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NFL - Marcel Reif im Interview über seine Football-Leidenschaft: "Da bin ich süchtig geworden"

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Sie haben erzählt, dass Sie ja dann über die NFL berichteten beim ZDF, wie haben Sie sich denn überhaupt eingelesen und in das Spiel reingefuchst?

Reif: Ich habe viel von meinem leider viel zu früh verstorbenen Kollegen Ben Wett gelernt und ansonsten vor allem viele Spiele angeschaut. Ich habe keine Bücher gelesen oder sonst die Regeln studiert, das ging alles über das Anschauen und Analysieren der Spiele. Wenn du einer Sache so intensiv auf der Spur bist, begreifst du die Dinge schnell. Ich würde mich heute nicht als den großen Experten bezeichnen, der jeden Spielzug seziert. Ich denke, dass ich das Spiel verstehe und Routes erkenne zum Beispiel, das reicht mir. Beim American Football bin ich in erster Linie Fan und da will ich mir die Leichtigkeit nicht durch zu tiefe Analysen nehmen lassen.

Wie schauen Sie als einer von Deutschlands besten Kommentatoren der Geschichte darauf, was die US-Kollegen in der NFL machen?

Reif: Ich habe alleine schon deshalb immer sehr gerne geschaut, was sie machen, weil ich ein großer Fanatiker der englischen Sprache bin. Sie ist einfach viel kürzer und präziser als die deutsche. Aber dennoch hatte ich immer auch etwas gemischte Gefühle, wenn ich das TV-Modell in den USA gesehen habe. Ich habe mich immer dagegen verwahrt, dass man einen oder sogar zwei Experten neben mich setzt, wie das ja in der NFL oder NBA der Fall ist. Wenn ich im Fußball jemanden neben mir brauche, der mir das Spiel erklärt, dann gebe ich auf. Dann mache ich meinen Job nicht gut. Das war nie etwas für mich, dafür gefiel es mir schon immer, dass man bei den Kommentatoren eine Corporate Identity sah. Das habe ich bei zwei verschiedenen Sendern dann auch hier durchgesetzt. Die Aufmachung ist top. Und man muss auch klar sagen, dass du bei den Übertragungen in den USA immer eines sofort spüren und greifen kannst, wenn du einschaltest: Kompetenz. Wer da anfängt, zu schwafeln, ist tot. Es gibt ein bestimmtes Niveau, einen Standard, der nie unterschritten wird. Ich wäre froh, wenn das bei uns im Fußball in Deutschland auch so wäre, da wünschte ich mir gerade vom Nachwuchs bei uns etwas mehr Demut.

Tom Brady ist kürzlich 45 Jahre alt geworden. Was sagen Sie zu seiner Karriere?

Reif: Brady ist für mich in gewisser Weise wie Cristiano Ronaldo, mit dem Unterschied, dass Ronaldo intellektuell nicht auf dem Niveau ist und nicht weiß, wann es auch mal gut ist. Beide ganz unterschiedliche Sportler, klar, aber auf beiden Positionen musst du dafür leben und mehr tun, wenn du ein bisschen länger oben bleiben und ein bisschen mehr verdienen willst als die anderen. Und Brady war ja bekanntermaßen nicht das größte Talent auf der Erde, sein Weg ist ein gutes Vorbild für die Jugend. Ein faszinierender Typ, der ja jetzt auch kein Populist ist, nicht Everybody's Darling, keiner zum Anfassen. Aber ganz sicher eine der großen Sportler-Persönlichkeiten seiner Zeit. Dazu Gisele Bündchen als seine Frau - da passt alles bei ihm.

Marcel Reif mit Günther Jauch zu legendären RTL-Zeiten
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Marcel Reif mit Günther Jauch zu legendären RTL-Zeiten

"Ich weiß nicht, ob American Football eine Weltsportart wird"

Wer sind denn für Sie ganz persönlich Ihre größten Sportler Sportarten-übergreifend?

Reif: Ein Ranking aufzustellen ist unmöglich. Dafür hat auch jede Sportart ihre eigene Geschichte zu erzählen. Ich erinnere mich noch, wie ich mal in eine Eishockey-Kabine gekommen bin. Diesen Geruch willst du übrigens nie wieder haben. Ich habe in die Augen der Spieler geschaut und nur schwarze Löcher gesehen. Das werde ich nie vergessen. Die sind mit dem Bus hin und her, hin- und hergefahren durch die Republik, und dann haben sie die letzten zehn Minuten nur noch mit zwei Reihen gespielt. Und du Fußballer willst mir sagen, dass du lieber am Mittwoch bei Magath den Hügel rauf rennst statt ein bisschen zu kicken in der englischen Woche? Weil wir beim Eishockey waren: Ich habe Wayne Gretzky kennengelernt, er hat seine Sportart beherrscht. Ich habe Jordan spielen sehen, der hat seine Sportart dominiert. Ich habe Maradona gesehen, aber auch noch Fritz Walter. Die Jüngeren sollen einfach froh sein, dass sie Messi und Ronaldo gleichzeitig erleben, oder Federer, Nadal und Djokovic. Ich kann und will mich nicht festlegen, what the hell. (lacht)

Manchmal gibt es absurde Diskussionen, nach dem Motto, die von damals hätten ja gegen die von heute eh keine Chance.

Reif: Das ist Quatsch. Die würden heute auch so trainieren, sich so ernähren - deshalb kann man es auch nicht vergleichen. Und trainiert haben sie auch früher, abgesehen davon. Wenn Mario Basler immer erzählt, wie sie früher gesoffen und geraucht haben, sage ich immer: Mario, damit kannst du ja im Fernsehen schön auf den Putz hauen und Lacher sammeln. In Wahrheit aber musstest du auch trainieren, fit sein, sonst hättest du am Samstag nicht gespielt.

Abschließend: Wird American Football perspektivisch global die ganz große Nummer?

Reif: Ich weiß nicht, ob American Football eine Weltsportart wird. Ehrlicherweise möchte ein Teil von mir das auch nicht. Lasst mich doch nach New York fliegen, wenn ich ein Spiel sehen will. Kommt gerne ab und zu rüber und macht eine große Show, aber die NFL wird so klug sein, das Rad nicht zu überdrehen und es als knappes Gut erhalten. Noch ein Spiel und noch ein Spiel - dann sind schnell keine 700.000 mehr in der virtuellen Schlange.