"Hilfe? Brand ist herzlich eingeladen"

Andreas Michelmann wurde am 26. September zum DHB-Präsidenten gewählt
© getty

Seit dem 26. September ist Andreas Michelmann DHB-Präsident. Im Interview mit SPOX spricht der 55-Jährige über neue Wege nach dem großen Zoff, den Spagat zwischen seinen Ämtern als Handball-Boss und Oberbürgermeister von Aschersleben und den sensiblen Bob Hanning. Zudem reicht er Heiner Brand die Hand und verrät, warum ein sowjetischer Raketenoffizier sein Vorbild ist.

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SPOX: Herr Michelmann, Sie haben Ihre Vorstellungsrede in Hannover damit begonnen, vom sowjetischen Raketenoffizier Stanislav Petrov zu erzählen...

Andreas Michelmann: Das war ein guter Einstieg, finden Sie nicht? (lacht)

SPOX: Es machte zumindest sofort deutlich, wie überhöht die Diskussionen der vergangenen Monate im DHB teilweise geführt wurden.

Michelmann: Genau darum ging es mir. Vor 32 Jahren gab es die Situation, dass die Welt am atomaren Abgrund stand. Obwohl der Start von amerikanischen Raketen gemeldet wurde, behielt Petrov in der Frühwarnzentrale die Nerven und verhinderte durch sein Handeln eine unvorstellbare Katastrophe. Petrov ist für mich deshalb ein Vorbild. Ich wollte bei meiner Rede damit die Probleme relativieren. Ich wollte damit sagen: Wenn ein Mann in der Lage ist, unter größtem Druck die richtige Entscheidung zu treffen, dann müssen wir beim DHB doch fähig sein, unsere vergleichsweise kleinen Probleme zu lösen - und dabei besonnen miteinander umzugehen, nicht ganz so verbissen zu sein. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Ich bin mir der Schwere meiner neuen Aufgabe durchaus bewusst. Aber am Ende geht es "nur" um Handball.

SPOX: Das Abstimmungsergebnis war mit 73:46 Stimmen nicht überwältigend, nach dem Theater im Vorfeld aber auch nicht überraschend. Haben Sie nicht trotzdem das Gefühl, mit einem Rucksack, mit Misstrauen in Ihre Amtszeit zu starten?

Michelmann: Zunächst einmal ist das Amt des DHB-Präsidenten für mich eine große Ehre und gleichzeitig eine große Herausforderung. Auf dem Bundestag war zu sehen, dass es noch einigen Redebedarf gibt. Wir müssen miteinander in den Dialog treten. Um zu Ihrer Frage zurückzukommen: Nein, das sehe ich nicht so. Die Abstimmung war eher ein Teil der notwendigen Vergangenheitsbewältigung.

Kolumne: Michelmann der Dompteur im Raubtierkäfig

SPOX: Als Oppositionsführer hat sich Württemberg-Boss Hans Artschwager hervorgetan, der die wichtigsten Landesverbände an seiner Seite weiß. Er brachte sein tiefes Misstrauen gegenüber dem Präsidium noch in Hannover zum Ausdruck. Wie wollen Sie mit ihm umgehen?

Michelmann: Ich kenne Hans Artschwager als einen tatkräftigen Menschen, der in bestimmten Situationen sehr kämpferisch werden kann. Aber er sagte bereits vor der Abstimmung, dass er Demokrat genug ist und das Ergebnis akzeptieren wird. Die Art und Weise, wie er mir nach der Wahl die Hand gedrückt hat, und was er mir sagte, weisen daraufhin, dass wir in Zukunft ganz offen miteinander umgehen werden.

SPOX: Die Gelassenheit, mit der Sie die Situation tragen, deutet daraufhin, dass Ihnen als Oberbürgermeister Gegenwind nicht ganz fremd ist.

Michelmann: Da haben Sie Recht. (lacht) In diesem Bereich kann ich 21 Jahre Berufserfahrung vorweisen. Und diese Erfahrung hilft mir für meine Aufgabe beim DHB auf jeden Fall. Ich bin als Mitglied einer Wählerinitiative immer auf der Seite der Minderheit gestartet. In den 21 Jahren waren einige brisante Stadtratssitzungen dabei - inklusive Situationen, in denen ich existenziell gefordert war. Deshalb bin ich erfahren und abgehärtet genug, um mit Auseinandersetzungen, wie es sie im letzten halben Jahr gab, umgehen zu können. Allerdings erwarte ich natürlich, dass diese Auseinandersetzungen in Zukunft konstruktiver werden. Hin zur Sache, weg von der Person.

SPOX: Das Hauptproblem war eigentlich nicht Ihre Person, sondern die großen Differenzen zwischen Bob Hanning und Bernhard Bauer, die den deutschen Handball in zwei Lager gespaltet haben. Für den DHB war es sicher eine schädliche Posse, oder?

Michelmann: Ja, das kann man nicht abstreiten. Von 2013 bis zum Frühjahr 2015 hat der DHB ein ziemliches Tempo hingelegt, was die Umgestaltung betrifft. Das betraf das gesamte Präsidium, und dazu gab es von den Landesverbänden und den Leuten, die den Verband von außen betrachten, positives Feedback. In dieser Zeit wurde also gute Arbeit geleistet. Bauers Rücktritt war dann ein Tiefschlag, von dem sich der DHB langsamer erholte, als es nach der Niederlage in der WM-Qualifikation gegen Polen der Fall war.

SPOX: Es ist müßig darüber zu streiten, zu welchen Teilen die Schuld auf Bauer oder Hanning zu übertragen ist. Ganz generell gefragt: Macht sich Hanning, dessen fachliche Qualitäten selbst erbitterte Gegner nicht bestreiten, durch seine Art nicht manchmal das Leben unnötig selbst schwer?

Michelmann: Ich verstehe die Diskussion um Hanning nicht. Als es 2013 um die Aufstellung des Präsidiums ging, sagte er: 'Ihr bekommt mich so, wie ich bin.' Einen Bob Hanning light gibt es nicht. Alle wussten also, was sie mit Hanning bekommen. Und so war es dann ja auch. Wir bekamen einen Hanning mit allen Vorteilen, mit allen Ecken und Kanten.

SPOX: Sie selbst kommen also gut mit ihm klar?

Michelmann: Ich komme sehr gut mit ihm klar. Wissen Sie: In der Zeit von Bauers Rücktritt bis zum Bundestag durchlebten wir alle im DHB schwierige Phasen. Hanning dazu noch persönlich. Und er ist nach meinem Empfinden viel sensibler, als es die meisten wahrnehmen wollen. Wie er das alles weggesteckt hat, ist beachtlich.

SPOX: Ein herber Schlag für Hanning war die heftige, persönliche Abrechnung von Heiner Brand in der Sport Bild. Wie bewerten Sie Brands Aussagen mit etwas Abstand?

Michelmann: Heiner Brand ist für mich eine Ikone des deutschen Handballs. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

SPOX: Anders gefragt: Der DHB kann es sich eigentlich nicht leisten, auf die Unterstützung von Persönlichkeiten mit einer Strahlkraft wie bei Brand ganz zu verzichten. Aber ist ein Comeback, in welcher Form auch immer, nach dem Geschehenen überhaupt noch möglich?

Michelmann: Wir brauchen alle, die dabei helfen wollen, den deutschen Handball nach vorne zu bringen. Selbstverständlich ist auch Heiner Brand dazu herzlich eingeladen.

SPOX: Werden Sie einen Schritt auf ihn zu gehen?

Michelmann: Was mich anbelangt, gab es die Aussage von Brand, dass er mich nicht kennen würde. Das können wir ändern, zu Gesprächen bin ich immer bereit.

SPOX: Kommunikation ist Ihnen generell wichtig. Was dürfen wir in Sachen Amtsführung sonst noch von Ihnen erwarten?

Michelmann: Richtig. Ich will eine deutliche verbesserte Kommunikation der Liga und den Landesverbänden gegenüber. Da ich Oberbürgermeister und DHB-Präsident bin, werde ich ansonsten gezwungen sein, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Seite 1: Michelmann über sein Vorbild, Brand und Hanning

Seite 2: Michelmann über eine Berserker-Aufgabe und Flüchtlinge

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