Pochettino bei PSG vor Duell mit FC Bayern: Neuer Trainer, alte Probleme - X-Faktor-Ausfall erschwert die Lage

Von Dennis Melzer
Mauricio Pochettino hat Thomas Tuchel als Trainer bei PSG abgelöst.
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Mauricio Pochettino hat Anfang des Jahres Thomas Tuchel als PSG-Trainer beerbt. Die Verbesserungen sind seither marginal, die Probleme bleiben gleich. SPOX und Goal werfen vor dem Duell beim FC Bayern (21 Uhr im LIVETICKER) einen Blick auf die Situation des Klubs aus der französischen Hauptstadt.

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Thomas Tuchel hatte im Gefühl, dass etwas im Busch ist, als er kurz vor Weihnachten, genauer gesagt am 22. Dezember, ins Büro von Sportdirektor Leonardo zitiert wurde. Wirklich greifen konnte der damalige PSG-Trainer besagtes Gefühl allerdings zunächst nicht. Es schien alles in Ordnung, erst recht, als sein Team mit 4:0 gegen Strasbourg gewann.

Tuchel wollte sich eigentlich mit dem Sieg im Rücken in den weihnachtlichen Kurzurlaub verabschieden, neue Kraft für die anstehenden Aufgaben tanken - stattdessen folgte die dauerhafte Trennung, die für den 47-Jährigen - trotz des mulmigen Gefühls - "sehr überraschend" kam, wie er im Gespräch mit Sky erklärte.

"Wir hatten 4:0 gewonnen. Dann haben wir (Tuchel und Leonardo, Anm. d. Red.) ein Gespräch geführt, das nur zwei Minuten lang war, weil es für mich nicht mehr viel zu sagen gab. Dann bin ich aufgestanden, habe gesagt, er soll das eben klären und bin gegangen."

Im Anschluss habe er eigenen Angaben zufolge sein Büro geräumt und sei "durch die Nacht nach Hause gefahren, um Weihnachten zu feiern." Ein unrühmlicher Abschied nach zweieinhalb Jahren, ein Schauspiel, das die Beziehung zwischen Tuchel und Leonardo bestens versinnbildlichte. Die beiden lagen stets über Kreuz - und nachdem der deutsche Übungsleiter längst über alle Berge war, trat Leonardo noch einmal nach.

Leonardo tritt gegen Tuchel nach

"Wir haben einen sehr klaren und geraden Kurs verfolgt - und wenn ein Mann von dieser Linie abweicht, ist es unsere Pflicht, schnell zu unserer Linie zurückzukehren", sagte der Brasilianer im Interview mit France Football und ergänzte: "Was er vorschlug, passte nicht so richtig. Entweder passt sich die Person an oder wir ändern die Person."

Tuchel passte sich augenscheinlich nicht an, dementsprechend nahm der Klub die von Leonardo angesprochene personelle Änderung vor.

Mauricio Pochettino, einst selbst als Spieler für PSG aktiv und etliche Jahre als Trainer in Diensten von Tottenham Hotspur, übernahm die Geschicke, der englische Independent schrieb, dass Leonardo den Argentinier schon Monate vor Tuchels Aus kontaktiert habe, um dessen generelle Bereitschaft auszuloten.

"Pochettino hat Eigenschaften und eine Persönlichkeit, die vielleicht besser zu dem passen, was wir im Moment tun wollen", begründete Leonardo die Entscheidung, Pochettino als Nachfolger zu installieren.

Mauricio Pochettino hat Thomas Tuchel als Trainer bei PSG abgelöst.
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Mauricio Pochettino hat Thomas Tuchel als Trainer bei PSG abgelöst.

Pochettino mit den gleichen Problemen wie Tuchel

Doch passt Pochettino tatsächlich besser, um die hochgesteckten Ziele der neureichen Pariser, allen voran den seit langer Zeit erhofften Champions-League-Triumph, zu realisieren? Nach etwas mehr als drei Monaten lässt sich auf diese Frage keine konkrete Antwort finden, wird der neue Coach doch bislang mit den gleichen immer wiederkehrenden Problemen konfrontiert wie sein Vorgänger.

Obwohl Spieler wie beispielsweise Leandro Paredes oder Sportdirektor Leonardo dem 49-Jährigen attestieren, dass dieser die quasi traditionellen Leistungsschwankungen viel besser in den Griff bekommen, die Mannschaft wieder zu einer arbeitenden, ansehnlich spielenden Einheit geformt habe, sind die Kalamitäten unübersehbar.

Besonders die nach wie vor fehlende Konstanz dürfte den Verantwortlichen ein Dorn im Auge sein. Seit Pochettinos Amtsantritt Anfang Januar stehen in der Ligue 1 vier Niederlagen aus 14 Partien zu Buche, unter Tuchels Ägide war die Mannschaft in der laufenden Saison ebenfalls viermal als Verlierer vom Platz gegangen (bei 17 Spielen).

Pochettino: "Manche Probleme sind groß"

Zuletzt verspielte PSG im direkten Duell um die Meisterschaft gegen den OSC Lille die Tabellenführung, wobei Superstar Neymar einmal mehr mit einer Undiszipliniertheit für Furore sorgte und sich den zweiten Platzverweis in der aktuellen Spielzeit einhandelte. Das 0:1 gegen die Doggen aus Lille war die dritte Niederlage in Folge im heimischen Prinzenpark, eine derartige Negativserie hatte es zuletzt vor 14 Jahren gegeben.

"Wir sind eine Mannschaft mit vielen Höhen und Tiefen seit dem Beginn der Saison", sagte Pochettino im Anschluss an das Spitzenspiel und schob nach: "Es hat mehrere Gründe, dass wir nicht konstant Leistungen erbringen. Manche Probleme sind groß, aber wir arbeiten daran."

Konkret ausführen wollte Pochettino, der seine Pressekonferenzen - anders als Tuchel - auf Spanisch und nicht auf Französisch gibt, ebenjene Probleme nicht, sie scheinen aber mannigfaltig zu sein.

Schwierig zu fassen, wie es diesem namhaften Team einerseits gelingt, eine Mannschaft von Weltrang wie den FC Barcelona souverän aus der Königsklasse zu kegeln, auf der anderen Seite aber Niederlagen gegen Lorient oder Nantes den Weg der Hauptstädter pflastern.

Neymar wird für drei Spiele gesperrt.
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Neymar wird für drei Spiele gesperrt.

Pochettino nimmt taktische Anpassungen vor

"An den Problemen hat sich nichts geändert, seit Pochettino übernommen hat", sagt Benjamin Quarez, PSG-Reporter für Le Parisien im Gespräch mit SPOX und Goal. "Die Mannschaft kann gegen jede Mannschaft gewinnen, aber eben auch gegen jede Mannschaft verlieren."

Eine detaillierte Bewertung über Pochettinos bisherige Arbeit vermag der Experte indes nicht abzugeben. "Es ist schwierig einzuschätzen, da Pochettino und sein Team inmitten der Saison übernommen haben, er hatte keine Zeit für eine richtige Vorbereitung." Pochettino habe lediglich einige taktische Anpassungen vorgenommen.

Die Mannschaft laufe mehr, presse vehementer und aggressiver als zuvor, sagt Quarez. Als größte Veränderung hat er Pochettinos Maßnahme, Marco Verratti mit einer offensiveren Rolle zu betrauen, ausgemacht. Der hochveranlagte Italiener fungiert mehr als kreativer Spielgestalter, was sich vor allem im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Barca positiv aufs Gefüge auswirkte, als PSG die Blaugrana mit 4:1 im Camp Nou bezwang.

"Er ist in der Lage, ein Spiel zu lesen", lobte Pochettino den Mittelfeldmann damals bei RMC Sport. "Es gelingt ihm, uns in aussichtsreiche Positionen zu bringen, damit wir bessere Angriffe fahren können. Für mich ist er ein wirklich herausragender Spieler." Verratti avancierte unter Pochettino zum X-Faktor für den Erfolg. Umso ärgerlicher aus PSG-Sicht, dass ausgerechnet der 28-Jährige immer wieder von Rückschlägen heimgesucht wird.

PSG beim FC Bayern ohne Verratti

Ende Januar wurde Verratti positiv auf das Coronavirus getestet, verpasste zwei Ligaspiele. Mitte Februar setzte ihn eine Hüftverletzung zwischenzeitlich außer Gefecht, Ende Februar fiel er wegen einer Entzündung der Fußsohle aus, vor wenigen Tagen gab PSG bekannt, dass der Stratege zum zweiten Mal binnen weniger Monate aufgrund eines positiven Coronatests vorerst nicht zur Verfügung stehe.

Sprich: Verratti wird das Viertelfinal-Hinspiel in der Allianz Arena gegen den FC Bayern verpassen, neben ihm fallen acht weitere Akteure (unter anderem Alessandro Florenzi (ebenfalls Corona), Mauro Icardi (Oberschenkelverletzung) und Juan Bernat (Knieprobleme)) aufseiten der Gäste aus.

Nichts neues in dieser Saison beim Hauptstadtklub, der - und auch das gehört zur Wahrheit, warum es nicht wünschenswert konstant läuft - immer wieder mit einem erheblichen Spieler-Aderlass zu kämpfen hat. Dabei spielt Corona scheinbar eine Dauerrolle. Kurz vor Start in die neue Spielzeit waren mit Neymar, Mauro Icardi, Angel Di Maria, Leandro Paredes, Keylor Navas, Marquinhos und Kylian Mbappe gleich sieben Profis positiv getestet worden, vier davon mussten im ersten Ligaspiel passen.

Pochettino selbst hatte sich ebenso wie Colin Dagba Mitte Januar infiziert, Verratti und Abdou Diallo Ende selbigen Monats, wiederum Verratti und Florenzi schrieben jüngst das neueste Corona-Kapitel.

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Duell mit Bayern für Pochettino eine Mammutaufgabe

Das Spiel gegen die Bayern wird somit nicht nur in puncto Konstanz eine Mammutaufgabe für Pochettino, er muss aufgrund der Ausfälle von teils sehr wichtigen Spielern personelle Lösungen finden. Kurz nach der Auslosung schwärmte er vom kommenden Gegner, bezeichnete er den deutschen Rekordmeister als "härtestes Los, das es gab."

Vielleicht kommen die Überflieger aus München auch gerade recht: "Manchmal ist es gegen die härtesten Teams weniger schwierig", sagte Pochettino in einem Anflug von Optimismus. Es würde zur Achterbahn-Saison der Pariser passen, wenn es ihnen gelänge, den favorisierten FCB zu bezwingen.

Zum direkten Kräftemessen mit Vorgänger Tuchel, der mittlerweile beim FC Chelsea eine neue Heimat gefunden hat und diese Fügung als durchaus glücklich bewertet, würde es allerdings (noch) nicht kommen. Der Sieger aus der Partie Bayern gegen PSG bekommt es im Halbfinale mit dem Gewinner des Duells zwischen Borussia Dortmund und Manchester City zu tun.

Ligue 1: Die aktuelle Tabelle

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.OSC Lille3151:193266
2.Paris Saint-Germain3167:224563
3.AS Monaco3164:382662
4.Olympique Lyon3160:312961
5.RC Lens3147:43449
6.Olympique Marseille3140:36448
7.Stade Rennes3139:35445
8.HSC Montpellier3149:50-145
9.FC Metz3136:36042
10.OGC Nizza3141:42-142
11.SCO Angers3134:44-1041
12.Stade Reims3138:38039
13.Racing Straßburg3140:46-636
14.Girondins Bordeaux3134:41-736
15.AS St. Étienne3132:46-1436
16.Stade Brest3143:54-1135
17.FC Lorient3137:54-1732
18.Olympique Nîmes3130:58-2829
19.FC Nantes3132:48-1628
20.FCO Dijon3120:53-3315
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