Aus der Landesliga zu Arsenal: Die unglaubliche Story des Alberto Mendez

Von Oliver Maywurm
FC Arsenal, Arsene Wenger, Premier League
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Er wurde als Landesliga-Kicker von Wenger entdeckt und ging zu Arsenal, erzielte sogar ein Champions-League-Tor. Die irre Story des Alberto Mendez.

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Stell Dir vor, Du kickst in der Landesliga und plötzlich kommt der große FC Arsenal um die Ecke und bietet Dir einen Vertrag an. Vermutlich sagst Du doch sofort Ja und nimmst an, oder? Alberto Mendez tat genau das allerdings nicht.

"Beim ersten Telefonat sagte ich nein, mich ließ das ziemlich kalt", sagte der heute 48-Jährige vor einigen Jahren im Gespräch mit SPOX. "Ich hatte damals einige Anfragen aus dem Profibereich, die mich nicht besonders lockten." Mit damals meint Mendez das Frühjahr 1997. Er war 22, talentiert und spielte beim 1. SC Feucht in der Landesliga Bayern, um sich das BWL-Studium zu finanzieren. Kurzum: Er war zufrieden.

"Ich war mir damals sicher, dass ich in meiner fränkischen Heimat bleiben will", betont er. "Im Amateurfußball lief es sehr gut und ich verdiente für einen Studenten extrem viel, daher fragte ich mich, warum ich das alles aufgeben sollte."

Alberto Mendez: Arsene, wer?

In der Jugend hatte Mendez zwar beim 1. FC Nürnberg gespielt und mit dem Club einige Male um den Gewinn der Deutschen Junioren-Meisterschaft gekämpft. Bei den Profis bekam er jedoch nie eine Chance, über Vestenbergsgreuth war er 1994 nach Feucht gekommen. Dass ihn Trainerlegende Arsene Wenger, der Arsenal von 1996 bis 2018 coachte, dort entdeckte, grenzte beinahe an ein Wunder. Doch Mendez nahm die Sache ziemlich gelassen auf - vielmehr wusste er anfangs gar nicht wirklich, wer Wenger überhaupt war.

"Ich interessierte mich nicht besonders für den internationalen Fußball und wusste daher nicht, was für eine große Nummer Arsene Wenger war", sagt der Deutsch-Spanier. "Mich hatte es nur gestört, dass wegen seines Besuchs so ein Theater gemacht wurde." Wenger war im Frühjahr 1997 nämlich persönlich angereist, um Mendez beim Landesligaspiel mit Feucht gegen den ESV Rangierbahnhof Nürnberg vor Ort unter die Lupe zu nehmen. Mendez' technische Fähigkeiten hatten ihn offenbar sehr beeindruckt.

Doch eigentlich sah er von dem Teilzeitkicker dann nicht das, was er hätte sehen wollen. "Wir hatten den Aufstieg bereits lange davor gesichert, so dass der Trainer die Zügel locker ließ und wir die vier Wochen davor häufig feiern gingen", erklärt Mendez. "Und dann herrschten zu allem Überfluss gegen Rangierbahnhof Nürnberg widrige Verhältnisse: Es war sehr heiß, wir spielten auf einem kleinen und harten Platz und der Ball hatte gefühlt zwei Bar. An so einem Tag denkt man sich irgendwann: "Okay, warum soll ich mich noch quälen, es geht um nichts mehr."

Alberto Mendez: CL-Einsatz plus Tor bei Arsenal

Dass Wenger ihn trotz der schwachen Leistung daraufhin nach London holen wollte, verstand auch Mendez selbst nicht: "Er sagte mir, dass er gute Ansätze gesehen hätte. Antritt, Beidfüßigkeit und vor allem Übersicht. Das wäre auffällig gewesen, obwohl ich so schlecht gespielt hatte."

Neben den Gunners war seinerzeit auch der SC Freiburg an dem damals 22-Jährigen interessiert. Bei einem Probetraining dort hatte er überzeugt, Feucht beharrte allerdings auf einer Ablöse, die dem SCF zu hoch war. Dennoch war der Kontakt nach Freiburg, so vermutet Mendez, wohl der entscheidende Faktor dafür, dass ihn plötzlich ein Weltklub wie Arsenal auf dem Schirm hatte. "Wenger wollte immer innovativ sein und er empfindet es bis heute reizvoller, Spieler mit Potenzial zu fördern statt fertige Stars zu kaufen. Und dabei erkannte er schnell, dass der deutsche Markt ergiebig ist", sagt er.

Als er letztlich also doch einwilligte, sich auf das Abenteuer Arsenal einzulassen, zahlten die Engländer eine Million D-Mark Ablöse an Feucht und statteten Mendez mit einem Sechsjahresvertrag aus. Er sei wohl "die riskanteste Wette, die Wenger je eingegangen ist", betont er. Eine Wette, die, wie wir heute wissen, für beide Seiten jedoch nicht wirklich aufging.

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Wobei die Zeit in London durchaus auch Ausschläge nach oben parat hatte. So kam Mendez in seiner ersten Saison immerhin auf drei Premier-League-Einsätze, war so an Arsenals Meisterschaft 1998 beteiligt und durfte sogar gegen den ruhmreichen FC Liverpool für kurze Zeit auf dem Rasen stehen. In der zweiten Spielzeit absolvierte er dann seinen einzigen Champions-League-Einsatz, stand im Gruppenspiel bei Panathinaikos Athen sogar an der Seite von Nicolas Anelka oder David Seaman in der Startelf und traf zur 1:0-Führung.

Alberto Mendez: Auch in Unterhaching blieb der Durchbruch aus

"Trotzdem bleibt im Gedächtnis das Wissen haften, dass ich mehr hätte leisten können", erklärt Mendez. "Ich war bereits 22 Jahre alt und hatte vorher noch nie unter erstklassigen Bedingungen trainiert. Der generelle Lebenswandel war nicht dem eines Profis angemessen. So benötigte ich die ersten sechs Monate zur Eingewöhnung - und als dann Verletzungen hinzukamen und im Sommer darauf Granaten wie Freddy Ljungberg und Nwankwo Kanu verpflichtet wurden, dachte ich mir nur: "Verdammt, warum habe ich nicht schneller gelernt?"

Anfang 1999, kurz nach dem Treffer in der Königsklasse, wurde Mendez dann an AEK Athen verliehen. Beim griechischen Traditionsklub war er Stammspieler, es lief gut. "Das Problem: In Deutschland hatte es keine Sau interessiert", sagt er. Dennoch kam Mendez im Sommer 1999 per Leihe zum damaligen Bundesligisten Unterhaching - der Durchbruch blieb ihm dort aber auch wegen Problemen mit Trainer Lorenz-Günther Köstner verwehrt. "Ich war schon nett und beliebt in der Mannschaft. Daraus konstruierte Herr Köstner eine Ausrede, um erklären zu können, warum ich nie in die Startelf aufgestellt wurde."

Auf immerhin sechs Bundesligaspiele kam Mendez für Haching, ehe es 2000 zunächst zurück zu Arsenal ging. Eineinhalb Jahre lang blieb er noch dort, einzig ein Kurzeinsatz im Ligapokal kam aber noch hinzu. Anfang 2002 ließen die Londoner ihn dann zum damaligen spanischen Zweitligisten Racing Ferrol ziehen. 2004 kehrte er schließlich nach Feucht zurück, spielte in Deutschland später auch noch für Bayreuth, Darmstadt, Weiden oder Sandhausen.

Alberto Mendez blickt zurück: "Es ging einiges schief"

"Es ging einiges schief", sagt Mendez im Rückblick. "Ich erlitt immer wieder kleine, nervige Verletzungen und hatte parallel Pech bei der Klubwahl. Feucht, Bayreuth und Weiden bekamen massive Finanzprobleme und meldeten Insolvenz an." Nachdem der Klub in Weiden pleite ging, entschloss sich Mendez 2011 mit 36 dazu, seine aktive Karriere zu beenden.

Kurz darauf war er noch Trainer beim FC Amberg in der Bayernliga Nord, im Sommer 2020 übernahm er den mittelfränkischen Bezirksligisten TSG Roth. "Amateurfußball wie früher, als Spieler bei einem Verein ihre Karriere begannen und dort auch aufhörten", wollte er dort fördern, wie ihn der kicker zum Amtsantritt zitierte. Er selbst kann jedenfalls von einer bewegten Karriere erzählen.

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