Bernd Leno im Interview: Sommer-Wechsel für die WM? "Ausschließen kann man nichts"

Von Johannes Ohr
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Müssten Sie Arsenal im Sommer nicht verlassen, wenn Sie weiterhin nicht spielen und die WM-Teilnahme nicht gefährden wollen?

Leno: Wie gesagt: Ich fühle mich bei Arsenal sehr, sehr wohl und habe noch ein Jahr Vertrag. Erstes Ziel muss es sein, hier zu spielen.

Ein Wechsel im Sommer ist aber nicht ausgeschlossen?

Leno: Ausschließen kann man sowieso nichts. Ich bin 30 Jahre alt, da könnte man denken, dass man trotz des Ehrgeizes und der Ungeduld vielleicht ein bisschen entspannter mit so einem Thema umgeht. Natürlich gibt es immer Anfragen. Aber wie gesagt, es geht darum, hier zu spielen. Das ist mein erster Anspruch. Wenn der Klub anders plant, muss er auf mich zukommen. Natürlich haben meine Agentur und ich die Situation im Blick.

Zuletzt gab es Gerüchte, Ihr Ex-Klub Bayer Leverkusen denke darüber nach, Sie zurück nach Deutschland zu holen. Könnten Sie sich das grundsätzlich vorstellen?

Leno: Ich habe das auch gelesen, weiß aber nichts davon. Da hieß es auch, ich würde unbedingt in mein Heimatland zurück wollen, aber das stimmt so nicht. Wie gesagt: Wir fühlen uns hier rundum wohl, auch wenn es für mich aktuell nicht so läuft.

Welchen Eindruck haben Sie von Hansi Flick?

Leno: Er hat einen frischen Wind reingebracht. Seine offene, direkte Art kommt sehr gut an in der Mannschaft. Er hat die Spieler auf seiner Seite, sie laufen für ihn. Fachlich ist er sowieso top. Die Ergebnisse waren gut und ich bin davon überzeugt, dass wir bei der WM auf jeden Fall zum Favoritenkreis dazugehören. Wir haben eine Top-Mannschaft und eine super Atmosphäre - und auch wenn es in den letzten Jahren nicht so lief, sind wir immer noch Turniermannschaft.

Viele beschreiben den Bundestrainer wegen seiner Art als Menschenfänger. Trifft es das?

Leno: Er hat eine sehr, sehr gute Bindung zu den Spielern. Ich war "nur" die Nummer drei. Er gibt mir aber das Gefühl, dass ich wichtig bin. Er kommt extra nach London, sagt dir klar, woran du bist, baut aber trotzdem keinen Druck auf. Er ermutigt vielmehr, seine eigenen Entscheidung zu treffen. Die Spieler zahlen das zurück. Ich bin mir deshalb relativ sicher, dass die WM ein Erfolg wird.

Leno: WM-Titel? "Wir brauchen uns nicht zu verstecken"

Ist das Zwischenmenschliche für einen Trainer heute noch wichtiger als früher?

Leno: Ich glaube, Julian Nagelsmann hat mal gesagt, dass zwei Drittel in der Arbeit eines Trainers das Menschliche betreffen. Ich bin davon überzeugt, dass das ein riesen Faktor ist. Fußball ist Kopfsache. Wir haben alle mal mit diesem Sport angefangen, weil wir Spaß daran hatten. Deswegen spielen solche Faktoren wie die Motivation oder das Klima innerhalb einer Mannschaft eine größere Rolle, als man denkt.

Welche Mannschaften gehören noch zu den WM-Favoriten?

Leno: Ich glaube, dass England auch dazugehört. Den EM-Titel haben sie ganz bitter nur knapp verpasst. Sie haben am Pokal geschnuppert und werden extrem viel Feuer haben. Sie haben eine goldene Generation, die jetzt auch schon über Jahre zusammen spielt. Brasilien hat eine Top-Mannschaft, auch Frankreich und Argentinien. Aber wie gesagt: Wir brauchen uns nicht zu verstecken.

Wie wichtig ist Ihnen der Kontakt zu Familie und Freunden in Ihrer Heimat Bietigheim-Bissingen?

Leno: Sehr wichtig. Ich habe immer noch die gleichen Kumpels wie vor meiner Schulzeit. Auch viele Stuttgarter Jungs, mit denen ich in der Jugend beim VfB zusammengespielt habe, gehören zu meinem Freundeskreis. Wir treffen uns immer im Sommer, haben eine WhatsApp-Gruppe - 92er-Gruppe heiß die - der Kontakt ist nie abgerissen.

Gibt es noch andere Profispieler, die zur Gruppe gehören?

Leno: Ein paar gibt es. Alexander Merkel zum Beispiel, der früher bei Milan und beim VfL Bochum unter Vertrag stand. Oder Patrick Bauer, der aktuell bei Preston North End in der englischen 2. Liga spielt. Die anderen spielen heute unter anderem in Bissingen oder in Freiberg. Die Karrieren haben sich einfach in verschiedene Richtungen entwickelt. Ich bin froh, dass diese Freundschaften noch heute bestehen.

Stimmt es, dass Sie mit Ihren Kumpels gerne zocken?

Leno: Ja, gerade während der Corona-Zeit habe ich das mit meinen Stuttgartern und Bietigheimern Jungs gerne gemacht. Man verabredet sich zum Zocken, quatscht nebenher und tauscht sich aus. Das macht Spaß und ich finde es auch wichtig, dass man in Kontakt bleibt.

Was wird dabei gezockt?

Leno: Zuletzt haben wir viel Formel 1 gespielt, dazu natürlich FIFA. Ich habe hier ja mit Freunden auch ein eigenes, professionelles Team aufgebaut. Mit leno-e-sports sind wir gut am Start.

Bernd Leno muss um seinen Platz im DFB-Team bangen.
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Bernd Leno muss um seinen Platz im DFB-Team bangen.

Leno über den Abschied vom VfB und den Leverkusen-Wechsel

Wie blicken Sie auf Ihre Zeit beim VfB zurück - und warum hat es für Sie dort nicht zum Profidebüt gereicht?

Leno: Ich hatte während meiner A-Jugend-Zeit schon rund 60 Drittliga-Spiele gemacht. Das war natürlich goldwert für mich und das Beste, was mir hätte passieren können in diesem Alter. Während dieser Zeit konnte oder durfte ich aber nicht bei den Profis mittrainieren, weil der Klub im Abstiegskampf war. Sven Ulreich war gesetzt, weil er gut gehalten hatte. Im Sommer 2011 war ich dann so ein bisschen in der Vorbereitung oben mit dabei. Ich glaube, der Plan vom VfB war, dass ich Marc Ziegler nach und nach ablöse, er war damals die Nummer zwei.

Wie ging es weiter?

Leno: Weil die Drittliga-Saison ein paar Wochen vor der Bundesliga losging, stand ich da wieder im Tor. Natürlich war ich ziemlich enttäuscht, weil ich oben komplett dabei sein wollte. Ich habe das dann aber akzeptiert und wollte das Beste daraus machen. Und aus dem Nichts habe ich dann einen Anruf bekommen, dass Bayer Leverkusen mich haben will...

Was denkt man sich in so einem Moment? Damit konnten Sie ja nicht rechnen.

Leno: Nie im Leben. Ich weiß noch genau, dass mich mein Berater angerufen und gesagt habe, dass wir uns sofort treffen müssen. Ich habe dann erst überlegt, ob ich irgendwas angestellt habe. Dann hat er mir eben gesagt, dass Leverkusen mich holen möchte. Ich habe ihn dann gefragt, ob er die erste oder die zweite Mannschaft meint. Michael Reschke wollte mich unbedingt haben, Rene Adler hatte sich ja verletzt. Da war ich erst mal geschockt. Man weiß in dem Moment ja nicht, ob man schon so weit ist und das auch packt. So wie es dann gelaufen ist, war das der Jackpot für mich. Ich bin dem Verein und Michael Reschke noch heute dankbar, dass sie mich verpflichtet haben.

Nur wenige Wochen später feierten Sie direkt Ihr Debüt in der Champions League...

Leno: Das habe ich erst mal gar nicht realisiert. Mein erstes Spiel war in Bremen, das zweite ausgerechnet beim VfB - wo ich immer in die Kabine der Profis wollte - dann Dortmund und Augsburg und dann auf einmal Champions League gegen Chelsea. Mit Torres, Drogba, Czech und anderen Größen. Vier bis fünf Wochen davor spielte ich noch vor 2.500 Zuschauern in Regensburg. Das war wie im Film für mich. Es ist dann besser gelaufen, als ich im Vorfeld dachte. Der Mut - sowohl von Leverkusen als auch von mir - hat sich für beide ausgezahlt.

Verfolgen Sie Ihre beiden Ex-Klubs heute noch?

Leno: Leverkusen verfolge ich sehr intensiv. Wenn ich Zeit haben, schaue ich mir die Spiele schon an. Ich kenne noch viele Leute vom Staff, Simse (Simon Rolfes, Anm. d. Red.) und Kieß (Stefan Kießling, Anm. d. Red.) und ein paar Spieler. Der Kontakt ist schon noch da, Leverkusen ist mein Verein in Deutschland. Beim VfB kenne ich wirklich gar keinen mehr. Klar, Stuttgart ist meine Heimat. Aber die große Bindung zum Klub habe ich nicht mehr.

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