Hawk: "Wie eine eigene Mondlandung"

Von Interview: Bastian Strobl
Man on the Moon: Tony Hawk hat es in seinem Leben an manch sonderbaren Ort verschlagen
© Getty

Einmal 900 Grad und zurück: Laureus-Academy-Mitglied Tony Hawk gilt als der beste Skateboarder aller Zeiten. Im SPOX-Interview erzählt der Birdman von verrückten Roadtrips, vom Vorteil seines virtuellen Alter Egos und er verrät, in welchen Teilen der Welt er noch inkognito auftreten kann.

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SPOX: Vor einigen Wochen haben Sie mal wieder Ihren berühmten 900 Degrees Spin gezeigt. Haben Sie's also immer noch drauf?

Tony Hawk: Ja, könnte man so sagen (lacht). Das war bei einer kleinen Demo in Schweden. Es war ein nettes Wochenende, und der 900er ist auch für mich immer noch ein Highlight.

SPOX: War Ihr Entschluss, vom aktiven Wettkampf-Sport zurückzutreten, also vielleicht ein wenig zu voreilig?

Hawk: Auf gar keinen Fall. Ich wollte vor zehn Jahren einfach eher Demos fahren, die Welt bereisen und die Leute auf diese Art unterhalten. Und vor allem einfach mal Zeit für mich haben. Wenn du an den ganzen Wettbewerben teilnimmst, bist du ja nur auf Achse. Der Zeitplan ist so straff, dass man ein wenig vergisst zu leben.

SPOX: Und das ist jetzt anders?

Hawk: Genau. Ich ganz alleine entscheide, wann ich wo skate und muss niemandem Rechenschaft ablegen.

SPOX: Rein hypothetisch gesehen: Könnten Sie denn mit den ganzen jungen Fahrern noch mithalten?

Hawk: Gute Frage (schmunzelt). Vielleicht könnte ich das. Aber diesen dauernden Wettstreit hatte ich lange genug. Irgendwann muss einfach damit Schluss sein. Wer will schon einen Opa skaten sehen?

SPOX: Ihr erster 900er im Jahr 1999 war ein Höhepunkt in der Skateboarding-Geschichte, die seitdem eine rasante Entwicklung genommen hat. Alles unter dem Motto: höher, schneller, besser und größer. Eine gefährliche Entwicklung?

Hawk: Da muss man unterscheiden. Sicherlich, wenn man solche Crashs wie von Jake Brown bei den X Games 2007 (Video) sieht, dann weiß man, dass man mit seinem eigenen Leben spielt. Auf der anderen Seite ist es ja auch ganz normal, seine Grenzen auszutesten. Nur dadurch bemerkt man erst seine eigene Sterblichkeit und erkennt, wie gefährlich Skateboarding eigentlich ist.

SPOX: Aber übertreiben es die Athleten nicht?

Hawk: Das war vielleicht einmal. Aber gerade in letzter Zeit hat es sich wieder etwas geändert. Man geht langsam weg von diesen abnormen Höhen und versucht die Punktrichter wieder durch mehr technisch versierte Tricks zu überzeugen. Es ist nicht mehr so, dass man alles auf eine Karte setzt, um die Konkurrenz zu übertreffen, ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein. Eines will ich klar betonen: Skateboarding befindet sich immer noch in einer Art Evolution. Und das wird vermutlich nie aufhören.

SPOX: An dieser Entwicklung waren auch Sie beteiligt, obwohl Sie als Kind noch ein Albtraum waren.

Hawk: Wo haben Sie denn das her?

SPOX: Aus ihrer Biografie "Hawk: Occupation: Skateboarder".

Hawk: Ach ja, stimmt (schmunzelt). Das habe ich damals geschrieben. Und es war wirklich so. Ich war ein ziemlich hyperaktives Kind und nie wirklich zufrieden mit mir selber. Angeblich gibt es sogar die Geschichte, dass ich nicht mal bei Pac-Man verlieren konnte. Rückblickend war ich wohl für meine Eltern eine ziemliche Herausforderung. Ich hatte einfach so viel Energie und hatte das Gefühl, dass ich sie nicht richtig nutze.

SPOX: Also war das Skateboarding eine Art Ventil...

Hawk: ... und Ausgleich. Schon davor habe ich die eine oder andere Sportart wie Baseball ausprobiert. Aber entweder ich war zu klein, zu langsam oder zu schlecht. Irgendetwas hat immer nicht gepasst. Bis mir mein Bruder dann ein Skateboard geschenkt hat. Das war schon so eine Art Offenbarung, vor allem da ich meinen eigenen Stil entwickeln konnte. Endlich hatte ich was, worin ich voll und ganz aufgehen konnte.

SPOX: Eine Art positive Droge also?

Hawk: So könnte man es bezeichnen. Gerade als ich die ersten kleinen Fortschritte gespürt und mich nach und nach verbessert habe, konnte ich nicht mehr loslassen. Es gibt wohl fast nichts Besseres, als einen selber erfundenen Trick zum ersten Mal zu stehen. Und dieses Gefühl will man dann immer wieder und wieder und wieder bekommen. Es ist jedes Mal wie eine Art eigene Mondlandung: Man wächst an der Herausforderung und schafft einen Trick, den vorher noch nie jemand gezeigt hat.

SPOX: So toll diese Erfahrungen waren, so waren Sie als Teenager vermutlich mehr "on the road" als zu Hause. Haben Sie damals irgendetwas vermisst?

Hawk: Nicht wirklich. Ich habe mich sowieso immer eher als Außenseiter gefühlt, ganz egal ob in der Freizeit oder in der High School. Ich gehörte nie zu den Leuten, die besonders cool und beliebt waren.

SPOX: Dafür haben Sie an verschiedenen Wettkämpfen rund um den Globus teilgenommen. Hört sich nach einem Rockstar-Leben an, oder?

Hawk: Für mich war's zu dieser Zeit natürlich schon glamourös. Es war das erste Mal, dass ich außerhalb der Staaten war und musste so gut wie nichts selber bezahlen. Wenn ich jetzt zurückblicke, ähnelten solche Touren wohl eher verrückten Roadtrips. In einem Van mit vier, fünf Leuten, das waren schon lustige Fahrten. Wer kann schon mit Anfang 20 behaupten, die Welt bereist zu haben?

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SPOX: Nach unzähligen X-Games-Medaillen und Weltmeister-Titeln sind Sie auch heutzutage noch rund um den Globus unterwegs, unter anderem als Botschafter für die Laureus Sport for Good Foundation.

Hawk: Ja, ich besuche und betreue für Laureus Projekte auf der ganzen Welt, von Südafrika bis Kambodscha. Es ist einfach eine tolle Gelegenheit, etwas zurückgeben zu können. Nicht jeder hatte so viel Glück im Leben wie ich.

SPOX: Welche Erfahrungen haben Sie bei diesen Reisen gemacht?

Hawk: Das waren unvergessliche Momente. Und es hat mir vor allem gezeigt, was es wirklich heißt, Problemen im Leben gegenüberzustehen. Das vergisst die westliche Welt manchmal. Für die Kids in diesen Ländern war ich eben nicht der berühmte Tony Hawk, sondern einfach nur irgendein Typ, der in ihr Dorf kam. Aber wenn man dann nach und nach das Vertrauen der Kinder gewinnt und merkt, wie viel Spaß ihnen das Skaten macht, sind das unbezahlbare Augenblicke.

SPOX: Neben Laureus haben Sie auch noch Ihre eigene Stiftung. Was wollen Sie damit erreichen?

Hawk: Ich will den Kindern einfach eine Möglichkeit geben zu skaten. Über die Jahre hinweg habe ich in den USA so viele Skateparks gesehen, die entweder schlecht gebaut oder einfach verschmutzt und verdreckt waren. Ganz zu schweigen von den sozialschwachen Gebieten, wo es gar nicht erst die Chance gibt, ordentlich zu skaten. Gerade dort brauchen die Kids Abwechslung und eine Beschäftigung, damit sie nicht auf die schiefe Bahn geraten. Deswegen sammelt die Tony Hawk Foundation Geld für solche Parks.

SPOX: Können die Kinder und Jugendliche also aus diesem Hobby auch Lehren fürs Leben ziehen?

Hawk: Meiner Meinung nach schon, vor allem in Sachen Selbstvertrauen. Aber selbst ein Verständnis für Teamwork kann entstehen, denn man ist eigentlich nie allein unterwegs. Und selbst wenn, dann trifft man bei den Skateparks immer andere Leute, mit denen man ganz einfach ins Gespräch kommt. Es entsteht dann eine Gruppendynamik, bei der sich die Skater untereinander zu Höchstleistungen antreiben.

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SPOX: Wenn wir schon vom Nachwuchs reden: Ihre Söhne skaten auch, Ihr ältester Sohn Riley tritt sogar schon in Wettkämpfen an. Ist es für ihn nicht schwer, denselben Sport auszuüben wie sein berühmter Vater?

Hawk: Natürlich wird da viel geschrieben und viel Druck von außen reingebracht. Aber ich halte mich bei ihm raus. Er soll seine eigenen Erfahrungen machen und sich einen Namen machen, ohne ständig seinen Dad an der Seite zu haben. Solange es ihm Spaß macht, ist alles in Butter.

SPOX: Bevor wir zum Ende kommen, müssen wir natürlich noch über eine Sache reden, die Sie berühmter gemacht hat als jeder Turniersieg: Die "Tony Hawk's"-Videospiele-Reihe. Wie fühlt man sich so als Gamer-Ikone?

Hawk: Es ist der Hammer. Ich war schon früher selbst ein leidenschaftlicher Gamer. Allein deswegen ist es eine Ehre für mich, Namensgeber zu sein. Aber es macht auch einfach viel Spaß, mit den Entwicklern zu arbeiten und hautnah mitzuerleben, wie sich die Technik immer weiterentwickelt.

SPOX: Wer ist denn besser: Der echte oder der virtuelle Tony Hawk?

Hawk: Die sind beide eigentlich gleich gut. Der im Spiel hat nur einen entscheidenden Vorteil: Er ist nach Stürzen und Verletzungen schneller wieder auf den Beinen (lacht).

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