Leben für Sie?

Fritz: Das Vaterdasein lief super, weil ich ja anfangs zu Hause und unsere Tochter auch total unkompliziert war. Ich war mit ihr sehr viel mit dem Kinderwagen unterwegs, wir haben in Bremen fast jeden Kieselstein mitgenommen. Beim Bürojob war es dagegen so: Morgens hingegangen, abends nach Hause gekommen und um 20.30 Uhr auf der Couch eingeschlafen. Das war eine komplett andere Belastung für mich, die ich in der Form nicht kannte. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich mich an diesen Rhythmus gewöhnt hatte.

Sie haben mittlerweile im Rahmen des sogenannten "Executive Master for International Players"-Programms einen Management-Studiengang bei der UEFA abgeschlossen - unter anderem mit ehemaligen Größen wie Didier Drogba oder Kaka. Wie ist es denn, mit einem Drogba die Schulbank zu drücken?

Fritz: Total spannend. Mit ihm hatte ich einmal eine Aufgabe in einer Zweiergruppe. Wir mussten einen sogenannten Elevator Pitch machen: Man kommt in einen Aufzug, trifft den Geschäftsführer eines Unternehmens und hat 30 Sekunden Zeit, um sich zu verkaufen. Jeder bekam etwas Zeit, um sich darauf vorzubereiten, dann mussten Didier und ich anfangen. Als er dran war, hat er zwei Minuten am Stück geredet. (lacht) Ich habe gesagt: Didier, der Kerl ist mittlerweile dreimal hoch- und heruntergefahren, so viel Zeit hast du nicht.

Kann man sich das wirklich so vorstellen, dass da all diese renommierten Ex-Fußballer mit Zettel und Stift zusammen in einem Raum hocken?

Fritz: Ja, genauso läuft das. Wir hatten sieben Module, immer in einer anderen Stadt - sechsmal in Europa, einmal in Amerika. Morgens um 7.30 Uhr war Abfahrt am Hotel und das ging dann bis abends. Täglich hatten wir wechselnde Locations. Als wir in Miami waren, schauten wir bei Inter Miami, einem Baseballverein, beim Concacaf-Verband und einem UFC-Boxklub vorbei. Dort gab es jeweils eine Art Klassenraum für uns und es wurden Workshops und Vorträge abgehalten.

In Bremen wurden Sie erst Leiter der Scouting-Abteilung, 2020 kam noch die Leitung des Lizenzbereichs dazu. Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Fritz: Eine sehr gute Frage, die ich auch ganz einfach beantworten kann. Allerdings vermutlich nicht so, wie Sie es gerne hätten.

Lassen Sie mich raten: Fußball ist ein Tagesgeschäft und daher nicht planbar?

Fritz: Genau! (lacht) Ich schaue nicht so weit voraus. Dagegen ist bereits jetzt klar, dass mir meine Familie unglaublich wichtig ist und ich merke, wie extrem zeitintensiv mein Job ist. Er ist total spannend und macht mir enorm viel Spaß. Ich bin sehr zufrieden. Von mir aus kann es in dieser Konstellation noch einige Jahre weitergehen.

Ex-Teamkameraden und heute Werder-Funktionäre: Clemens Fritz und Geschäftsführer Frank Baumann.
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Ex-Teamkameraden und heute Werder-Funktionäre: Clemens Fritz und Geschäftsführer Frank Baumann.

Wie sieht es denn nun bei der Karriere nach der Karriere mit Ihrem zu Spielerzeiten offenbar ausgiebigen Konsum an Kinder-Schokolade aus?

Fritz: Was früher Kinder-Schokolade war, sind heute M&M's! Davon esse ich am Abend ganz gerne eine Espresso-Tasse voll. Ich sagte aber schon öfter zu meiner Frau, sie soll die nicht mehr einkaufen. Komisch finde ich auch: Wenn ich nicht zu Hause schlafe, habe ich kein Bedürfnis danach.

Wie kam es denn dazu, dass "früher Kinder-Schokolade war"?

Fritz: Nils Petersen hat das intensiv befeuert. Das hatte sich irgendwann so herumgesprochen, dass ich teilweise Schokolade von Fans geschenkt bekam. Wir hatten immer eine Runde mit Nils, Per Mertesacker, Olaf Rebbe, Peter Niemeyer, Sebastian Prödl und zwei anderen Kumpels, die sich alle zwei Wochen bei mir zum Playstation-Abend getroffen hat. Auf dem einen Bildschirm wurde dann Champions League geguckt, auf dem anderen zockten wir ein Turnier. Und nebenher wurde ordentlich Schokolade gegessen.