Anthony Joshua im Interview: "Ich will zeigen, dass wir Boxer auch ein Gehirn haben"

Von Gareth A. Davies
Anthony Joshua will nicht nur auf seine sportlichen Leistungen reduziert werden.
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Wie sieht es mit einem möglichen Kampf gegen Deontay Wilder aus?

Joshua: Er ist ein weiterer Herausforderer in meiner Gewichtsklasse und meiner Ära. Wir haben ihm letztes Jahr erneut ein lukratives Angebot gemacht, das er abgelehnt hat. Das Angebot steht immer noch, sobald er bereit dafür ist. Er muss seinen Mann stehen und nicht lügen, das ist allerdings auch klar. Es war unschön, als er versucht hat, meinen Namen und Ruf zu beschmutzen. Diesmal sollten wir uns nur auf das Kämpfen konzentrieren und den Fans einen echten Kampf bieten. Das wäre mein Wunsch.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie noch zehn weitere Jahre kämpfen könnten, wenn Sie dazu Lust hätten und Ihr Körper mitspielen würde. Würden Boxer wie Daniel Dubios, Joe Joyce und Dillan Whyte dann eine Rolle im Titelkampf spielen?

Joshua: Man darf bei solchen Gedankenspielen Oleksandr Ussyk nicht vergessen. Wie ich bereits gesagt habe, ich trete allen gegenüber. Der Name spielt dabei überhaupt keine Rolle. Sie sind alle willkommen. Ich könnte jetzt eine Liste aufzählen, aber das hier ist nicht ihre, sondern meine Show. Wenn sie wirklich daran interessiert sind, gegen mich zu kämpfen und es nicht nur Promo ist, finden die Kämpfe statt.

Anthony Joshua siegte am 07.12.2019 gegen Andy Ruiz und holte sich seine WM-Gürtel zurück.
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Anthony Joshua siegte am 07.12.2019 gegen Andy Ruiz und holte sich seine WM-Gürtel zurück.

Anthony Joshua: "Ich bin mein gefährlichster Gegner"

Wenn Sie einen Kampf von Ihnen bildlich beschreiben müssten, an welche Situation müssten Sie denken?

Joshua: Ich gehe in eine Bank rein, nehme das Geld mit und verschwinde wieder. Ich spreche nicht erst noch mit dem Sicherheitspersonal und lasse mich erwischen. Ich will rein und ganz schnell wieder raus.

Wie sieht Ihre Herangehensweise aus, wenn Sie sich Ihre Gegner aussuchen?

Joshua: Kämpfe gegen die Besten und überlasse alles andere dem Rest. So lautet mein Motto. Bereits nach drei Jahren als Profi habe ich in meinen 16. Karrierekampf um die Weltmeisterschaft gekämpft. Ich wollte mich testen und das tue ich auch weiterhin. Ich versuche nicht, den Herausforderungen aus dem Weg zu gehen.

Wer ist Ihr gefährlichster Gegner?

Joshua: Ich bin mein gefährlichster Gegner. Diesen Mann muss ich schlagen. Ich muss meine Müdigkeit am Morgen und alle meine Fehler im Ring überwinden. Das ist schwer. In meinem Beruf reicht das Notwendigste nicht aus. Ich muss jedes Mal besser sein als gestern. Es ist harte Arbeit, sich jeden Tag zu verbessern. Ich mache mir um niemanden mehr Sorgen als um mich. Das hat mich hierhin geführt. Wenn ich das nicht tue, geht es schief.

Was wollen Sie später einmal über sich selbst lesen?

Joshua: Innerhalb des Rings soll man sagen, dass ich keinen Neid gegenüber aufstrebenden Kämpfern verspürt habe. Nur Bewunderung und Respekt. Ich weiß, wie hart das sein kann. Ich will ihnen den Weg weisen können. Das müssen nicht nur Boxer sein, sondern auch Leichtathleten, Tennisspieler oder Fußballer. Ich weiß, was alles dazu gehört. Management, Vorbereitung, Druck, und was es heißt, ein Athlet zu sein.

Sie haben nicht gesagt, dass Sie als einer der größten Boxer gesehen werden wollen.

Joshua: Das interessiert mich einfach nicht. Niemand wird sich an bestimmte Sportler erinnern, die vor Jahren gewirkt haben. Die Welt dreht sich weiter. Wie lange wird man sich an mich erinnern, selbst wenn ich einer der Größten war? Maximal 100 Jahre? Ich will den Leuten nicht nur wegen des Sports in Erinnerung bleiben.

Anthony Joshua: "Will zeigen, dass wir Boxer auch ein Gehirn haben"

Sondern?

Joshua: Ich will als junger Mann gesehen werden, der sich als Geschäftsmann gut verhalten und der nach seiner Karriere ein Imperium aufgebaut hat. Das ist mir sehr wichtig. Ich will zeigen, dass wir Boxer auch ein Gehirn haben. (lacht) Es gibt viele Vorurteile gegenüber dem Boxen. Darüber hinaus will ich ein Vorbild sein für alle Gesellschaftsgruppen.

Imperium und Vorbild: Das sind zwei hochgesteckte Ziele. Wie genau wollen Sie das erreichen?

Joshua: Eigentlich will ich diesen Druck gar nicht haben, weil auch ich Fehler mache. Ich will aber zeigen, dass es in Ordnung ist, Fehler zu machen. Ich habe vieles in meiner Jugend falsch gemacht. Das Boxen hat mir geholfen, mich neu zu orientieren. Nach Fehlern muss man zurückkommen. Mit dem Alter kommt die Weisheit. Ich will nicht nur für die Menschen da sein, sondern auch den jungen Menschen helfen, ihren Weg nach oben zu gehen. So sollen sie mich außerhalb des Rings sehen. Das Geschäft bietet mir die Möglichkeit, etwas zurückzugeben.

Wollen Sie also in Erinnerung bleiben, indem Sie Menschen helfen, die normalerweise nicht ihre Ziele und Träume verfolgen können?

Joshua: Genau! Nachhaltige Veränderung ist, wenn man das Leben einer ganzen Familie ändern kann. Das muss aber nicht immer auf den Sport bezogen sein. Das kann auch sein, wenn man jemanden dazu inspirieren kann, Buchhalter oder Anwalt zu werden. Das kann eine Gemeinschaft nachhaltig verändern. Wenn man eine Schule baut und den ersten Stein dafür setzt, bleibt das für eine lange Zeit. Das bedeutet Vermächtnis.

Wäre es für Sie auch eine Möglichkeit, in Nachwuchszentren für junge, aufstrebende Boxer zu investieren?

Joshua: Auf jeden Fall. Den gleichen Effekt, den ich eben beschrieben habe, kann man eben auch mit einer Trainingshalle erreichen. Schauen Sie sich den Boxklub Finchley ABC an. Dort wurden Kämpfer wie Mason Smith, Dereck Chisora, ich und viele weitere tolle Menschen ausgebildet. Box-Gyms entwickeln immer weiter große Persönlichkeiten und das ist ihr Vermächtnis. Es geht nicht nur um mich. Wenn ich etwas tun kann, dass der Gemeinschaft hilft, dann ist das ein größeres Vermächtnis.

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