Kommentar zu Nadals Triumph bei den Australian Open: Hoffentlich hat Djokovic genau hingeschaut

Von Stefan Petri
Rafael Nadal hat bei den Australian Open triumphiert und seinen 21. Grand-Slam-Titel gewonnen.
© getty

Rafael Nadal hat die Australian Open gewonnen: In einem dramatischen Finale gegen Daniil Medvedev machte Rafa einen 0:2-Satzrückstand wett und sicherte sich seinen 21. Grand-Slam-Titel. Damit liegt er jetzt vor seinen ewigen Rivalen Roger Federer und Novak Djokovic. Diese Leistung ist gar nicht hoch genug einzuschätzen - und man kann nur hoffen, dass der Djoker ganz genau hingeschaut hat. Ein Kommentar.

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Ich habe eine ganze Weile auf mein leeres Blatt gestarrt, als ich diesen Kommentar beginnen wollte. Manchmal fehlen einem ob des gerade Erlebtem schlicht und ergreifend die Worte. Rafael Nadal ... einfach nur unglaublich. Chapeau!

Von diesem Endspiel wird man noch viele Jahre schwärmen. Nicht nur, weil es der vielbeschworene 21. Grand-Slam-Titel für den Mallorquiner war, der damit im All-Time-Ranking zum ersten Mal die alleinige Spitze vor Roger Federer und Novak Djokovic (je 20) übernimmt. Sondern aufgrund der Art und Weise, mit der sich Nadal diesen Titel holte, wie er sich in das Match verbiss, wie er mit Klauen und Zähnen kämpfte, am Ende fitter war als sein zehn Jahre jüngerer Gegner, der nebenbei bemerkt der beste Hartplatzspieler der letzten Jahre, US-Open-Champ und Topfavorit auf den Titel war.

Ernsthaft: Für dieses Comeback sollte man Sagen dichten und überdimensionale Wandteppiche weben. In mehrfacher Hinsicht. Da wäre Nadals Comeback auf dem Court: 2009 hatte er letztmals in Melbourne gewonnen, 2007 (!) das letzte Mal einen 0:2-Satzrückstand gedreht. Von Beginn an war Medvedev der bessere Spieler, während Nadal verzweifelt nach einem Weg vorbei an der russischen Ballwand suchte und vielleicht so viel variierte wie noch nie zuvor, mit hohem Topspin und tiefem Rückhand-Slice, mit Stops, mit langen Ballwechseln und schnellen Geh-aufs-Ganze-Schlägen.

Wer hätte nach dem zweiten Satz und den vielen vergebenen Chancen auch nur einen Pfifferling auf Rafa gesetzt? Nadal machte zu viele Fehler, schien platt und mit den schwülen Bedingungen nicht zurechtzukommen. Das Ding dann noch so zu drehen - Wahnsinn.

Rafael Nadal: Vom drohenden Karriereende zum Titel

Und ja, Medvedev baute seinerseits körperlich ab und haderte mit dem Publikum, das Nadal nach vorn peitschte, und ja, ein Comeback nach 0:2 Sätzen haben wir vergangenes Jahr bei den French Open gesehen, als der Djoker gegen Stefanos Tsitsipas gewann. Aber wo damals das Match nach zwei Sätzen vollständig kippte und Noles Erfolg anschließend nie in Gefahr schien, musste Nadal um jeden einzelnen Punkt kämpfen, Breakbälle abwehren, an und über seine Grenzen hinausgehen. Einfach nur episch.

Vor allem, wenn man bedenkt, dass dieser Bulle von einem Tennisspieler gerade erst auf den Court zurückgekehrt war. Monatelang hatte Nadal aufgrund einer hartnäckigen Fußverletzung pausieren müssen, sogar ein Karriereende stand im Raum. Am 11. September hatte er auf Instagram noch ein Bild von sich auf Krücken gepostet - 20 Wochen später ist er wieder der König der Tennis-Welt.

"Eigentlich dachte ich, dass das vielleicht meine letzten Australian Open sind", verriet er nach dem Match: "Jetzt habe ich aber viel Energie, um weiterzumachen." Paris wartet.

Australian-Open-Finale: Hoffentlich hat Djokovic zugeschaut

"Ich schätze, letztes Mal hat Rafa daheim zugeschaut. Und ich denke, Novak wird am Sonntag auch zuschauen", hatte Medvedev nach seinem Halbfinal-Sieg über Tsitsipas am Freitag geunkt. Der Russe, der Djokovics Traum vom "Grand Slam" bei den US Open so jäh hatte platzen lassen, ist in vielerlei Hinsicht fast schon eine Kopie des Serben: in Sachen Konstanz, Fitness, Konterspiel, dem gelegentlichen Ausraster, aber auch in der Tatsache, dass er weiß wie es ist, wenn die Zuschauer den Kontrahenten bevorzugen.

An diesem Sonntag hätte es aber wohl das Original aus Serbien gebraucht, den dreifachen Titelverteidiger (2019 Sieg in drei Sätzen gegen Nadal, 2021 in drei Sätzen gegen Medvedev), um Nadal zu stoppen - wenn überhaupt. Und so kann man tatsächlich nur hoffen, dass Djokovic daheim auf dem Sofa saß und ganz genau hingeschaut hat. Und registriert hat, dass der Weg zur ewigen Major-Krone plötzlich wieder ein ganzes Stück steiniger geworden ist, und in der Rivalität zwischen ihm und Nadal noch einige Kapitel zu füllen sind.

Aber es geht hier um mehr als nur die Zahlen späterer Tennis-Geschichtsbücher. Nadal hat sich in diesen Wochen in Australien als wahrer Champion präsentiert. Djokovic hat in dieser Hinsicht bitter versagt - und jetzt fehlt ihm nicht nur ein potenzieller Titel, sondern (vorerst?) auch der Slam-Rekord. Das sage ich ohne Schadenfreude und als jemand, der für den Djoker vermutlich mehr Sympathien hegt als der durchschnittliche Tennis-Fan - Serbien mal ausgenommen.

Vorfreude auf die French Open - mit Rafa und Nole!

Hoffentlich war ihm diese Erfahrung vor dem Fernseher eine Lehre. Wenn es Nadals Titel braucht, um Djokovic zur Impfung zu bewegen: Mir soll es recht sein. Zu denken geben sollte ihm zumindest die Tatsache, dass die übrige Weltelite komplett geimpft ist - und sie eindrucksvoll bewiesen hat, dass man nach der kleinen Spritze auch nicht plötzlich schlechter Tennis spielt. Vielleicht hat er, vielleicht haben wir auch Glück und der größte Schrecken der Pandemie ist dank Omikron bis Mai überstanden.

So oder so: Dieses großartige Turnier mit seinem großartigen Abschluss - wie Recht der Kollege Regelmann doch hatte! - hat bei mir Lust auf mehr gemacht. Das Grand-Slam-Rennen hat wieder richtig Fahrt aufgenommen. Nächster Halt: Roland Garros. 2021 lieferten Nadal und Djokovic dort vielleicht das Match des Jahres ab, und ich persönlich hoffe auf eine Fortsetzung.

Wobei: Im Kampf um das "Match des Jahres" wird die heutige Partie so schnell nicht zu übertreffen sein.

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