"Phänomen" Timo Boll dreht im Tischtennis die Zeit zurück: "Wie Phönix aus der Asche"

SID
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© getty

Durch seinen ersten Titel seit 2021 hat Timo Boll seine Olympia-Chancen erheblich verbessert.

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Wie ein Jungspund in besten Zeiten riss Tischtennis-Methusalem Timo Boll seine Arme in die Höhe und ließ sich vom Glücksgefühl des unverhofften Triumphes durchströmen. Der 42-Jährige wusste nach dem sensationellen Titelgewinn beim WTT-Turnier in Doha nur allzu gut, dass sein erster Sieg bei einem internationalen Topturnier seit 2021 seinen Olympia-Traum buchstäblich mit einem Schlag realistischer gemacht hat.

"Ich kann es noch gar nicht glauben", kommentierte Boll sein 4:3 im Finale gegen den Weltranglistenelften Tomokazu Harimoto. Mit berührender Demut offenbarte er nach dem großen Erfolg über den 20-jährigen Japaner sein Sportlerherz: "Weltrangliste und alles Statistische interessieren mich gerade gar nicht. Ich bin sehr dankbar dafür, noch einmal das Gefühl des Turniersiegs zu verspüren."

Damit gerechnet hatte der EM-Rekordchampion nach seinem Comeback nach monatelanger Pause wegen einer Schulterverletzung wohl kaum noch. "Mir läuft schon etwas die Zeit weg", meinte Boll im Hinblick auf die Sommerspiele in Paris. Noch eine Woche vor seinem Coup in der Wüste hatte er beim ersten der beiden WTT-Turniere in Katar erstmals gegen seinen Nationalteamkollegen Benedikt Duda verloren.

Umso imponierender besiegte der Düsseldorfer nun die Selbstzweifel und drehte scheinbar die Zeit zurück. Durch einen Parforceritt mit Siegen über mehrere asiatische Top-Spieler eroberte Boll erstmals seit seinem achten EM-Gold vor fast drei Jahren in Warschau wieder ein Siegerpodest im Einzel.

"Timo ist ein Phänomen und wie Phönix aus der Asche zurückgekehrt", sagte Bundestrainer Jörg Roßkopf. Ausdrücklich betonte der frühere Doppel-Weltmeister: "So etwas gelingt nur den ganz großen Sportlern."

Für dieses Kaliber ist Olympia die Bühne schlechthin. Bolls Problem: Aus Roßkopfs Kader kommen für das dreiköpfige Paris-Aufgebot auch Europameister Dang Qiu (Weltranglistenplatz 10), Routinier Dimitrij Ovtcharov (13) und Patrick Franziska (29), der im wichtigen Doppel als Partner sowohl zu Ovtcharov als auch Boll passt, in Betracht.

Immerhin stößt Boll im Ranking durch seinen Doha-Erfolg von Platz 182 wieder auf Rang 43 vor. Bei der Team-WM im Februar in Südkorea will der frühere Weltranglistenerste weiter punkten.

In Asien wird auch Ovtcharov trotz seiner Aufgabe beim Europe Top 16 am Samstag wegen Rippenproblemen voraussichtlich dabei sein. "Es wird wohl nichts Schlimmeres sein", gab Roßkopf vor einer weiteren Untersuchung des 35-Jährigen auf SID-Anfrage vorsichtig Entwarnung: "Ich denke, dass er ab Dienstag in Indien spielen kann."

Beim WTT-Turnier in Goa pausiert Boll hingegen. Sein Coup in Doha bedeute viel, sei jedoch letztlich nur einer von mehreren Entscheidungsfaktoren, sagte Roßkopf dem SID: "Timos Turniersieg ist wirklich ein herausragender Erfolg, aber bis zur Nominierung haben alle Turniere Aussagekraft. Es geht weiter - und alle müssen Ergebnisse liefern."

In Doha ist Boll das auf jeden Fall gelungen.