SPOX-Kolumne Auswärtsspiel - Selbst AlphaTauri zu stark: Fußball-Deutschland muss aufwachen

Von Fatih Demireli
Der BVB präsentierte sich beim 0:4 in Amsterdam desolat.
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In der Champions League sind zwei Bundesliga-Klubs Letzter, Dortmund verliert mit 0:4 in Amsterdam und inzwischen haben auch die vermeintlich kleineren Ligen aufgeholt. Der deutsche Fußball hat ein Problem. Doch wer soll es lösen?

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Man darf sicherlich aus einzelnen Ergebnissen keinen Trend ableiten, aber dennoch ist es alarmierend, dass drei der vier deutschen Champions-League-Teilnehmer am dritten Spieltag ihre Spiele verlieren und zwei Klubs nach der Halbzeit der Gruppenphase auf dem letzten Platz stehen.

Borussia Dortmund ist die größte deutsche Fußballmarke nach dem FC Bayern und lässt sich in Amsterdam mit 0:4 düpieren. Wolfsburg verliert in Salzburg mit 1:3 gegen das AlphaTauri-Team der RB-Fußball-Abteilung. Das Hauptteam verliert trotz starker Leistung in Paris, blamierte sich aber zu Hause gegen Brügge am 2. Spieltag.

Schaut man sich die Premier-League-Klubs an, an denen sich die Bundesliga orientiert, stehen alle Teilnehmer nach drei Spieltagen mindestens auf Platz 2 und in aussichtsreicher Position. Spätestens an dieser Stelle beginnt die gedankliche Diskussion, dass die Premier-League-Klubs mehr Geld zur Verfügung haben und dass ein Vergleich nicht zulässig ist. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.

Zumindest ist es vermessen zu sagen, dass die Unterschiede nur in der Finanzkraft begründet sind. Man darf mal nachsehen, wie hoch die Transfer- und Gehaltsausgaben von Ajax sind. Von Salzburg. Von Brügge. Von Atalanta. Von Lille.

Ob diese Teams am Ende den Einzug ins Achtelfinale schaffen, ist dabei nicht mal von Belang. Denn diese Klubs haben im Gegensatz zu vielen Bundesligaklubs den Mut, einen (eigenen) Weg gehen zu wollen, um Erfolg zu haben. Auch in ihren eigenen Ligen.

In Salzburg werden die Brause-Millionen effektiv eingesetzt

Ajax Amsterdam könnte auch jammern, dass dem Klub regelmäßig die besten Talente weggekauft werden. Doch statt zu jammern, bringt Ajax eben alle zwei Jahre eine neue hochspannende und aufregende Spielergeneration an den Start.

Atalanta hätte sich auch einen Investor suchen können, der so viel Geld ausgibt, dass man um die gleichen Spieler buhlt wie Juventus, Milan oder Inter. Aber man war sich bewusst, welchen Status man hat und ist einen Weg gegangen, der Atalanta nun schon zum dritten Mal in Folge zu einem Champions-League-Teilnehmer gemacht hat.

Es wurden die fähigen Leute geholt, die aber auch die Ambition hatten, hier anzukommen. So wie in Salzburg, wo man die Brause-Millionen effektiv einsetzt. Sogar so gut, dass die deutsche Bundesliga davon profitiert. Fast ein Drittel aller Bundesliga-Trainer haben eine Salzburger Vergangenheit. Es wäre eine große Überraschung, wenn der jetzige Trainer der Österreicher, Matthias Jaissle, bald nicht auch in der Bundesliga landet.

Doch was ist das Erfolgsmodell der Bundesliga? Keine Zweifel: Sie hat international nach wie vor ein hohes Ansehen. Sie steht für volle Stadien, eine großartige Organisation, für junge Spieler, die in der höchsten Klasse eine dauerhafte Chance bekommen, sich zu entwickeln. Und einige Klubs finden ja auch immer wieder Rohdiamanten, die sich zu Erling Haaland entwickeln.

Man muss nicht spinnen, um Erfolg zu haben

Sie steht inzwischen aber auch für die Hegemonie des FC Bayern, der auf dem besten Weg ist, die zehnte Meisterschaft in Folge zu feiern. Kein anderer Klub traut sich inzwischen, den Titel als Ziel auszurufen. Zu weit weg seien die Bayern, heißt es aus der Liga. Finanziell sei der Branchenprimus zu stark aufgestellt, um zu konkurrieren.

Gute Argumente, die aber auch Paris Saint-Germain hatte. Dennoch wurde der Klub in der letzten Saison vom OSC Lille düpiert. Zuvor war es mal die AS Monaco, die den Pariser Titelrausch störte. Auch in England heißt der Titelträger nicht jedes Jahr Manchester City. Es könnte also funktionieren.

Man muss nur wollen, aber in der Bundesliga kassierte der Tabellenführer gerade erst vier Tore in sieben Minuten gegen den FC Bayern und die künstlich konstruierte Spannung vor dem Duell Eins gegen Zwei war schnell wieder weg. Borussia Dortmund hat es sich ebenfalls in seiner Rolle als beste Nummer 2 des Landes gemütlich gemacht.

Es ehrt die Bundesliga, einen vernünftigen und nachhaltigen Weg zu gehen und auch den Kopf nicht zu verlieren, wenn alle anderen spinnen. Sie erkennt aber nicht, dass man nicht spinnen muss, um Erfolg haben zu können. Und so verliert sie nicht nur den Anschluss zur Spitze, sondern auch darunter. In der Europa League gab es seit ihrer Einführung noch keinen deutschen Finalisten und nur zwei deutsche Halbfinalisten. In der letzten Saison war im Februar Endstation für alle Klubs.

Spieler wie Florian Wirtz sind die Ausnahme

Das größte Problem für den deutschen Fußball ist aber, dass man auch Gefahr läuft, die eigenen Stärken einzubüßen: Die Entwicklung junger Spieler. Schon seit geraumer Zeit bedient man sich im Ausland - im Nachwuchs Frankreichs und Englands. Die wenigsten Jungstars der Liga wurden in Deutschland ausgebildet.

Der deutsche Fußball hat längst ein Nachwuchsproblem in der Spitze. In der Breite funktioniert die Förderung immer noch blendend, die Kinder gehen trotz heftiger Konkurrenz von eSports in die Vereine. Aber was am Ende dabei herauskommt, reicht oft nicht mehr zur Weltklasse. Spieler wie Florian Wirtz und davor Kai Havertz und Timo Werner sind mittlerweile eher die Ausnahme.

Viel zu wenig wurde darüber gesprochen, mit welcher Rumpftruppe Deutschland bei den Olympischen Spielen vertreten war. Der U21-Europameistertitel könnte auf Dauer auch der letzte gewesen sein.

So fordert Joti Chatzialexiou nachhaltige Reformen. Sollte sich die Nachwuchsförderung "nicht massiv verändern, wird der deutsche Fußball nach der WM 2026 eine lange Durststrecke erleben", sagte er in einem Interview mit 11FREUNDE. Der gute Mann ist Direktor beim DFB und eigentlich dafür mit zuständig. Und doch muss er den Hilferuf über die Medien starten. Hoffentlich hört ihn jemand.

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