Fußball-Kolumne: Nur Playoffs machen die Meisterschaft wieder spannend

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Playoffs: Auch BVB-Boss Watzke "gegen Denkverbote"

Zumindest mal die Diskussion ist damit offiziell eröffnet, denn der Hopfen offiziell vorgesetzte neue DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke zeigte sich ebenfalls unerwartet offen für Neuerungen. Er sei zwar "nie ein Freund von Play-offs" gewesen, erklärte der BVB-Geschäftsführer. "Aber es darf unter Berücksichtigung der jeweiligen Gesamtsituation mit Blick auf die Spielmodi keine grundsätzlichen Denkverbote geben."

Beinahe postwendend kündigte der Ligaverband einen "Diskussionsprozess mit offenem Ausgang" in den kommenden Monaten an. "Es ist eine dringend notwendige Debatte", kommentierte sogar der Gralshüter kicker. "Der längst erloschene Wettkampf an der Bundesliga-Spitze muss neu befeuert werden."

Bleibt die Frage, ob Kahns Aussagen zu einem Umdenken bei den Verantwortlichen in der Liga führen, die sich auch diesmal allesamt gegen Playoffs aussprachen. "Ich bin absolut dagegen", sagte etwa Bayer-Boss Rudi Völler. Hopfens Vorgänger Christian Seifert sprach 2020 sogar von einem "Kulturbruch. Das müsste von der breiten Masse getragen werden, von Klubs und Fans".

Organisierte Fans contra neue Formate und Wettbewerbe

Zumindest die organisierten Anhänger sind weiterhin strikt gegen solche Überlegungen. "Wir brauchen keine neuen Formate und Wettbewerbe, die durch noch mehr Vermarktung mehr Geld in den Fußball spülen. Wir brauchen endlich Regularien, die die Integrität des Wettbewerbs sicherstellen", erklärte das Fanbündnis "Unsere Kurve".

Die Hauptargumente der Gegner fasste Christian Streich zusammen. "Ich finde, dass derjenige, der nach 34 Spielen die meisten Punkte hat, auch Meister werden sollte", meinte Freiburgs Trainer: "Und ich finde, die Meisterschaft in dem Modus, wie sie jetzt ist, am gerechtesten und mit der größten Aussagekraft. Aber nicht immer am spannendsten."

Mit seinem Nachsatz hat Streich letztlich den Punkt getroffen, nicht nur wegen der Langeweile der Liga. Sondern auch, weil die Spielform "Jeder gegen Jeden" nicht automatisch die einzig mögliche Lösung sein muss, weshalb sie auch weder bei einer WM- oder EM-Endrunde noch in der Champions League mangels Attraktivität ein Thema ist.

Hans-Joachim Watzke
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Holzhäuser: Deutscher Meister darf nicht im Oktober feststehen

"Man muss einfach den Mut haben, etwas Neues zu probieren. Denn wir müssen dafür sorgen, dass nicht immer schon zumindest gefühlt im Oktober feststeht, wer im Mai Deutscher Meister wird", findet Holzhäuser, der sich nicht über die negativen Reaktionen wundert.

"Da der deutsche Fußball in seiner Grundhaltung sehr konservativ ist, ist eine Debatte über Veränderungen schwierig zu führen. Ich glaube aber trotzdem, dass durch die Äußerungen von Oliver Kahn und zuvor schon Donata Hopfen jetzt eine Diskussion in Gang kommen wird, die losgelöst von Zorn und Eifer objektiv geführt werden kann", meinte der 72-Jährige bei SPOX und GOAL:

"Die Realität in der Bundesliga ist eine andere als manche Traditionalisten gerne wahrhaben möchten. Deshalb darf man nicht davor zurückschrecken, was eine lautstarke Minderheit fordert, auch wenn man sich mit den Argumenten auseinandersetzen muss."

Kahn, Kehl, Rolfes: Hoffnung auf neue Generation an der Spitze

Holzhäuser setzt vor allem auf die neue Generation von Klubbossen wie Kahn, die langsam das Ruder übernimmt. Leute wie Simon Rolfes oder Sebastian Kehl, die nach dieser Saison in die großen Fußspuren von Michael Zorc und Völler treten werden. Sie haben oft einen anderen Blick auf die aktuellen Probleme und mögliche Lösungen.

Kahn etwa umgibt sich bekanntermaßen gerne und viel mit Beratern und Betriebswirtschaftlern, die zwar oft keine Ahnung von Fußball, dafür aber umso mehr vom Geschäft haben. Und die Analyse ist relativ einfach: Der Bundesliga fehlen Millionen an Einnahmen, die durch die Pandemie weggebrochen sind und nicht so schnell wiederkommen.

Neue Geldströme, vor allem weltweit und auch für die Bayern, kann man aber kaum erschließen ohne einen echten Titelkampf und in der Folge ohne große Stars sowie ohne große internationale Erfolge. "Auch der FC Bayern hat erkannt, dass die Zeit reif ist, über Änderungen nachzudenken, weil der deutsche Fußball sonst auf dem Weg in die internationale Zweitklassigkeit ist", ist sich Wolfgang Holzhäuser sicher. Genau deshalb warnte Hopfen vor einer wirtschaftlichen "Abwärtsspirale" und erklärte: "Es gibt für mich keine heiligen Kühe."

Playoff-Modell: Finalrunde der besten vier Teams

Wie aber könnte dann ein Playoff-Modell aussehen? Der einzig durchsetzbare Modus wäre wohl eine Finalrunde der besten vier Teams der regulären Spielzeit, entweder mit Hin- und Rückspiel oder analog zur gefeierten Champions-League-Endrunde 2020 in Lissabon mit einer "Week of Football" an einem neutralen Ort, etwa im Berliner Olympiastadion, oder in der Heimarena des Tabellenführers.

Durch die Reduzierung auf die Top 4 würde der restliche Verlauf der Saison nicht berührt, Aufstiegs- und Abstiegsregelung blieben ebenso gleich wie die Qualifikation für die internationalen Wettbewerbe. Und die vier Playoff-Teilnehmer hätten finanziell nichts mehr zu verlieren, weil sie bereits den Startplatz in der Champions League sicher hätten.

Aktuell könnte auch Mainz noch vom Titel träumen

Bis dahin aber bliebe das Rennen so spannend wie im Moment, wo den Vierten Union Berlin und den Zehnten Mainz gerade mal vier Punkte trennen. Und die nicht zu unterschätzenden Zusatzeinnahmen durch die Endrunde würden nach Wolfgang Holzhäusers Vorstellung vor allem den anderen 14 Mannschaften zugutekommen.

Tatsache ist jedenfalls, dass die Bundesliga nicht ohne Änderungen wieder spannend werden wird, viel wahrscheinlicher ist der Ausbau der lähmenden Münchner Dauerdominanz - und das bei voraussichtlich schlechter werdenden finanziellen Rahmenbedingungen. Will man daran nur aus Prinzip festhalten, gemäß dem Totschlagargument "Das haben wir immer schon so gemacht?"

Oder ist man im Zeitalter der Digitalisierung auch in der Bundesliga offen für eine Art "Test and learn"-Strategie? Also einfach mal etwas Neues wie Playoffs auszuprobieren und nach einer Zeitspanne von zwei oder drei Jahren zu bewerten. Das wäre zumindest innovativ und zukunftsgewandt. Zumal der Verweis auf Traditionen oft auch eine Frage der Perspektive ist.

"Fußball-Deutschland wollte Bundesliga nicht"

"Als Sepp Herberger vor über 60 Jahren die Einführung der Bundesliga wollte, war ganz Fußball-Deutschland dagegen. Und heute stellt das kein Mensch mehr in Frage", so Holzhäuser. Die damalige Analyse für die höchst umstrittene Änderung durch den Weltmeister-Trainer von 1954 ist zumindest beim Blick auf die Meisterschaft wieder aktuell: "Der deutsche Fußball krankt an seinem Spielsystem."

Vehement verteidigten die Gegner damals übrigens ein ähnliches Finalrundenmodell wie es jetzt wieder im Gespräch ist: Der Titel wurde in einer Endrunde der jeweiligen Meister der fünf Oberligen ermittelt mit dem Finale als krönendem Abschluss.

Letzter Sieger war Borussia Dortmund durch ein 3:1 über den 1. FC Köln am 29. Juni 1963. Woran sich aber selbst BVB-Boss Watzke nicht mehr erinnern kann. Er hatte erst acht Tage zuvor seinen vierten Geburtstag gefeiert.

Bundesliga: Die Tabelle vor dem 22. Spieltag

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Bayern München2168:214752
2.Borussia Dortmund2154:361843
3.Bayer Leverkusen2154:342038
4.Union Berlin2129:27234
5.Freiburg2133:24933
6.Köln2133:34-132
7.RB Leipzig2140:261431
8.Hoffenheim2141:34731
9.Eintracht Frankfurt2133:32131
10.Mainz 052130:23730
11.Bochum2120:30-1025
12.Wolfsburg2121:33-1224
13.Borussia M'gladbach2127:38-1123
14.Hertha BSC2123:43-2023
15.Arminia Bielefeld2121:27-622
16.Augsburg2122:35-1322
17.Stuttgart2124:38-1418
18.Greuther Fürth2118:56-3810
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