Christian Groß von Werder Bremen im Interview: "Man interessiert sich nicht so sehr für den Menschen hinter mir"

Von Ulli Ludwig
Christian Groß kam mit 30 im September 2019 zu seinem Bundesliga-Debüt für Werder Bremen.
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Was wäre denn passiert, wenn man Sie nicht dorthin mitgenommen hätte?

Groß: Keine Ahnung, wahrscheinlich wäre ich Kapitän der U23 geblieben und hätte ungefähr 100 Regionalliga-Spiele gemacht. Weder der Verein, noch ich dachten ja, dass es anders kommen würde.

Sie schafften es sogar auf Anhieb in die Startelf. Ab wann dämmerte Ihnen, dass Sie tatsächlich gute Chancen hatten, bald Ihr Bundesligadebüt zu geben?

Groß: Das kann ich nicht mehr genau sagen. Ich weiß noch, dass ich das erste Mal für einen Kurzeinsatz in der 93. Minute eingewechselt wurde. Allein davon hatte ich als Kind immer geträumt - und jetzt habe ich mittlerweile 37 Bundesligaspiele gemacht. Nach und nach wurde mir im Training und den Spielen klar, dass es funktioniert und ich auf dem Niveau mithalten kann.

Wie sind Sie in der Folge mit den Veränderungen umgegangen, die Ihnen als Bundesligaprofi blühten: höhere Bekanntheit, größerer Druck, mediale Präsenz?

Groß: Das Privatleben verändert sich insofern, dass man im Urlaub mal erkannt wird oder ich nach einem Autogramm gefragt werde, wenn ich meine Kinder in die Kita bringe. Das Spiel in München war ja nicht so gut - auf solche Sachen wird man dann natürlich angesprochen. Man wird leider oft auf den Fußballer reduziert und interessiert sich nicht so sehr für den Menschen hinter mir. Das vermisse ich manchmal. Der Fußball polarisiert halt sehr stark, ob bei Sieg oder Niederlage.

Als Werder im Vorjahr am 20. Spieltag in Bielefeld gewann, war das für viele gleichbedeutend mit dem vorzeitigen Klassenerhalt. Anschließend gab es keinen Sieg mehr und man stieg am letzten Spieltag ab. Inwiefern war man sich auch in der Mannschaft zu sicher, dass das mit dem Klassenerhalt schon irgendwie reichen würde?

Groß: Sicher war keiner. Wir wussten, dass wir noch lange um den Klassenerhalt spielen würden. In dem Moment sah es vielleicht nicht so aus, aber das war uns schon allen bewusst. Wir sind dann in eine Negativspirale geraten, aus der wir uns einfach nicht mehr befreien konnten.

Am vorletzten Spieltag kassierten Sie dann in Augsburg einen Platzverweis, welcher zu einer bitteren 0:2-Niederlage und zur Entlassung von Kohfeldt führte. Wenn Sie heute daran zurückdenken, was würden Sie anders machen?

Groß: Es ist einfach so: Manchmal trifft man Entscheidungen, die man im Nachhinein bereut. Diese Szene war so eine, das hätte ich besser machen können. Ich war aber nicht der Auslöser für den Abstieg. Es gab auch die ganzen Spiele zuvor, in denen uns leider kein Sieg gelang.

Kam für Sie die anschließende Entlassung von Kohfeldt einen Spieltag vor Saisonschluss überraschend?

Groß: Nach einem solchen Trend ist es logisch, dass der Trainer irgendwann gehen muss. Ich hatte ein sehr gutes Verhältnis zu ihm, dank ihm bin ich ja doch noch Bundesligaspieler geworden. Ich hoffe deshalb, dass er bald wieder auf die Bildfläche zurückkehren wird. Wir hatten anschließend minimalen Kontakt, aber ich glaube, dass er etwas zeitlichen Abstand braucht, um die Dinge für sich selbst zu verarbeiten. Wir werden aber sicherlich noch einmal über alles im Detail reden.

Sie waren der erste Spieler, der bekanntgab, auch in der 2. Liga für Werder spielen zu wollen. Nebenbei studieren Sie noch Betriebswirtschaftslehre und Management. Funktioniert beides zusammen?

Groß: Es ist schon schwierig, den Fußball, die Familie mit zwei Kindern und das Studium vernünftig zu verbinden. Abends bleiben nur noch ein, zwei Stunden übrig, um etwas dafür zu machen - und bei den Online-Vorlesungen turnen bei mir eben zwei kleine Kinder im Hintergrund herum.

Christian Groß flog am 33. Spieltag der Vorsaison in Augsburg vom Platz.
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Christian Groß flog am 33. Spieltag der Vorsaison in Augsburg vom Platz.

Wie läuft's denn dann insgesamt?

Groß: Ich habe Mitte Juli zwei Klausuren geschrieben und mich mal wieder etwas aktiver gezeigt. Mathe lief super, in Statistik hatte ich so meine Schwierigkeiten. Ich hoffe jetzt, dass ich das Studium in naher Zukunft beenden kann. Die Corona-Zeit hat mir geholfen, die Vorlesungen online zu besuchen und so auch an den Prüfungen teilzunehmen. Die Türen sind jetzt wieder etwas geöffneter als zuvor.

Werders Sport-Geschäftsführer Frank Baumann bestätigte bereits, dass es mit Ihnen eine Vereinbarung gibt, wonach Sie nach dem Karriereende bei Werder im sportlichen Bereich beschäftigt werden. Wie wird das genau aussehen?

Groß: Während meiner Zeit in der U23 habe ich ein Jahr lang ein Praktikum in der Scoutingabteilung gemacht. Das hat mir total gut gefallen und kann ich mir sehr gut vorstellen. Ich versuche, mich neben dem aktiven Fußballspielen breit aufzustellen.

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