FC Bayern: Teuerster Flop der Geschichte? Gut, dass Griezmann nicht kam

Von Justin Kraft
Antoine Griezmann war mehr als nur einmal im Fokus des FC Bayern. Aber hätte er in München überhaupt seine Stärken ausspielen können?
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Der FC Bayern München war in der Vergangenheit mehrfach an Antoine Griezmann interessiert - zuletzt 2019. Der Weltmeister wechselte 2014 aber zu Atletico Madrid und dann zum FC Barcelona. SPOX und GOAL erklären, warum es gut ist, dass dieser Kelch am Rekordmeister vorbeiging.

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Antoine Griezmann war und ist vielleicht einer der besten Fußballer, die Atletico Madrid jemals hatte. Das wird ganz gern vergessen, wenn man auf die letzten zwei, drei Jahre des Franzosen blickt. Was der flinke Angreifer aber vor seinem Wechsel zum FC Barcelona leistete, verzauberte ganz Europa - auch den FC Bayern München, der ihn gleich mehrfach holen wollte.

Mit seinem Tempo, seiner gleichzeitigen Eleganz am Ball und dem direkten Zug zum Tor steuerte er für Atletico und die Nationalmannschaft etliche Treffer und Vorlagen bei. In 257 Partien traf er für die Rojiblancos 133-mal und bereitete 50 Tore vor. Frankreich schoss er 2016 mit sechs Toren und zwei Assists ins Finale der Europameisterschaft, beim WM-Triumph 2018 war Griezmann an sieben Treffern direkt beteiligt.

Das schier unbegrenzt wirkende Potenzial des heute 31-Jährigen führte dazu, dass die Bayern einst ins Träumen gerieten. Ein derartiger Weltstar an der Säbener Straße? Das wäre ein Coup gewesen. Oder doch nicht? SPOX und GOAL blicken noch mal genauer auf die Griezmann-Geschichte in München.

FC Bayern: Wann war Antoine Griezmann ein Thema?

"Grizou", wie er in Frankreich während der EM 2016 liebevoll genannt wurde, war mehr als nur einmal Thema in München. 2021 sprach Michael Reschke bei Sport1 über die Bemühungen des FC Bayern, Griezmann zu holen. "Ja, er war ein Thema", gab der ehemalige technische Direktor des Rekordmeisters zu: "Ich habe mich in Madrid mal mit seinem Berater getroffen."

Reschke arbeitete zwischen 2014 und 2017 bei den Münchnern. Griezmann wechselte 2014 für rund 54 Millionen Euro von Real Sociedad San Sebastian zu Atletico Madrid. "Als er bei Atletico war, haben wir noch mal nachgefragt", erzählte Reschke.

Und auch nach seiner Zeit wurde der Flirt mit dem Angreifer wohl nochmal richtig heiß. Als sich Griezmann 2019 dazu entschieden hatte, Atletico Madrid zu verlassen, sollen die Bayern erneut großes Interesse gezeigt und sich über die Rahmenbedingungen erkundigt haben.

FC Bayern: Wieso war Antoine Griezmann ein Thema?

Das verwundert angesichts der damaligen sportlichen Situation nicht. Im Frühjahr schieden die Bayern im Achtelfinale der Champions League gegen den FC Liverpool aus - und das mit einem gewaltigen Leistungsunterschied. Solche Ereignisse nimmt der FCB gern zum Anlass, um im Sommer tief in die Tasche zu greifen. 2012 kam der damalige Rekordmann Javi Martínez, in dieser Saison wurde Sadio Mane nach einem enttäuschenden Ausscheiden gegen den FC Villarreal verpflichtet - und Matthijs de Ligt kam auch noch hinterher.

Aber zurück ins Jahr 2019: Nicht nur die sportliche Situation verunsicherte die Bayern, sondern auch die personelle. Die beiden Klublegenden Arjen Robben und Franck Ribery beendeten ihre Ära in München. Jahrelang war das Spiel auf diese beiden Superstars ausgelegt.

Jetzt brauchte es neue Impulse für die Offensive. Bei Kingsley Coman und Serge Gnabry konnte sich niemand sicher sein, ob sie schon bereit für diesen großen Schritt waren. Beiden fehlte vor allem die Konstanz. Mit Griezmann hätte die vermeintlich sichere Bank nach München wechseln können.

FC Bayern: Wieso scheiterte der Wechsel von Griezmann?

Doch relativ schnell wurde klar, dass der Franzose auch im nächsten Anlauf nicht kommen würde. Das Problem: Wie schon 2014 und in den Folgejahren wollten die Bayern die finanziellen Forderungen nicht erfüllen. "Das ist aber so ein klassisches Bayern-München-Thema", sagte Reschke zum Interesse im Jahr 2014: "International ist Bayern keiner der absoluten Top-Käufer. Die Rahmenbedingungen bei Griezmann waren für Bayern München nicht zu lösen."

Die Ablösesumme von 54 Millionen Euro war da weniger Thema. "Ich möchte nicht über Summen spekulieren, aber Klauseln und Gehaltsvorstellungen waren weit von dem entfernt, was in München umsetzbar gewesen wäre. Bei Bayern wird seriös und gewissenhaft gewirtschaftet", so Reschke.

Auch 2019 dürfte das das Hauptproblem gewesen sein. Griezmann wechselte für satte 120 Millionen Euro zum FC Barcelona. Sein Jahresgehalt soll verschiedenen Medienberichten zufolge zwischen 30 und 35 Millionen Euro brutto gelegen haben. Der damalige Top-Verdiener in München war Robert Lewandowski, der rund 20 Millionen Euro brutto verdient haben soll.

Und so war die Geschichte letztendlich nicht ganz so heiß. Das grundsätzliche Interesse der Bayern lässt sich aber kaum leugnen.

FC Bayern: Wieso ist es gut, dass Griezmann nicht kam?

Die finanzielle Komponente des Mega-Transfers zum FC Barcelona ist sicher der Hauptgrund dafür, warum dieser Transfer nicht nur scheiterte, sondern warum der FC Bayern mit seinem Rückzug alles richtig gemacht hat. Wie sehr das Gehaltsgefüge sich durch namhafte und teure Neuzugänge verändern kann, erlebten die Bayern schon durch die Verpflichtungen von Lucas Hernandez und Leroy Sane.

Doch selbst wenn der Griezmann-Transfer finanziell lösbar gewesen wäre, ist es fraglich, ob er sportlich sein Versprechen hätte einlösen können. Seitdem der Franzose zu Barca gewechselt ist, geht es sportlich bergab. Ein ganz entscheidender Grund dafür war, dass es seine optimale Rolle bei den Katalanen nicht gab - beziehungsweise sie durch Lionel Messi besetzt war.

Griezmann ist kein klassischer Flügelstürmer, sondern stark zwischen den Linien und im Zentrum, von wo er immer wieder Angriffe einleiten oder selbst die Tiefe suchen kann. Ein großes Missverständnis ist zudem, dass der 31-Jährige kein klassischer Dribbler ist. Im Schnitt ging er während seiner Karriere pro 90 Minuten 1,9-mal ins Dribbling, wovon er 0,9 gewann.

Seinen besten Wert in dieser Statistik hatte er 2014/15 in der Champions League, als er 2 von 3,6 Dribblings pro 90 Minuten für sich entschied. Zum Vergleich: Vorgänger Neymar kommt auf einen Karriereschnitt von 8,4 Dribblings pro 90 Minuten (4,7 erfolgreich). Barcelona hat sein Spielsystem dahingehend aber nicht angepasst. Die Katalanen haben erwartet, dass Griezmann mit den deutlich statischeren Situationen zurechtkommt.

Antoine Griezmann: Dribblings pro 90 Minuten im Vergleich

SaisonAntoine Griezmann (Primera Division)Neymar (Ligue 1)Kingsley Coman (Bundesliga)
2018/191,2 (0,6 erfolgreich)7,7 (4,7)4,3 (2,9)
2017/181,6 (1 erfolgreich)10,7 (7,1)7,3 (4,2)
2016/171,6 (0,8 erfolgreich)9,2 (5,7, Primera Division)

5,4 (2,8)

FC Bayern: Hätte Antoine Griezmann (s)einen Platz gefunden?

Bei den Bayern wäre die Ausgangssituation ähnlich gewesen. Im Zentrum hatten die Münchner mit Robert Lewandowski und Thomas Müller zwei gesetzte Spieler. Auf den Außenbahnen wäre wohl Platz gewesen, aber auch da hätte Griezmann sich verstellen müssen.

Das Spiel der Bayern ist seit der Ära von Louis van Gaal grundlegend darauf ausgelegt, dass auf den Flügelpositionen Eins-gegen-eins-Situationen herausgespielt werden. Auch wenn jeder Trainer eine mindestens leicht andere Herangehensweise hatte, so blieb der Flügelfokus meist bestehen.

Erst jetzt unter Julian Nagelsmann scheint sich das etwas aufzulösen. Der 34-Jährige legt viel Wert auf ein dynamisches Laufspiel, einrückende Flügelspieler und Zug zum Tor. Dinge, die Griezmann liegen. Doch als der Angreifer bei den Bayern im Gespräch war, stand noch Niko Kovac an der Seitenlinie. Und auf ihn folgte Hansi Flick.

Es ist fraglich, ob Griezmann in diesem Team eine Rolle gefunden hätte, die ihm liegt. Zumal auch die Umstellung von Diego Simeone auf eine komplett andere strategische Ausrichtung nicht leicht gewesen wäre - wie sich dann bei Barca zeigte. Das Risiko, dass er nicht nur der teuerste Transfer der Klubgeschichte, sondern auch der teuerste Flop geworden wäre, war jedenfalls sehr groß. Und so ist es auch abseits der finanziellen Vernunft eine gute Entscheidung des FC Bayern gewesen, sich nicht weiter darum zu bemühen.

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