BVB verpasst wohl die Champions League: Eine kommentierende Analyse zu Borussia Dortmund

Der BVB hat gegen Frankfurt verloren.
© getty
Cookie-Einstellungen

 

BVB und die Auswirkungen der "Katastrophe"

Das Zitat hätte es zur Einschätzung der Lage nicht gebraucht, aus dem Mund von Hummels klingt es jedoch erfrischend ungeschönt: "Das Verpassen der Champions League wäre sportlich wie finanziell eine Katastrophe", sagte der Innenverteidiger am Samstag.

Sollte die CL erstmals seit 2015 ohne den BVB ausgetragen werden, muss der Gürtel enger geschnallt werden - auch wenn man von einem GAU noch deutlich entfernt ist. Die nächsten beiden Spielzeiten seien unabhängig vom Erreichen der Königsklasse bereits durchfinanziert, sagte Präsident Reinhard Rauball kürzlich.

Die Reserven werden aber weiter schmelzen. Schon im vergangenen Jahr wies Dortmund einen Verlust von 43,5 Millionen Euro aus. Die Prognose vom vergangenen September, wonach nun weitere 70 bis 75 Millionen hinzukommen werden, muss mit Vorsicht genossen werden.

Noch nicht miteingerechnet sind darin nämlich die 10,5 Millionen, die der BVB durch den Einzug ins Viertelfinale der Champions League bekommt. Auch das Abschneiden im DFB-Pokal, wo das Endspiel winkt, spült weiteres Geld in die Kassen. Problematisch ist allerdings, dass der Ausfall an Zuschauereinnahmen in der wahrscheinlich gesamten zweiten Saisonhälfte noch nicht in die damalige Prognose eingeflossen ist. Nicht unmöglich daher, dass Dortmund höhere Verluste als diese 75 Millionen ins Haus stehen werden.

BVB nahm Kredite für bis zu 120 Millionen Euro auf

Daher nahm der Verein "für zwei Jahre Kreditlinien bis zu 120 Millionen Euro" auf, wie Dortmunds Finanzgeschäftsführer Thomas Treß den Ruhr Nachrichten sagte. Zum Jahresende 2020 wurden davon 28 Millionen abgerufen. "Diese Summe wird weiter steigen, solang sich die Verlust-Situation fortsetzt", erklärte Treß.

Und sie wird sich fortsetzen, denn dass in den restlichen sechs Heimspielen Zuschauer zugelassen werden, dürfte als ausgeschlossen gelten. Rechnet man die rund drei bis vier Millionen Euro Verlust jedes Geister-Heimspiels mit ein, kämen alleine aus dieser Säule weitere mindestens 20 Millionen Euro hinzu.

Die Säule Sport würde mit einer Qualifikation zur Europa League, wenn also der aktuelle Rang fünf gehalten wird, ungefähr 30 Millionen Euro im Vergleich zur CL verlieren. Einfach auszurechnen daher, wie hier kompensiert werden kann.

Nur für Haaland und Sancho bekäme man wirklich viel Geld

Es passt ins Bild, sowohl in das sportliche wie auch finanzielle, dass die Vertreter von Erling Haaland in der vergangenen Woche schon einmal mit ihrer Europatournee begonnen haben. Im bestätigten Gespräch mit der BVB-Vereinsführung dürfte vorab der Mindestpreis festgelegt worden sein, für den Dortmund seinen enorm begehrten Torjäger bereits ein Jahr bevor eine Ausstiegsklausel im bis 2024 datierten Vertrag greift, gehen lassen würde. Und der liegt bei weit über 100 Millionen Euro.

Für Haaland würde Dortmund neben einem Verkauf von Jadon Sancho das meiste Geld bekommen. Bei vielen anderen Wackelkandidaten wie Brandt, Manuel Akanji, Mahmoud Dahoud oder Nico Schulz bekäme man zwar gewiss auch ein hübsches Sümmchen zusammen, aufgrund der schwachen Saison nicht nur dieser Spieler werden sich die wirklich werthaltigen Angebote aber in argen Grenzen halten. Zumal das Wissen der Konkurrenz um Dortmunds Situation auch ein Nachteil in Verhandlungen ist.

BVB benötigt Identität, Handschrift und neuen Geist

Wählt man einen optimistischeren Blick, ließe sich behaupten, dass die anstehenden Umwälzungen im Kader und der geringere finanzielle Spielraum den Boden für einen echten Neustart unter dem kommenden Trainer Marco Rose bereiten könnten - inklusive angepasster Erwartungshaltung.

Was das "neue" Dortmund vor allem braucht, ist neben einer übergeordneten sportlichen Identität und klaren fußballerischen Handschrift ein Geist, den im aktuellen Kader nur Spieler wie Haaland, Hummels und Emre Can verkörpern: einer der Wille, Aggressivität, Leidenschaft ausströmt.

Bekäme der BVB diese nicht unerheblichen Baustellen im kommenden Sommer so gut es geht geschlossen und hätte man sich wie 2015 vom Handelsblatt berichtet auch diesmal mit einer speziellen Versicherung gegen Einnahmeverluste in der CL abgesichert, ist der Blick nach vorne schon gar nicht mehr so düster. Doch auch hier müsste man Optimist sein.