FC Arsenal in der Krise: Warum Mikel Artetas Projekt kurz vor dem Scheitern steht 

Von Oliver Maywurm
Pierre-Emerick Aubameyang und der FC Arsenal stecken weiter in der Krise.
© getty

Seit knapp einem Jahr ist Mikel Arteta Cheftrainer des FC Arsenal. Aus anfänglicher Euphorie ist mittlerweile tiefe Ernüchterung geworden: Pierre-Emerick Aubameyang ist außer Form, die Mannschaft steckt im Tabellenkeller fest und die Kritik an Arteta wird größer.

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Vor knapp einem Jahr herrschte beim FC Arsenal endlich mal wieder Euphorie. Der meist ungeliebte Unai Emery war entlassen worden - und ein alter Bekannter trat seine Nachfolge an: Mikel Arteta. Jung, frisch, Guardiola-Schule, dazu als Spieler von 2011 bis 2016 Dirigent im Mittelfeld der Gunners. Mit ihm würde es bergauf gehen, da waren sich alle sicher.

"Das erste, was zu tun ist, ist die Energie wieder ein bisschen zu verändern", sagte Arteta bei seiner ersten Pressekonferenz, kurz vor Weihnachten 2019. Arsenal habe seine Identität ein Stück weit verloren, betonte er. Die Identität, die Arsene Wenger in seinen über 20 Jahren geschaffen hatte, die Identität des gepflegten Fußballs, der spektakulären Kombinationen und Tore. Und auch der Erfolge.

Gut ein Jahr später ist Arsenal davon jedoch weiter entfernt denn je. Nach zwölf Spieltagen und dem schlechtesten Saisonstart seit 39 Jahren rangiert der Klub auf Platz 15, lediglich fünf Punkte vom ersten Abstiegsplatz entfernt. Das 0:1 gegen Kellerkind Burnley am Sonntag, die vierte Heimniederlage am Stück in der Premier League, war der vorläufige Tiefpunkt. Gewonnen haben die Londoner in der Liga seit dem 1:0 bei Manchester United am 1. November nicht mehr.

 

FC Arsenal: Offensive kollektiv außer Form

Die Gründe für Arsenals tiefe Krise sind vielschichtig. Zentral ist sicherlich, dass eine Weiterentwicklung des Kaders seit Jahren nicht mehr stattfindet, auch unter Arteta wurde das bislang nicht besser. Schon auf dem Papier genügt lediglich die Offensive den Ansprüchen, in der vielleicht besten Liga der Welt oben mitzuspielen. Aber Neuzugang Willian findet sich noch überhaupt nicht zurecht, Nicolas Pepe ist immer noch nicht wirklich in London angekommen, Alexandre Lacazette und sogar Pierre-Emerick Aubameyang - sonst stets eine Art Lebensversicherung - sind außer Form.

Gerade mal zehn Treffer stehen in der Premier League auf Arsenals Habenseite, nur Burnley, der Tabellenletzte Sheffield und der Vorletzte West Bromwich haben noch seltener getroffen. Die Gunners kreieren nur sehr wenige Torchancen, Automatismen und Kreatives vermisst man im Offensivspiel allzu häufig. Und von den seltenen Gelegenheiten, die man bekommt, nutzt man nur 10,6 Prozent. Der viertschwächste Wert in Englands Oberhaus.

Sieben der zehn letzten Ligaspiele hat Arsenal verloren, in sechs davon kein Tor erzielt. Emery war einst für weniger entlassen worden. "Das größte Problem, das der Verein derzeit hat, sind die fehlenden Tore", sagte Aubameyang Ende November bei AfriqueSports. Besserungen sind allerdings weiter nicht in Sicht - und der frühere Dortmunder dient als Sinnbild für die erschreckend geringe Torgefahr, die Arsenal aktuell ausstrahlt.

Erst zwei Saisontore stehen in Aubameyangs Leistungsnachweis, eines davon per Elfmeter. Seit dem 1. November hat der Kapitän gar nicht mehr genetzt, im Schnitt trifft er nur alle 538,5 Minuten. In den vergangenen beiden Spielzeiten durfte Aubameyang noch alle 142,6 respektive alle 124,1 Minuten jubeln.

Aubameyangs Leistungsabfall nach der Vertragsverlängerung

Als Aubameyang Mitte September seinen Vertrag bei Arsenal bis 2023 verlängerte, war die Freude noch groß - inzwischen mehrt sich aber die Kritik am 31-Jährigen, der angeblich 18 Millionen Euro pro Jahr verdient. Seit seiner Verlängerung knüpft er nicht mehr an die zuvor gezeigten Leistungen an. Doch Aubameyang ist letztendlich nur das letzte Glied im kollektiven Dauertief, das Arsenal dieser Tage durchlebt.

Willian, Artetas Wunschspieler und mit großen Hoffnungen von Chelsea gekommen, übte bei Globo Esporte jüngst zwischen den Zeilen Kritik an der Ausrichtung, die der Coach vorgibt. Zwar habe man trotz des Positionsspiels seine Freiheiten auf dem Platz, aber: "Es kann vorkommen, dass du nie an den Ball kommst und dich das total frustriert. Mikel sagt jedoch immer: 'Warte ab, der Ball kommt schon.'"

Artetas Herangehensweise schien dabei zunächst tatsächlich für einen Umschwung zu sorgen. Immerhin stabilisierte er Arsenal in der Rückrunde der vergangenen Saison, wurde noch Achter in der Liga, gewann den FA Cup und den Community Shield gegen Meister Liverpool.

In dieser Saison aber mangelt es an Beweglichkeit im Spiel der Gunners, aus dem Mittelfeld kommen kaum Ideen. Dani Ceballos hätte das Potenzial dazu, läuft aber seiner Form hinterher. Neuzugang Thomas Partey zeigte zumindest gute Ansätze, ebenso wie Ainsley Maitland-Niles. Arteta setzt aber zumeist auf Granit Xhaka, dessen aktuelle Verfassung ihm allerdings im Weg steht und der beim 0:1 gegen Burnley zuletzt eine sehr unnötige Rote Karte kassierte. "Verkauft Xhaka und verpflichtet mich umsonst", höhnte der frühere Arsenal-Profi Emmanuel Frimpong auf Twitter.

Arsenal: Druck auf Arteta wächst auch in der Kabine

Im Umfeld und in den englischen Medien wächst die Kritik an Artetas Personalentscheidungen ohnehin. Warum setzt er nicht häufiger auf Maitland-Niles anstatt immer wieder auf Xhaka? Warum bekommen die jungen Talente wie Emile Smith Rowe, Folarin Balogun, Joe Willock oder Eddie Nketiah, die in der Europa-League-Gruppenphase (die Arsenal verlustpunktfrei beendete) regelmäßig ihr Potenzial unter Beweis stellen, nicht häufiger auch in der Liga eine echte Bewährungschance?

Auch innerhalb der Kabine wächst der Druck auf Arteta. Dass er mit Mesut Özil und Sokratis zwei verdiente Spieler, die im Team immer noch ein hohes Standing genießen und großen Einfluss haben, mittlerweile gänzlich ausgebootet hat, verstehen viele Stars nicht. Dass er Pepe nach dessen Platzverweis gegen Leeds Ende November öffentlich anzählte, kam ebenfalls nicht gut an. Und zwischen dem Coach und David Luiz soll zuletzt ständig wortlose Eiszeit herrschen.

Das Projekt Arteta bei Arsenal steht nach nicht einmal einem Jahr kurz vor dem Scheitern. Der Trainer scheint zu wissen, was die Stunde geschlagen hat. "Wenn die Ergebnisse nicht stimmen, ist immer der Trainer am meisten dafür verantwortlich. Am Ende geht es darum, Fußballspiele zu gewinnen und dieser Klub ist zu groß, um diese vielen Niederlagen in den letzten Wochen akzeptieren zu können", sagte Arteta bei seiner jüngsten Pressekonferenz. Und ergänzte: "Hier ist meine Brust, schlagt mich!"

Premier League: Die aktuelle Tabelle

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Tottenham Hotspur1224:101425
2.FC Liverpool1227:18925
3.Leicester City1224:15924
4.FC Southampton1224:17723
5.FC Chelsea1225:121322
6.West Ham United1220:15520
7.FC Everton1221:18320
8.Manchester United1119:17220
9.Manchester City1117:11619
10.Aston Villa1021:13818
11.Crystal Palace1218:17117
12.Newcastle United1114:16-217
13.Wolverhampton Wanderers1211:16-517
14.Leeds United1217:22-514
15.FC Arsenal1210:15-513
16.Brighton & Hove Albion1215:21-610
17.FC Burnley116:18-129
18.FC Fulham1212:22-108
19.West Bromwich Albion129:25-166
20.Sheffield United125:21-161
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