FC Bayern München - Kapitänin Lina Magull im Interview: "Wäre schön, wenn die Verantwortlichen uns regelmäßiger besuchen würden"

Von Justin Kraft
magull
© imago images
Cookie-Einstellungen

 

Mit der Nationalelf hatten Sie zuletzt ein weniger erfolgreiches Erlebnis beim Arnold Clark Cup. Reicht die Begründung, dass sehr viele Spielerinnen ausgefallen sind oder sehen Sie auch darüber hinaus noch Verbesserungsbedarf?

Magull: Das Turnier war wirklich nicht so glücklich von uns. Ich war auch nicht zufrieden mit der eigenen und mit der Mannschaftsleistung. Wir können das nicht nur auf die Ausfälle schieben, aber natürlich ist da viel Qualität verloren gegangen. Es mussten Spielerinnen nachnominiert werden, die entweder zum ersten Mal dabei waren oder nur ab und zu dabei sind. Da fehlt es dann teilweise auch an Selbstvertrauen. Wenn man es mit anderen Nationen vergleicht, die mit einem ähnlichen Kader unterwegs sind, dann haben die ihre Startelf schon beisammen. Die haben teilweise über Jahre hinweg zusammengespielt. Wir haben in den letzten Jahren viel rotiert, der erweiterte Kader ist sehr groß. Mit Blick auf die EM muss der bald eingeschränkt werden, sodass wir uns einspielen können. Viel Zeit haben wir dafür nicht.

Zumal der Arnold Clark Cup durch die Ausfälle auch keine Option dafür geboten hat...

Magull: Ja, aber auch die Organisation des Turniers war nicht optimal. Wir sind zwischen den Spielen viel gereist, haben auf sehr schlechten Trainingsplätzen trainiert und auch wenn das keine Ausrede sein sollte, hat die Wetterlage ebenfalls nicht geholfen. Wenn du die wenigen Trainingseinheiten nicht so nutzen kannst, wie du es möchtest, weil du auf Plätzen spielst, auf denen du fast einsinkst, die Löcher haben, dann kommt da kein Spielfluss zustande und du kannst keine Abläufe einstudieren. Das wäre aber einfach wichtig gewesen.

Ist die deutsche Nationalelf trotzdem unter den Favoritinnen auf den EM-Titel in England?

Magull: Das denke ich aktuell nicht. Vielleicht kann das aber auch ein Vorteil werden, wenn wir etwas unterschätzt werden. Ich bin trotzdem positiv gestimmt, dass wir im April die Spiele und die beiden Trainingslager vor der EM nochmal gut nutzen werden. Das wird uns auch nochmal weiterhelfen, bestimmte Dinge auf dem Platz besser einstudieren zu können.

Einstudiert wirken auch Ihre Freistöße. Beim Arnold Clark Cup haben Sie sehenswert aus zentraler Position getroffen, in der Bundesliga schon zweimal aus sehr spitzem Winkel. Ist das überwiegend Talent oder harte Arbeit?

Magull: Dass ich eine gute Schusstechnik habe, wusste ich schon früh. (lacht) Deshalb habe ich auch recht früh damit angefangen, Freistöße zu trainieren. Ich habe damals viel ausprobiert und mir YouTube-Videos angesehen, um verschiedene Techniken zu erlernen. Aber in den letzten Jahren habe ich jetzt nicht viel Zeit im Training investiert. Nach dem Training nehme ich mir ab und an mal ein paar Bälle und übe, aber was mir am meisten hilft, ist der Fokus im Spiel selbst. Wenn ich spüre, dass drumherum die Leute ein gutes Gefühl haben, hilft das zusätzlich. Irgendwie merke ich das dann, wenn die denken "okay, die knallt den jetzt rein".

Sowohl in der Nationalelf als auch bei den Bayern spielten Sie bereits alle Positionen im zentralen Mittelfeld, sie bewundern Lionel Messi. Welche Rolle nehmen Sie auf dem Platz lieber ein: Tiefe Taktgeberin im Sechserraum oder Spielgestalterin auf der Zehn?

Magull: Ich mag beides sehr gerne. Bei Bayern nehme ich eher die tiefere Position ein, was aber auch auf den Gegner ankommt. Wenn es besonders starke Gegner sind, spielen wir meistens eher mit einer Doppelsechs, gegen tieferstehende Gegner darf ich etwas offensiver agieren. Bei der Nationalmannschaft sind wir zu dritt im Zentrum und da spiele ich dann ebenfalls offensiver. Diese Rolle mag ich am liebsten, weil ich da das Gefühl habe, nochmal mehr Einfluss darauf zu haben, Torchancen zu kreieren oder selbst gefährlich zu werden. Allgemein liebe ich es aber sowieso, oft den Ball zu haben und immer anspielbar zu sein.

"Dass ich eine gute Schusstechnik habe, wusste ich schon früh", sagt Lina Magull mit einem Lächeln im Gesicht. In ihrer Karriere hat die 27-Jährige bereits viele sehenswerte Freistoßtore erzielt.
© imago images
"Dass ich eine gute Schusstechnik habe, wusste ich schon früh", sagt Lina Magull mit einem Lächeln im Gesicht. In ihrer Karriere hat die 27-Jährige bereits viele sehenswerte Freistoßtore erzielt.

Lassen Sie uns zum Abschluss über Ihre kurz- und mittelfristigen Ziele sprechen. Mit den Bayern haben Sie in allen drei Wettbewerben noch gute Karten, mit der DFB-Elf treten Sie bei der EM in England an. Auf wie viele Titelgewinne blicken Sie danach zurück?

Magull: Gute Frage. (lacht) Ich bin kein Freund davon, die Zukunft vorherzusagen oder mir irgendetwas zu wünschen. Lieber arbeite ich mich von Woche zu Woche durch und fahre einen Sieg nach dem anderen ein. Das ist für mich auch mental am besten. Mein größtes Ziel ist es, jedes Spiel zu gewinnen und das würde dann natürlich bedeuten, alle Titel abzusahnen. So leicht ist das aber leider nicht. Wünschenswert wäre es dennoch, gerade mit der Nationalmannschaft endlich mal wieder einen Titel zu holen, mit Bayern die Meisterschaft zu verteidigen und sich im Vergleich zur letzten Saison zu steigern.

Vielleicht wollen Sie sich ja aber etwas für die Zukunft des Sports wünschen. Wenn Sie in zwei Jahren wieder einen Blogeintrag zum Status-quo des Frauenfußballs schreiben: Was sollte da idealerweise drinstehen?

Magull: Zunächst mal, dass sich die Strukturen im Frauenfußball gefestigt haben und dass alle Frauen in der ersten und zweiten Liga ihren Beruf professionell ausüben können, ohne sich nebenher etwas zuverdienen zu müssen. Dann natürlich, dass wöchentlich die Stadien voll sind und man viele Menschen begeistern kann mit dem, was man tut. Darüber hinaus wäre es gut, wenn sich die Vereine und der Verband immer wieder positiv dazu in der Öffentlichkeit äußern, dass der Frauenfußball den richtigen Weg eingeschlagen hat. Das wäre meine Wunschvorstellung. Ich habe jetzt wieder gemerkt, dass es persönlich mit einem etwas macht, wenn man in England vor rund 13.000 Zuschauern spielt. Das ist etwas anderes, als vor ein paar Hundert aufzulaufen. Es ist ein unheimlich schönes Gefühl und ich hoffe wirklich, dass die Männer das wöchentlich schätzen, dass sie so viele Menschen vor Ort und vor den Fernsehgeräten begeistern können. Ich würde das gerne machen, viele von uns würden das gerne machen und ich bin positiv gestimmt, dass es mal ansatzweise so werden könnte.