"Jetzt müssen wir ihn auch holen!" Der steinige, aber verdiente Weg des BVB ins Finale der Champions League

Von Tim Ursinus
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Wer hätte das gedacht? Der BVB steht tatsächlich im Finale der Champions League. Dort wartet am 1. Juni entweder der FC Bayern München oder Real Madrid. SPOX beleuchtet die Schlüsselmomente des steinigen, aber verdienten Weges ins legendäre Wembley.

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Es gab mehrere Momente in dieser durchaus verrückten BVB-Saison, die sogar den treuesten Fans die Vorstellungskraft geraubt haben dürften, dass Borussia Dortmund am Ende mit einem Titel an den Borsigplatz zurückkehren könnte - und zwar mit dem größten, was der Vereinsfußball zu bieten hat!

Rund ein Jahr nach dem herzzerreißenden Saisonfinale in der Bundesliga, als nur ein Tor zur Meisterschaft fehlte. Elf Jahre nach der bitteren Pleite gegen den FC Bayern München am selben Ort wie am 1. Juni: Wembley. Dort ist sogar eine Revanche möglich, wenn nicht Real Madrid am Mittwoch (21 Uhr) das Rennen macht.

Doch wie kam es überhaupt dazu, dass der BVB nach einer weitestgehend völlig verkorksten Bundesliga-Spielzeit den Henkelpott in den Londoner Nachthimmel stemmen könnte?

Es war ein steiniger und dennoch verdienter Weg ins Finale. SPOX zeigt die Schlüsselmomente auf dem Weg dahin.

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BVB, 31. August 2023: Die Auslosung der Todesgruppe

PSG, Vorjahres-Halbfinalist AC Milan und Newcastle United - viel schlechter hätte die Auslosung für den BVB nicht laufen können.

"Unsere Gruppe ist sicher die schwierigste, eine Hammergruppe. Aber die nehmen wir an. Wir treffen auf drei absolute Top-Gegner. Um in dieser Gruppe zu bestehen, benötigt man außergewöhnliche Leistungen, und genau diese erhoffen wir uns von unserer Mannschaft", sagte der scheidende Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, nachdem die Kugeln gefallen waren - und sollte nicht enttäuscht werden.

BVB, 4. Oktober 2023: Hoffnungsschimmer nach Nullnummer

Doch zunächst startete der BVB mit einer 0:2-Niederlage, ausgerechnet in Paris, in das Turnier. Es folgte ein 0:0 gegen die AC Milan und die Frage, wie in vier verbleibenden Spielen noch genügend Punkte für den Achtelfinal-Einzug gesammelt werden sollen.

"Wir waren tot nach dem zweiten Spiel ...", gestand Trainer Edin Terzic. Alle sahen das jedoch nicht so, wie Mats Hummels am späten Dienstagabend in den Katakomben des Prinzenparks offenbarte: "Spätestens seit dem zweiten Spiel in der Gruppenphase glauben wir daran, dass wir in der Champions League bestehen können. Das haben wir jetzt so oft bewiesen."

Es folgten zwei Schlüsselspiele gegen Newcastle United, welche das Pendel Richtung Weiterkommen oder Ausscheiden hätten ausschlagen können.

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BVB, 7. November 2023: Plötzlich Spitzenreiter in der Todesgruppe

Ersteres trat letztlich ein. In Newcastle sicherte Felix Nmecha mit seinem wohl bis heute besten Spiel im BVB-Trikot die ersten drei Punkte.

Rund zwei Wochen später waren es Niclas Füllkrug und Julian Brandt, die das Konto auf sieben Zähler anstiegen ließen. Gleichzeitig eroberte der BVB still und heimlich die Tabellenführung, weil sich Milan und PSG die Punkte gegenseitig wegnahmen.

BVB, 28. November 2023: Adeyemi erwacht in Mailand

In Mailand galt es, die beiden Siege zu bestätigen und das Ticket fürs Achtelfinale vorzeitig zu buchen - und das gelang!

Mit einem glänzenden Karim Adeyemi, der nach Einwechslung den Treffer zum 3:1 markierte, überrollte Dortmund das legendäre San Siro regelrecht.

Es war das bis dahin erste Saisontor des oft so gescholtenen Angreifers, der in der Champions League - wie in beiden Halbfinalspielen gegen PSG - noch zu einem wichtigen Eckpfeiler reifen sollte. Ganz anders als in der Bundesliga. Adeyemi erweckte in der Königsklasse häufig den Eindruck, als ob er sich vor den Spielen eine Maske aufziehen würde, die in ihm andere Kräfte hervorruft.

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BVB, 20. Februar 2024: Blaues Auge in Eindhoven

Nach einem 1:1 gegen PSG in Dortmund durfte sich der BVB über Lostopf 1 bei der Ziehung für das Achtelfinale freuen - und bekam mit der PSV Eindhoven einen vermeintlich machbaren Gegner, der in der Eredivisie aber bis dato alle Spiele gewonnen hatte.

Und die Niederländer um Ex-Dortmund-Coach Peter Bosz wussten durchaus, wie sie dem BVB gefährlich werden können. Trotz mehrerer guten Chancen ging die Borussia aber durch Donyell Malen in Führung. Der Ausgleich resultierte aus einer letztlich strittigen Schiedsrichter-Entscheidung per Elfmeter.

"Übeltäter" Mats Hummels tobte und fluchte anschließend . Dennoch versprach er: "Zuhause sind wir nicht zu schlagen!" Eine Aussage, die sich bis zum Schluss bewahrheiten sollte.

BVB, 13. März 2024: Jadon Sancho endlich angekommen

Im Rückspiel ließ der BVB letztlich nichts anbrennen und gewann mit 2:0. Auch weil Jadon Sancho seine beste Leistung nach der Rückkehr im Winter zeigen sollte.

Der Engländer erzielte die so wichtige Führung nach wenigen Minuten und bejubelte somit seinen zweiten Treffer binnen vier Tagen (zuvor in der Liga gegen Bremen). Ähnlich wie bei Adeyemi war auch dieses Spiel eine Art Startschuss für ihn in der Champions League. Hinterher gab es von allen Seiten viel Lob für Sancho, der endlich in Dortmund angekommen zu sein schien.

Die anschließende Auslosung lief verhältnismäßig glücklich. Anstelle von Manchester City, Real Madrid oder dem FC Bayern München wartete Atlético Madrid. Auch wenn der BVB auch in dieser Konstellation als Außenseiter in die Paarung gehen sollte.

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BVB, 10. April 2024: Haller öffnet die Türe

Und das sollte sich zunächst auch bestätigten! Die Hausherren aus Madrid waren Nutznießer von mehreren fatalen Dortmunder Abwehrfehlern. Doch mehr als ein 2:1 für das Team von Trainer Diego Simeone sprang am Ende nicht heraus.

Ein Verdienst des spät eingewechselten Sébastien Haller, der nach seiner schweren Erkrankung den wohl wichtigsten Treffer für den BVB erzielte - und sogar Stimmen laut werden ließ, dass er Niclas Füllkrug den Stammplatz streitig machen würde.

BVB, 16. April 2024: Wahnsinn vor der Gelben Wand

Am darauffolgenden Wochenende stand Haller dann tatsächlich in der Startelf, verletzte sich aber schwer. Füllkrug startete somit gegen Atlético und hatte maßgeblichen Anteil an einer magischen Nacht vor der Gelben Wand.

"Das ist ein stolzer Tag für alle Borussen, das war eine Achterbahnfahrt. Riesenkompliment an die Mannschaft", sagte Watzke: "So zurückzukommen, das muss man erstmal schaffen."

Nach einer 2:0-Führung waren die Rojiblancos eindrucksvoll aus der Kabine gekommen und besorgten schnell den Ausgleich. Vieles sah nach einem völligen Einbruch aus, ehe erst Füllkrug und der überragende Marcel Sabitzer zuschlugen. 4:2 hieß es am Ende, eine Verlängerung blieb dem BVB auch dank Hallers Treffer im Hinspiel erspart.

Die Zielsetzung war anschließend klar: Wembley und nicht weniger!

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BVB, 1. Mai 2024: Das große Leiden von Kylian Mbappé und Co.

Das Rückspiel gegen Atlético vor einer überragenden Kulisse hatte derart hohe Wellen geschlagen, dass sogar Liverpool-Legende Jamie Carragher unbedingt Teil der Gelben Wand sein wollte.

"Das könnte erklären, warum ich ein bisschen undeutlich spreche. Ich hatte ungefähr acht Bier in der gelben Wand. Ich habe eine neue Familie und neue Freunde gefunden", schwärmte er in seiner Rolle als TV-Experte und verteidigte seinen Schwips mit einer schlechten Grundlage von nur einem Cheeseburger.

Auf dem Platz verlangten die Dortmunder dem Pariser Starensemble um Kylian Mbappé mit einer überragenden Defensivleistung und dem nächsten Streich von Füllkrug alles ab.

Dabei war beim BVB durchaus Druck auf dem Kessel. Der Sieg war entscheidend, um Deutschland den fünften Platz in der Champions League zu sichern. Hatte es doch nur wenige Tage zuvor noch eine herbe 1:4-Klatsche gegen RB Leipzig gehagelt, die Platz fünf in der Liga quasi besiegelte.

So war es Dortmund vergönnt, etwas befreiter in der Prinzenpark zu fahren und den Einzug ins Finale perfekt zu machen.

BVB, 7. Mai 2024: Wembley calling!

Was folgte, war eine weitere herausragende Leistung von Hummels und Nico Schlotterbeck und eine ordentliche Portion Glück in Sachen Aluminium.

Nach zwei Treffern auf das Gebälk im Hinspiel schraubte PSG sein Konto auf sechs hoch. Nicht von ungefähr, kündigte Sportdirektor Sebastian Kehl im Anschluss augenzwinkernd an, das Tor mit nach London nehmen zu wollen.

Dem BVB war es hinterher freilich herzlichst egal, wie auch das zweite Spiel mit 1:0 gewonnen wurde und feierte ausgelassen mit den Fans. Mittendrin auch Marco Reus, der nach dem Finaleinzug in seinem ersten BVB-Jahr zum Abschied ein weiteres Endspiel in der Champions League bekommt.

Seine Forderung: "Jetzt müssen wir ihn (den Titel; Anm. d. Red.) auch holen, sonst wäre das scheiße." Das sei es auch völlig egal, gegen wen es am 1. Juni letztlich geht.

To be continued ...