Hertha BSC: Bobic poltert über "diesen scheiß Balken" - Fünf Fragen zum peinlichen Hertha-Fehlstart

Von Stanislav Schupp
Läuft nicht gerade rund für Fredi Bobic und die Hertha...
© getty

Drei Spiele, null Punkte: Hertha BSC droht nach dem verpatzten Saisonstart erneut eine Spielzeit im Abstiegskampf. Mit einem peinlichen Transfer-Ladebalken in den sozialen Medien am Deadline Day für Verärgerung bei den Fans. Der Balken versprach viele Zugänge, am Ende passierte fast nichts. Was läuft bei der Alten Dame schief? 5 Fragen.

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Hertha BSC: Fehlstart perfekt - Was läuft schief?

1:3 zum Auftakt beim 1.FC Köln, 1:2 zu Hause gegen den VfL Wolfsburg und zuletzt eine 0:5-Klatsche beim FC Bayern München: Hertha BSC steht nach drei Spieltagen als einziger Bundesligist ohne Punktgewinn auf dem letzten Tabellenplatz.

"Das ist ein erschreckendes Bild. Die Parallelen zu den letzten zwei Jahren, aber vor allem zur letzten Saison, sind unverkennbar", sagt Marc Schwitzky, Journalist und Hertha-Experte, im Gespräch mit SPOX und Goal. "Hertha hat wieder einen unfertigen Kader, der damit zu kämpfen hat, die richtige Mentalität zu finden." Dabei gehe es nicht um den fehlenden Willen, vielmehr scheine es "als würden sie nicht können. Sie wirken blockiert, verängstigt und ohne Selbstvertrauen. Da fragt man sich natürlich, wofür die Vorbereitung da war."

Die Rückkehr von Kevin-Prince Boateng (kam aus Monza) sollte den Berlinern neben zusätzlicher Erfahrung auch ebenjene Mentalität sowie kämpferischen Einsatz verleihen. Bisher war hier aber keine Verbesserung zu sehen.

"Durch die Verpflichtung von Boateng dachte man, dass man mit ihm, Alexander Schwolow und Dedryck Boyata eine Achse bilden kann", ergänzt Schwitzky: "Die scheint aber noch nicht gefunden und Pal Dardai weiß noch nicht so ganz, in welche Richtung er diesen Kader lenken soll."

Hertha: Was für Konsequenzen hat die Transferpolitik?

Mit Keeper Oliver Christensen (Odense BK), Suat Serdar (Schalke 04), Marco Richter (FC Augsburg), Myziane Maolida (OGC Nizza), Jurgen Ekkelenkamp (Ajax Amsterdam), Ishak Belfodil (TSG Hoffenheim), Stefan Jovetic (AS Monaco) und eben Boateng verstärkte sich Hertha neben Leih-Rückkehrern wie Davie Selke achtmal.

Für mehr Aufsehen sorgte die Hertha aber mit einem peinlichen Transfer-Ladebalken in den sozialen Medien. Fredi Bobic, der neue Geschäftsführer Sport, machte dazu in einem Pressegespräch jetzt seinem Unmut Luft: "Ich übernehme die Verantwortung für diesen scheiß Balken und entschuldige mich dafür. Ich wusste davon nichts, wir werden das intern klar besprechen."

Aber wie sind die Transfers denn einzuschätzen? "Bei Serdar und Richter beispielsweise ist es nicht so, dass sie von einem ambitionierten Verein zum nächsten gewechselt sind und direkt die Erwartungshaltung haben, international zu spielen", sagt Schwitzky über die Neuzugänge: "Angesichts Boatengs körperlicher Verfassung wird man nicht die komplette Saison mit ihm rechnen können und ich würde nicht ausschließen, dass dies sein letztes Jahr ist. Man muss sich von ihm emanzipieren. Jovetic ist schon 31 und durchaus verletzungsanfällig."

Deadline-Day-Neuzugang Maolida hatte in den vergangenen zwei Jahren mit vielen und langwierigen Verletzungen zu kämpfen, wodurch er in Nizza den Anschluss verloren hat. Talent Ekkelenkamp kam bei Ajax auf 40 Profieinsätze und muss sich zunächst auf Bundesliga-Niveau beweisen.

Bis auf Serdar und Boateng wurden die Deals relativ spät in der Transferphase getätigt. Auf der anderen Seite verließen mit Matheus Cunha (Atletico Madrid) und Dodi Lukebakio (Leihe zum VfL Wolfsburg) zwei Unterschiedsspieler erst kurz vor Ende der Wechselfrist den Verein.

Herthas Kader wirkt nicht stärker als der Letztjährige

Der aktuelle Kader wirkt nicht stärker als der letztjährige und entspricht zudem nur noch zu geringen Teilen dem der Vorbereitung. Dies erschwert auch Dardai die alltägliche Arbeit. "Das Gesicht der Mannschaft hat sich wieder enorm verändert. Wir reden erneut von insgesamt 20 Transfers, das ist wieder ein Umbruch nach dem Umbruch. Die zuletzt getätigten Transfers haben bereits drei Spiele verpasst", sagt Schwitzky: "Das sabotiert die Vorbereitung".

Folglich müsse sich der Kader zunächst auch sportlich finden. Dardai betonte zuletzt bereits, dass er eigentlich zwei Vorbereitungen bräuchte: Eine im Sommer und eine weitere mit der Mannschaft, die nach dem Deadline Day zur Verfügung steht. Das Ende der Transferphase wird den Berlinern laut Schwitzky letztlich "gut tun, da der Kader sehr stark durchgeschüttelt wurde."

Doch warum werden die Herthaner erst so spät auf dem Transfermarkt aktiv? "Möglicherweise gab es anfangs eine Fehleinschätzung bei bestimmten Spielern und man hat anderen Akteuren, wie Lucas Tousart oder Santiago Ascacibar, die bereits letztes Jahr da waren, die Rollen in der Achse zugetraut", betont Schwitzky.

Welchen Einfluss hat Trainer Dardai?

Zwar erschwert die Transferpolitik die sportliche Vorbereitung, den Ergebnissen muss sich allerdings letztlich immer der Trainer stellen. "Dardai ist zwar ein Opfer der Transferperiode, aber er ist sicherlich auch ein Faktor für den Negativtrend", nimmt Schwitzky den Ungar in die Pflicht.

"Dardai hat bislang in all seinen Funktionen viel für den Verein geleistet, er ist ein verdienter Teil des Klubs. Man wird in Berlin kaum jemanden treffen, der den Stab über Dardai bricht", ergänzt er: "Dennoch steht er jetzt natürlich in der Kritik."

Nach Selbstkritik sucht man bei Dardai dabei vergeblich, vielmehr sind äußere Umstände für das Abschneiden der Hertha verantwortlich, so wie es zuletzt gegen Bayern der Fall war ("Wir sind psychologisch nicht in der besten Lage", "jeder war mit sich selbst beschäftigt")

Ohnehin scheint Dardai die aktuelle Lage nicht viel anzuhaben. "Ich hänge nicht an meinem Stuhl, ich will hier keine Last sein. Wenn es nächste Woche nicht mehr sein soll, oder nächsten Monat, ist es nicht schlimm. Ich habe keinen Druck. Dann gehe ich zurück zur U16", erklärte der 45-Jährige.

Aussagen, die bei Bobic nicht gut ankamen. "Die Aussagen waren nicht gut. So etwas geht nicht. Pal hat eine kurze Schwächephase gezeigt. Sein Ausbruch war nicht förderlich für Hertha. Wir haben uns ausgesprochen und Pal hat seine Aussagen bedauert. Wir suchen keinen Trainer. Wir wollen alle zusammen das Beste für Hertha geben", erklärte Bobic.

"Mit solchen Aussagen wirkt Dardai natürlich nicht erfolgshungrig", sagt Schwitzky: "Auf der anderen Seite ist das natürlich brutale Realität. Er kennt das Geschäft, er liebt und lebt Hertha. Aber genau aus diesem Grund unterschreibt er nur Einjahresverträge."

Am Beispiel der Kölner könne man sehen, dass es mit ähnlichen Voraussetzungen auch anders geht. "Die Mannschaft spielte letztes Jahr in der Relegation, hat eine neuen Trainer und ebenfalls einen zusammengewürfelten Kader, der im Laufe der Vorbereitung Verluste von Leistungsträgern hinnehmen musste", vergleicht Schwitzky: "Köln spielt nun einen offensiven und mutigen Fußball. Das zeigt, dass es möglich ist. Daher kann man Dardai nicht ausklammern."

Dardais Aussagen, wonach die Erwartungshaltung im Verein zu hoch sei ("Die Realität und die Wünsche - das ist bei Hertha so weit auseinander") lässt Schwitzky nicht als Ausrede gelten: "Vor der Saison haben weder die Spieler noch die Verantwortlichen oder Lars Windhorst von Europa gesprochen. Dass die Erwartungen zu hoch seien, stimmt nicht."

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