Sexueller Missbrauch: Ex-Wasserspringer Hempel erhebt schwere Vorwürfe - DSV stellt Trainer frei

SID
Der Deutsche Schwimm-Verband sieht sich schweren Vorwürfen zum Umgang mit sexuellem Missbrauch ausgesetzt.
© getty

Der viermalige Wassersprung-Europameister Jan Hempel hat einen früheren Trainer schwer belastet. Nach den Vorwürfen zum Umgang mit sexuellem Missbrauch stellt der DSV Bundestrainer Lutz Buschkow während der EM frei.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Nach schweren Vorwürfen des früheren Wasserspringers Jan Hempel zum Umgang mit sexuellem Missbrauch hat der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) Lutz Buschkow von seiner Tätigkeit als Bundestrainer freigestellt. Inmitten des Medaillenregens bei den Europameisterschaften in Rom zog der DSV den 64-Jährigen am Donnerstagabend "mit sofortiger Wirkung" ab.

"Wir haben gesagt, Lutz Buschkow nehmen wir aus dem Feuer hier raus, was aber zunächst mal eine Unschuldsvermutung darstellt. Solange diese Vorwürfe nicht geprüft sind, hat er zumindest mal keine Aufgaben mehr im DSV wahrzunehmen", sagte Verbandspräsident Marco Troll der ARD: "Wir sind schockiert über diese Inhalte, die wir heute zum ersten Mal in dieser Form überhaupt gehört haben."

Buschkow arbeitete seit 1991 für den DSV, seit 2002 war er Cheftrainer der Wasserspringer. Von 2008 bis 2016 war er zudem als Leistungssportdirektor tätig.

Der viermalige Europameister Hempel (50), Olympia-Zweiter von 1996, hatte in der ARD-Dokumentation "Missbraucht - Sexualisierte Gewalt im deutschen Schwimmsport" einen langjährigen Trainer schwer belastet. Und er bezichtigte den DSV und Buschkow der Untätigkeit.

Hempel: "Ich bin von meinem Trainer missbraucht worden"

"Ich bin von meinem Trainer missbraucht worden. Er hat eigentlich keinen Zeitpunkt ausgelassen, um seinen Wünschen freien Lauf zu lassen", sagte Hempel. 14 Jahre lang, ab Hempels elftem Lebensjahr, habe sich ein Trainer zeitweise täglich an ihm vergangen, unter anderem während der Olympischen Spiele 1992 in Barcelona, unmittelbar vor einem Wettkampf.

Laut Hempel, der nach eigener Darstellung die Verbandsspitze 1997 über die Vorgänge unterrichtete, hat sich der DSV nie substanziell mit den Vorwürfen auseinandergesetzt. "Alle haben geschwiegen, bis heute", sagte Hempel.

Der Verband zeigte sich "zutiefst bestürzt über die Schilderung der schrecklichen Erlebnisse der Opfer sexualisierter und sexueller Gewalt". Per Stellungnahme am Abend kündigte der DSV eine vollumfängliche Aufarbeitung der Vorwürfe an: "Im Namen des gesamten Verbands möchten wir uns bei den Opfern dafür entschuldigen, dass sie solch traumatische Erlebnisse erleiden mussten."

Bei Hempel ist eine beginnende Alzheimererkrankung diagnostiziert worden. Er habe Details über den Missbrauch aufgeschrieben, "jetzt kann ich mich noch daran erinnern". Deshalb wolle er nicht mehr schweigen: "Ich glaube, man ist es anderen auch für die Zukunft schuldig, dass man darüber spricht."

"Enthüllungen machen wütend und betroffen"

Weitere Betroffene berichten in dem ARD-Film über verschiedene Fälle und Ausprägungen sexualisierter Gewalt im deutschen Schwimmsport. Manche Begebenheiten reichen bis in die jüngste Vergangenheit.

Es sind Schilderungen, die in vergleichbarer Form in den vergangenen Jahren auch in anderen Sportarten vermehrt ans Licht kommen - und die den Ruf nach der Installation einer unabhängigen, übergeordneten Instanz verstärken.

"Die Enthüllungen zu Missbrauchsfällen im Schwimmen machen wütend und betroffen", kommentierten die Athleten Deutschland am Donnerstag bei Twitter: "Sie zeigen: Es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern um strukturelles Versagen. Leider wird einmal mehr die Notwendigkeit eines unabhängigen Zentrums für Safe Sport deutlich."

Erst in der vergangenen Woche begrüßte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) in einer Stellungnahme die von Politik und Athletenvertretungen propagierte Gründung eines bundesweiten Zentrums für Safe Sport - welche auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung verankert ist. Doch der Weg ist lang: Positionspapiere und Absichtserklärungen sind der Status quo, was fehlt, ist etwa ein konkreter Zeitplan. Dieser solle "noch im Jahr 2022 erarbeitet" werden, so der DOSB.

Artikel und Videos zum Thema