Katar diesmal im Hintergrund: Warum der Ruanda-Deal des FC Bayern München problematisch ist

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Nach jahrelangen Diskussionen über die Zusammenarbeit mit Katar geht der FC Bayern München die nächste umstrittene Partnerschaft ein: Visit Rwanda ist die Tourismus-Kampagne eines diktatorisch regierten Landes - mit engen Verbindungen zu Katar.

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Ein Blick auf die letzten beiden Tweets von Paul Kagame verrät einiges über den Präsidenten des kleinen ostafrikanischen Landes Ruanda. Erst gratuliert Kagame dem FC Arsenal zum Gewinn des englischen Supercups gegen Manchester City, dann bekundet er sein Beileid für den Tod eines Mitglieds des katarischen Herrscherhauses.

Kagame mag Fußball und pflegt ein enges Verhältnis zu Katar. Sein eigenes Land regiert er seit seinem Dienstantritt vor 23 Jahren diktatorisch und zunehmend eher noch diktatorischer. 2017 wurde der nun 65-Jährige mit der verdächtigen Zustimmung von rund 99 Prozent letztmals im Amt bestätigt. Egal ob Demokratieindex, Freedom Index oder Rangliste der Pressefreiheit: Ruanda schneidet überall bedenklich ab.

"Die Regierungspartei Ruandische Patriotische Front (RPF) setzt ihre Kampagne gegen tatsächliche und vermeintliche Gegner der Regierung fort", heißt es im aktuellen Bericht von Human Rights Watch. "Kritiker, darunter Internet-Blogger und Journalisten, wurden verhaftet, bedroht und vor Gericht gestellt. Einige sagten, sie seien in der Haft gefoltert worden. Die Behörden untersuchten das gewaltsame Verschwinden von Personen oder verdächtige Todesfälle nur selten. Willkürliche Verhaftungen und Misshandlungen in inoffiziellen Hafteinrichtungen waren an der Tagesordnung."

Ruanda mischt beim Krieg in der benachbarten Demokratischen Republik Kongo mit, innerhalb der Landesgrenzen leben unterdessen über 60 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Ruanda zählt zu den ärmsten Ländern der Welt - und ist über die Tourismus-Kampagne Visit Rwanda des staatlichen Rwanda Development Board neuerdings sogenannter Platin Partner des FC Bayern München.

Ruanda, Katar und Deutschland im Vergleich

KategorieRuandaKatarDeutschland
DemokratieindexPlatz 12611414
Freedom IndexPlatz 11912715
PressefreiheitPlatz 13110521

FC Bayern und Visit Rwanda: Details zur Partnerschaft

Am Sonntag verkündeten die Münchner eine zunächst bis 2028 fixierte Zusammenarbeit. Das Logo von Visit Rwanda wird künftig auf den Werbebanden der Allianz Arena erscheinen, von einer etwaigen Präsenz auf den Trikotärmeln ist in der Pressemitteilung jedoch keine Rede.

Diese Werbefläche ist seit der Trennung vom einstigen Platin Partner Qatar Airways verfügbar. Nach jahrelangen Protesten der aktiven Fanszene wurde der Ende Juni auslaufende Vertrag nicht verlängert, laut der Süddeutschen Zeitung sei vor allem die katarische Seite nicht mehr an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert gewesen. Zyniker könnten sagen: Mit Ruanda haben die Münchner einen passenden Nachfolger gefunden. Besser ist im Vergleich zu Katar in Ruanda immerhin die Stellung von Frauen und Mitgliedern der LGBTQ-Gemeinschaft.

"Wer gedacht hatte, dass der FC Bayern den Sponsor aus Menschenrechtsgründen wechselt, der wurde jetzt hart enttäuscht. Die Partnerschaft mit Ruanda ist auch eine ganz, ganz schlechte Wahl", sagte Deutschland-Direktor Wenzel Michalski von Human Rights Watch der dpa. Die aktive Fanszene äußerte sich bisher nicht zum neuen Sponsor.

Der FC Bayern will im Zuge der Zusammenarbeit nach eigener Auskunft "beim Aufbau von Strukturen für den Jugendfußball helfen und die Tourismus-Kampagne Visit Rwanda unterstützen". Unter anderem soll in Ruanda eine Fußball-Niederlassung entstehen. "Wir freuen uns auf die Einrichtung der FC Bayern-Akademie, in der die Experten des FC Bayern ihr Wissen mit den Trainern und Spielern vor Ort teilen werden", sagte Ruandas Sportministerin Aurore Mimosa Munyangaju. Damit baut der FC Bayern sein internationales Netzwerk weiter aus, bisher bestehen bereits Verbindungen in die USA, nach Thailand und China.

Visit Rwanda ist der zehnte Platin Partner des FC Bayern. Dabei handelt es sich um die zweitwichtigste Sponsoren-Stufe hinter den Hauptpartnern & Anteilseignern (T-Mobile, Adidas, Allianz und Audi). Den finanziellen Rahmen des Sponsorings veröffentlichte der FC Bayern nicht. Gewöhnlicherweise zahlt ein Platin Partner aber mindestens fünf Millionen Euro pro Jahr.

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Visit Rwanda: Die Kooperationen mit Arsenal und PSG

Für Visit Rwanda ist die Zusammenarbeit mit dem FC Bayern die dritte im europäischen Top-Fußball. Bereits seit 2018 besteht ein Sponsoring beim FC Arsenal, seit 2020 auch bei Paris Saint-Germain. Beide Verträge wurden mittlerweile verlängert. Arsenal kassiert rund zwölf Millionen Euro jährlich, inklusive ist bei diesem Deal auch ein Werbeplatz auf dem Trikotärmel.

Für Machthaber Kagame handelt es sich bei dieser Partnerschaft um eine Herzensangelegenheit. Er ist großer Arsenal-Fan, gelegentlich kommentiert er Vorkommnisse bei seinem Lieblingsklub auch bei Twitter - gerne in Versalien sowie mit vielen Ruf- und Fragezeichen versehen. "Wir dürfen KEIN Mittelmaß akzeptieren", klagte er mal nach einer Pleite gegen den FC Brentford.

Zufällig kam auch Ruandas Zusammenarbeit mit dem Katar-geführten PSG nicht zustande. Kagame pflegt schließlich beste Beziehungen zum dortigen Herrscherhaus. Emir Hamad Al Thani ist regelmäßig in Ruanda zu Besuch, beispielsweise um gemeinsam mit Kagame im Regenwald Gorillas zu beobachten.

Kurioserweise spielt bei der Zusammenarbeit der beiden Länder ausgerechnet der ehemalige Sponsor des FC Bayern Qatar Airways eine große Rolle. Katars nationale Fluglinie ist einer der größten ausländischen Investoren in Ruanda, unter anderem hält sie 49 Prozent an der Airline RwandAir und 60 Prozent am derzeit im Bau befindlichen Bugesera International Airport.

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Ruanda profitiert von der Tourismus-Kampagne

Kagame ist zufrieden mit den beiden bisherigen Fußball-Sponsorings seines Landes, die ob der hohen Summen und der gleichzeitig Armut international für viel Kritik gesorgt haben. "Wir haben investiert und bekommen um ein Vielfaches mehr zurück", sagte er im März. Laut offiziellen Angaben seien dank der beiden Sponsorings über eine Million neue Touristen nach Ruanda gereist, was selbstverständlich schwer zu überprüfen ist.

Zweifelsohne setzte die Kampagne Visit Rwanda das kleine ostafrikanische Land auf Europas Tourismus-Landkarte. "Land der tausend Hügel" nennt sich Ruanda selbst, in den Nationalparks gibt es exotische Tiere wie Nashörner, Elefanten, Leoparden oder eben Gorillas zu sehen. Von der Kooperation mit dem FC Bayern erhofft sich Ruanda noch mehr Touristen.

"Mit dem FC Bayern als zusätzlichem Partner können wir Millionen von Fans auf der ganzen Welt erreichen und sie für einen Besuch in Ruanda gewinnen", sagte Geschäftsführerin Clare Akamanzi vom Rwanda Development Board. "Deutschland gehört zu den fünf wichtigsten Herkunftsmärkten für den Tourismus in Ruanda, und wir wollen diese Partnerschaft nutzen, um mehr Touristen für Ruanda zu interessieren, Investitions- und Geschäftsmöglichkeiten aufzuzeigen und alle zu ermutigen, in Ruanda zu bleiben."

Ruanda: Wirtschaftswachstum und Sportswashing

Zuletzt investierten schon hiesige Unternehmen wie Volkswagen und Biontech in Ruanda, das zwar kleiner als Brandenburg, mit rund 13 Millionen Einwohnern aber dicht besiedelt ist. Eine Beziehung zu Deutschland besteht auch durch die gemeinsame Historie: Von 1884 bis 1916 war Ruanda als Teil Deutsch-Ostafrikas deutsche Kolonie, anschließend herrschte bis zur Unabhängigkeit 1962 Belgien. 1994 ereignete sich in Ruanda mit dem Völkermord an den Tutsi mit 800.000 Toten der weltweit letzte Genozid dieser Größenordnung.

In den vergangenen Jahren erlebte Ruanda ein beachtliches Wirtschaftswachstum, das bisher jedoch nicht auf den Wohlstand der breiten Gesellschaft abgefärbt hat. Angetrieben wird der Boom neben dem Tourismus vor allem von großen Bauprojekten. In der Hauptstadt Kigali stehen neben gläsernen Bürotürmen auch moderne Sportstätten, wo zunehmend internationale Wettkämpfe und Konferenzen ausgetragen werden.

In diesem Jahr richtete Ruanda bereits den FIFA-Kongress und die Basketball-Afrikameisterschaft der Damen aus, 2025 wird die Rad-Weltmeisterschaft folgen. Gewissermaßen ist Ruanda Afrikas Sportswashing-Pionierland, fußballerische Höchstleistungen gelangen bisher aber noch nicht. Bekannte Spieler brachte Ruanda keine hervor - die Bestleistung der Nationalmannschaft war ein Vorrunden-Aus beim Afrika Cup 2004.