NBA

Plötzlich ganz alleine?

Kawhi Leonard ist der Schlüsselspieler der Spurs
© getty

Der Abschied von Tim Duncan überschattete die Offseason der Spurs. Bei Kevin Durant blitzten die Texaner ab und holten mit Pau Gasol stattdessen einen alternden Star. Der Preis dafür war hoch und die Lücke zu den Warriors hat sich deutlich vergrößert. Das Augenmerk dürfte aber auf der Zukunft liegen.

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Die Transaktionen:

Das lange Zeit für unmöglich gehaltene Szenario trat im Juli 2016 tatsächlich ein: Der ewige Tim Duncan beendete seine Karriere. Für einen 40-jährigen Forward ist das sicherlich nicht ungewöhnlich - trotzdem bedeutete die Entscheidung von The Big Fundamental auch sportlich einen herben Verlust für die Texaner, den es zu kompensieren galt.

Zu diesem Zweck verpflichteten sie den nicht viel jüngeren Pau Gasol, der mit einem Zweijahresvertrag über 31 Millionen Dollar ausgestattet wurde. Das zweite Jahr beinhaltet eine Spieler-Option. Um den Vertrag aufnehmen zu können, mussten allerdings andere Spieler ihren Hut nehmen: David West schloss sich als Free Agent den Warriors an, Boban Marjanovic den Pistons. Der Franzose Boris Diaw streift künftig das Trikot der Utah Jazz über, die im Gegenzug die Rechte an Olivier Hanlan nach San Antonio abgaben.

Anders als Duncan hängt Manu Ginobili noch ein Jahr dran, lässt sich dafür aber stolze 14 Millionen Dollar auszahlen. Darüber hinaus holten die Spurs Dejounte Murray (Draft), Davis Bertans (aus Vitoria), Dewayne Dedmon, Bryn Forbes, Ryan Arcidianco, Livio Jean-Charles und David Lee ins Team. Besonders die Rookies dürften es schwer haben, sich in der Rotation zu etablieren, während Ex-Maverick Lee vom ausgedünnten Frontcourt profitieren könnte.

Die Strategie:

Genau wie ein Haufen anderer Teams machten sich die Spurs Hoffnungen auf eine Verpflichtung von Kevin Durant. Nachdem GM R.C. Buford im letzten Jahr erstmals einen hochkarätigen Free Agent (LaMarcus Aldridge) nach San Antonio gelotst hatte, galt seine Franchise als eine Art Geheimfavorit im Rennen um den Superstar. Geholfen hat es am Ende nicht.

Nachdem also klar war, dass sich KD für die Warriors entscheiden würde, musste das Team auf anderem Wege umgebaut werden. Ein Rebuild kam trotz Duncans Karriere-Ende nicht infrage, dafür ist das Team nach wie vor viel zu stark. Das Front Office entschied sich also für eine Übergangslösung, die das Team im Konzert der Top-Teams hält, aber nicht die langfristige Flexibilität gefährdet.

Die Verpflichtung von Gasol passt gut in dieses Bild: Er mag zwar - genau wie Ginobili - etwas überbezahlt sein, sein Vertrag läuft aber spätestens 2018 wieder aus. Zumindest offensiv kann der Spanier noch dominieren, die defensive Präsenz und die Rebound-Stärke vom uralten Duncan erreicht er allerdings nicht.

Stichwort 2018: In zwei Jahren sind Spieler wie DeMarcus Cousins oder Gordon Hayward Free Agents, Paul George folgt ein Jahr später. Stand jetzt steht dann nur noch Kawhi Leonard bei den Spurs in den Vertragsbüchern, wenn alle anderen Spieler-Optionen nicht gezogen werden. Dazu kommen vielversprechende Rookie-Verträge, deren Verlängerung wiederum in den Händen der Franchise liegt - beste Voraussetzungen also. Und: Der Verteidiger des Jahres befindet sich dann im besten Basketball-Alter und wird auf die vertragslosen Stars eine gewisse Anziehungskraft ausüben.

Mit dieser Aussicht nahmen die Spurs in Kauf, dass sie an Kader-Tiefe eingebüßt haben, um auch kurzfristig attraktiv zu bleiben. Man könnte es so sehen: Die Warriors sind im Westen in den nächsten zwei Jahren ohnehin zu stark, deshalb nimmt man in Texas zwei Übergangsjahre gerne in Kauf, ehe eine neue Attacke erfolgt. Damit wären sie nicht zum ersten Mal erfolgreich.

Die Schwachstellen:

Vor allem der Backcourt. Tony Parker mag zwar noch einer der besseren Playmaker der Liga sein, sein Scoring und seine Defense sind aber nur noch ein Abklatsch seiner besten Tage. Auch Backup Patty Mills hat aufgrund seiner körperlichen Defizite traditionell Probleme in der Verteidigung.

Das sieht bei Danny Green zwar anders aus - dafür warten die Spurs beim Scharfschützen offensiv auf den nächsten Schritt. Ginobili geht als 39-Jähriger in die Saison. Schon in den Western Semis gegen OKC war zu sehen, was Spieler wie Russell Westbrook anrichten können, wenn die Hilfe aus dem Frontcourt der Spurs nicht richtig steht oder zu spät kommt.

Überhaupt könnte die Defense Probleme bereiten. Mit Aldridge steht nur ein Big Man im Kader, der halbwegs in der Lage ist, ein Pick-and-Roll zu switchen und einen schnelleren Guard vor sich zu halten. Gasol oder Dedmon können das ebenso wenig wie Lee - dabei haben doch gerade die Playoffs 2016 gezeigt, dass die Fähigkeit, diverse Matchups zu switchen, Spiele und Serien entscheidet. So unnormal, dass dieses Defizit der Spurs nicht ins Gewicht fällt, kann auch ein Leonard nicht verteidigen.

Zudem haben sich die Spurs wohl einer ihrer schärfsten Waffen aus der vergangenen Saison beraubt: Der Produktion von der Bank. Mit durchschnittlich 38,5 Punkten von der Second Unit landete das Popovich-Team auf Platz drei. Die teilweise schwächelnde Starting Five wurde dadurch kompensiert. Durch die zahlreichen Abgänge wird das kaum zu wiederholen sein.

Der Hoffnungsträger:

Tim Duncan ist weg, Kawhi Leonard ist noch da. Und er wird mehr denn je gebraucht. Sportlich war der Forward ohnehin schon der Anführer des Teams, jetzt muss er auch abseits des Feldes in diese Rolle hineinwachsen. Parker und Ginobili können ihm dabei noch ein, zwei Jahre helfen.

Und auch, wenn es bei 21,2 Punkten und 50,6 Prozent aus dem Feld komisch klingt: In der Offensive ist ihm ein weiterer Sprung zuzutrauen. Die Playoffs haben gezeigt: Wenn das Ball Movement mal nicht so gut funktioniert, kann auch die gute, alte Isolation aus der Patsche helfen. Coach Pop wird es wahrscheinlich nicht so gerne hören, doch sein Team braucht eine Eins-gegen-Eins-Maschine, wenn die personalisierte Spielintelligenz in Form von Parker oder Gasol mal verletzt ist oder eine Pause braucht.

Das Fazit:

Die Spurs sind bei Durant gescheitert und konnten in Gasol nur einen Free Agent aus der zweiten Reihe verpflichten. Für die langfristige Planung war es durchaus sinnvoll, Spielern wie Mike Conley oder Hassan Whiteside keine Monster-Verträge vorzulegen.

Betrachtet man ausschließlich die kommende Saison, hat der fünffache Champion aber einen signifikanten Schritt zurück gemacht. Defensiv konnten sie auch einen 40-jährigen Timmy nicht ersetzen, offensiv zahlten sie für das Upgrade in Gasol mit ihrer Kader-Tiefe einen hohen Preis. Um die Plätze zwei bis vier sollten sie aber trotzdem locker mitspielen können, die Lücke zu den Dubs hat sich aber deutlich vergrößert.

Note: 4+

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