Neven Subotic von Union Berlin im Interview: "Wir leben in einer krass unfairen Welt"

Von Alex Schlüter / Benni Zander
Spielt seit Sommer für Aufsteiger Union Berlin und hat nebenbei eine eigene Stiftung gegründet: Ex-BVB-Spieler Neven Subotic.
© getty

Am Freitagabend empfängt Union Berlin zum Auftakt des 6. Spieltags Eintracht Frankfurt (ab 20.15 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER). Mit dabei sein wird auch Neven Subotic, der im Sommer zu den Eisernen wechselte. Im Interview mit SPOX und DAZN spricht Subotic über die "krasse, einzigartige Herausforderung" Union, seine Entdeckung am College in den USA, seine Zeit beim BVB, die gesellschaftliche Verantwortung von Fußballprofis und seinen Verzicht auf Luxus.

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Außerdem spricht Subotic über seine Stiftungsarbeit in Äthiopien, seine Gründe für den Wechsel zu Union Berlin und erklärt, warum Fußball "absolut unwichtig" ist.

Herr Subotic, Sie sind in jungen Jahren mit Ihren Eltern von Bosnien nach Deutschland ausgewandert. Wie sind Ihre Erinnerungen an diese Zeit?

Neven Subotic: Die ersten Erinnerungen sind die an den Kindergarten. Da gab es keine Segregation, alle Kinder waren zusammen, durften miteinander spielen und Spaß haben. Da spielte weder die Hautfarbe noch die Herkunft eine Rolle. Im heutigen Kontext von Integration ist es erschreckend zu sehen, wie weit wir von diesem funktionierenden Mechanismus entfernt sind.

Ein paar Jahre später mussten Sie mit Ihren Eltern in die USA weiterziehen, weil die Aufenthaltsgenehmigung fehlte. Wie war die Zeit am College für Sie?

Subotic: Ich wurde streng erzogen, durfte zum Spielen allenfalls raus in den Park. Ein Ausflug ins Kino war schon ein Highlight für mich. Deshalb war diese neue Freiheit mit 17 Jahren schon eine eindrucksvolle Erfahrung. Aber der College-Lifestyle, dieses Highschool-Hollywood-Klischee-Gehabe, war nichts für mich. Ich war auf Fußball konzentriert und wollte Profi werden. Deshalb habe ich das College nach einem Semester wieder verlassen.

Sie wurden vom FSV Mainz 05 entdeckt und nach Deutschland geholt. Wie kam es dazu?

Subotic: Ich lernte bei der U-17-WM in Peru einen Berater kennen, der Kontakte zu deutschen Vereinen hatte und mir ein Probetraining organisieren wollte. Im Sommer 2006 wurde dann aus einer Woche Probetraining in Mainz gleich zwei Monate. Ich glaube, man wollte mich mental testen. Es war ein Quantensprung, vom College in die deutsche Bundesliga. Zwei Jahre später war ich dann schon in Dortmund.

Im Kampf gegen eine "krass unfaire Welt": Neven Subotic reist für seine Stiftung regelmäßig nach Äthiopien.
© Neven Subotic Stiftung
Im Kampf gegen eine "krass unfaire Welt": Neven Subotic reist für seine Stiftung regelmäßig nach Äthiopien.

Wohin Sie Jürgen Klopp gelotst hat.

Subotic: Im Sommer hat er mich angerufen und gesagt: ‚Wenn du möchtest: Wir suchen noch jemanden.' Ich hatte starkes Vertrauen zu ihm. Er hat mir die Augen geöffnet und gezeigt, was nötig ist, um auf professionellem Niveau zu bestehen. Ich hatte das Gefühl: Wenn mich einer nach vorne bringen kann, ist das Kloppo. Und natürlich war auch die Aussicht auf den BVB reizvoll, mit seinen 80.000 Verrückten jedes zweite Wochenende im Stadion.

Dortmund war die erfolgreichste Zeit Ihrer Karriere. War es auch die schönste?

Subotic: Es waren schöne Momente dabei, aber vor allen Dingen war es eine lehrreiche Zeit. Sie hat mir gezeigt, was es braucht, um als Mannschaft erfolgreich zu sein. Kuba (Jakub Blaszczykowski, d. Red.) hat es mal treffend formuliert: Wenn wir vor dem Anpfiff im Tunnel standen, lagen wir eigentlich schon 2:0 vorne. Jeder wusste, dass er sich auf den anderen verlassen konnte. Das war unser Gefühl damals, die Motivation und die Qualität der Mannschaft hat einfach gepasst. Unter der Woche haben wir die nötige Teamdynamik entwickelt.

Der Zusammenhalt soll besonders gewesen sein.

Subotic: Absolut. Die meisten von uns waren in den Meisterjahren noch Bubis. Keiner wusste, was da wirklich passiert. Das zu erleben und am Ende den ganz großen Triumph zu feiern, schweißt zusammen für die Ewigkeit. Die Zeit kann das nicht schmälern, das verbindet für immer. Deshalb sind die Jungs meine Brüder.

Waren Sie damals schon komplett auf den Fußball fokussiert?

Subotic: Ja. Meine Stärke liegt nicht darin, das größte Talent zu haben, auch technisch bin ich nicht der Stärkste. Aber ich habe gelernt, dass die Leute, die hart und klug arbeiten, am Ende meistens auch ihre Ziele erreichen. Und mir machen Herausforderungen sehr viel Spaß.

So wie Union jetzt.

Subotic: Union ist eine krasse, einzigartige Herausforderung.

Aber warum Union?

Subotic: Ich habe eine Liste mit Kriterien, die ich versuche, gezielt abzuarbeiten bei der Wahl eines Klubs. Dazu gehört die Entwicklung des Vereins, die Kontinuität auf der Trainerbank. Ich habe keine Lust zu einem Klub zu gehen, bei dem alle paar Monate der Trainer ein anderer ist. Dazu gehört die sportliche Strategie, die Frage, welchen Spieler der Trainer eigentlich sucht. Bin ich nicht dieser Spielertyp, dann sage ich das auch. Ich nutze verschiedene Quellen, um mir ein konkretes Bild machen zu können: die Gespräche mit dem Trainer, dem Sportdirektor, aber auch mit Spielern aus der Mannschaft. Daraus kann ich die Werte ermitteln, für die dieser Klub steht. Union war einer der wenigen Vereine, bei denen es im Gesamtbild stimmig war. Geld steht irgendwo ganz unten bei mir. Ich möchte die Möglichkeit haben, zu spielen.

Erst gemeinsam beim FSV Mainz 05 und dann beim BVB: Trainer Jürgen Klopp und Innenverteidiger Neven Subotic.
© imago images
Erst gemeinsam beim FSV Mainz 05 und dann beim BVB: Trainer Jürgen Klopp und Innenverteidiger Neven Subotic.

Union wirkt dazu geradezu romantisch. Ist dafür im Fußballgeschäft überhaupt noch Platz?

Subotic: Eine Geschichte dazu: Sponsorenabende sind immer recht launige Veranstaltungen. Bei Union war das aber sehr ernst. Die Sponsoren wollten mit klarmachen, was ihnen Union bedeutet. Bei den Gesprächen an meinem Tisch wurde klar, dass sie mir zeigen wollten, wer sie als Verein sind. Die Sponsoren sehen sich nicht nur als Geldgeber, sondern zeigen: Wir sind eisern. Und das bedeutet, füreinander da zu sein. Für Union heißt das: Der Klassenerhalt ist unsere Meisterschaft und wir kämpfen mehr als der Gegner. Wir müssen über diese gemeinsame Kraft kommen. Ob wir dann mal ein Spiel verlieren, ist nicht so wichtig. Es geht darum, dass alle sehen, was es bedeutet, ein Eiserner zu sein. Das ist ein Teil des Seins. Es geht um mehr als nur Fußball in diesem Klub.

Die gemeinsame Spendenaktion für Äthiopien von Neven Subotic und DAZN

Welchen Einfluss haben die Fans von Union in diesem Zusammenhang?

Subotic: Ich hatte schon Geisterspiele mit der Nationalmannschaft und es waren echte Grottenspiele. Die Fans wecken die letzten paar Prozent. Ohne Fans ist dieser Sport etwas völlig anderes. Sie machen den Fußball erst so besonders. Ein Tor vor 80.000 Fans zu erzielen, ist bombastisch. Die Fans sind ein aktiver Teil des Spiels, der ganz entscheidend dazu beiträgt.

Neulich waren Sie zu sehen, wie Sie die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. Waren Sie überrascht vom Echo?

Subotic: Ich nutze die Bahn, wie es zigtausende andere Menschen in Berlin auch machen. Sie verzichten aufs Auto und nehmen die Öffentlichen.

Trotzdem war es ein Thema. Wie viel Luxus gönnen Sie sich überhaupt?

Subotic: Es gibt sehr viele Dinge, auf die ich liebend gerne verzichte. Ich hatte mehrere Autos, ein Haus mit riesigem Garten. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass mich das alles stört. Dass es ein Traum ist, der einem vorgegaukelt wird. Ich war sehr glücklich, als ich endlich mein Haus und meine Autos verkauft hatte. Diese Freiheit ist super. Es ist eine Bereicherung für mich, weniger zu haben. Ich kann meine Gedanken und meine Zeit deshalb auch Dinge lenken, die wichtiger sind.

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