Mathys Tel beim FC Bayern München: Ein neuer Publikumsliebling

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Den FC Bayern München plagen aktuell durchaus einige Problemfelder, der Sturm zählt immerhin nicht mehr dazu: Harry Kane (30) entwickelt sich zum neuen Robert Lewandowski, Mathys Tel (18) zum neuen Publikumsliebling.

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Als alle anderen Spieler nach dem 4:3-Sieg gegen Manchester United schon in den Katakomben verschwunden waren, marschierte Mathys Tel noch über den Platz. Wieder hatte er spät getroffen. Anschließend konnte er gar nicht genug bekommen vom Jubel der Menge. Erst feierte ihn die Südkurve mit Sprechchören, dann holte er sich den Applaus der drei anderen Tribünen ab - all das nicht zum ersten Mal in dieser Saison.

Abwechselnd klopfte Tel sich auf das Logo des FC Bayern auf seiner Brust, klatschte zurück in Richtung der Ränge und reckte seine linke Hand mit der markanten weiße Bandage in die Höhe. Seit U13-Zeiten trage er sie, verriet Tel im Interview mit SPOX und GOAL. "Sie ist etwas sehr Bedeutsames. Sie erinnert mich daran, wo ich herkomme."

Tel kommt aus Sarcelles, einem Vorort von Paris. Aber längst ist München zu seinem zweiten Zuhause geworden. Nur ein Jahr nach seiner 20 Millionen Euro teuren Verpflichtung von Stade Rennes ist der erst 18-jährige Stürmer beim FC Bayern zum Publikumsliebling aufgestiegen. Kaum ein Münchner Spieler verkörpert aktuell so eine Identifikation mit dem Klub wie Tel, kaum einer wird von den Fans so herzlich angenommen wie er.

Im Zuge seiner spätabendlichen Ehrenrunde holte Tel noch ein kleines Kind mit einem Trikot-Wunsch-Plakat auf den Platz und schenkte ihm sein Leibchen. Eine rührende Geste. "Wunderschön und sehr berührend" sei es für Tel unterdessen gewesen, als sich die Südkurve nach Rassismus-Vorfällen im Internet mit ihm solidarisierte. "Wir stehen hinter dir, Mathys", hieß es beim Sieg gegen den FC Augsburg auf einem Spruchband.

All diese Eindrücke komprimierte Tel neulich schüchtern lächelnd in einem Sky-Interview: "In meinem Kopf ist immer FC Bayern. FC Bayern immer. Mia san mia." Er wolle gar "für immer hierbleiben". Setzt er seine ziemlich irre Torquote fort, dürfte beim FC Bayern niemand etwas dagegen haben.

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Mathys Tel: Publikumsliebling hinter dem neuen Lewandowski

In den vergangenen fünf Pflichtspielen wurde Tel jeweils in der Schlussphase eingewechselt, viermal gelang ihm noch ein später Scorerpunkt - in zusammengerechnet lediglich 57 Minuten. Unverschämt effektiv. Gegen United erzielte er, nachdem Thomas Müller kurz zuvor seine Vorlage an den Pfosten geschossen hatte, selbst das sehr beruhigend wirkende 4:2, am Freitag beim 2:2 gegen Bayer Leverkusen bereitete er Leon Goretzkas zwischenzeitliches 2:1 vor, zuvor gegen Borussia Mönchengladbach traf er zum 2:1-Sieg.

Jeder weitere Scorerpunkt ist ein weiteres Bewerbungsschreiben für einen Platz in der Startelf. Dass es dafür bisher noch nicht gereicht hat, sei laut Trainer Thomas Tuchel "ein bisschen unfair für ihn. Er verdient es sich. Aber es ist auch eine Qualität, wenn ein Spieler jedes Mal von der Bank einen solchen Unterschied machen kann. Jetzt beginnen die Spiele, die alle drei Tage stattfinden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er beginnt."

Tel kann zwar auch über die Flügel angreifen, auf seiner Paradeposition im Sturmzentrum befindet sich aber ein Hindernis namens Harry Kane. 100-Millionen-Euro-Neuzugang, Kapitän der englischen Nationalmannschaft, nie verletzt. Auch wenn Kane bisher noch nicht konstant glänzt, trifft er dennoch äußerst verlässlich, gegen United beinahe unverschämt souverän per Elfmeter.

Sieben Scorerpunkte bei fünf Startelf-Einsätzen: Während Tel zum neuen Publikumsliebling avanciert, entwickelt sich Kane zum neuen Robert Lewandowski. Nach einem Jahr Abstinenz hat der FC Bayern wieder einen waschechten, verlässlichen Torgaranten. Einen, der eigentlich immer trifft - egal ob es läuft oder nicht, egal ob der Gegner Manchester United heißt oder Werder Bremen, egal ob Tuchel auf der Bank sitzt oder auf der Tribüne.

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Sven Ulreich und Christoph Freund schwärmen von Mathys Tel

An Kane wird Tel in dieser Saison nicht nachhaltig vorbeikommen. Er kann ihm aber mal in einem nicht ganz so wichtigen Spiel ohne Bedenken eine Pause ermöglichen, womöglich kann er auch mal neben ihm beginnen - vor allem aber kann er von ihm lernen. Und zwar tatsächlich vom echten Kane. Nicht vom virtuellen, den Tel früher nach eigener Auskunft gerne beim Videospiel FIFA gespielt habe. "Er hat gerade mit mir gesprochen und mir Tipps gegeben, wie ich den Ball in der Luft annehmen kann", sagte Tel nach Anpfiff bei beIN Sports. "Er ist immer für mich da und sagt mir jedes Mal, wenn es etwas in meinem Spiel zu korrigieren gibt."

Zuletzt schwärmte Tel schon in einem Interview mit der französischen L'Équipe von den Ratschlägen seiner Mitspieler. "Wir haben eine Beziehung entwickelt, in der ich ihr Vertrauen spüre", sagte Tel. Vor allem Joshua Kimmich fördere ihn: "Wenn ich im Training einen Fehlpass spiele, schreit er mich an, als ob ich etwas Verrücktes gemacht hätte. Und gleich danach kommt er zu mir und sagt: 'Du weißt ganz genau, es ist zu deinem Besten, dass ich das mache. Ich will, dass du ein Spitzenspieler wirst.'"

Keeper Sven Ulreich erlebt Tel als "feinen Kerl, wissbegierig, lernwillig. Er ist ein Vorbild für alle Jugendspieler, die hier herkommen. Da hatten wir auch schon andere Beispiele, die das nicht so gehandhabt haben." Sportdirektor Christoph Freund nennt Tel "einen jungen Spieler, wie man ihn sich wünscht" - und Freund hat bekanntlich schon reichlich Erfahrungen mit jungen Spielern gesammelt. Bei seinem Ex-Klub RB Salzburg entdeckte und förderte er heutige Stars wie Erling Haaland und Dominik Szoboszlai, arbeitete außerdem mit den heutigen Münchnern Dayot Upamecano und Konrad Laimer zusammen.

Tel mache Freund "einfach unglaublich Freude: ein super Charakter, super Mentalität, große Qualität. Die letzten Spiele hat er uns richtig, richtig geholfen. Er ist ein richtig guter Junge, der für den FC Bayern steht, lernen will, sich verbessern will." Während es in den Spielen für Tel aktuell blendend läuft, sieht Ulreich im Training aber noch Optimierungsbedarf: Nicht nur wie von Kimmich offenbar gelegentlich angemahnt im Passspiel, sondern auch im Abschluss. "Im Spiel macht er es besser als im Training", sagte Ulreich schmunzelnd. "Im Training ist oft auch mal ein Ball drüber."