"Wer das noch Davis Cup nennt, lügt" - Das Ende eines großen Wettbewerbs

Von Jörg Allmeroth
Haggerty und Pique schlägt viel Gegenwind entgegen
© getty

Es ist der 17. Dezember 1988, an dem ein Stück deutscher Sportgeschichte geschrieben wird. Es ist der Tag, an dem Deutschland zum ersten Mal den Davis Cup gewinnt, es ist nichts weniger als ein Wunder. Und so bleibt dieses vorweihnachtliche Wochenende in Göteborg in der kollektiven Erinnerung auch als "Wunder von Göteborg" haften, der unerwartete, der unbegreifliche, der verrückte Triumph des deutschen Tennisteams in Schweden.

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Bald 30 Jahre ist das nun her und die Erinnerung daran ist in diesen Tagen gespalten. Da ist die Erinnerung an die großen, emotionalen, berührenden Augenblicke im "Scandinavium", daran, wie ein gewisser Carl-Uwe Steeb mit seinem sensationellen Sieg über den damals weltbesten Spieler Mats Wilander das Fundament für den Pokalgewinn legt, wie vier verschworene deutsche Tennisfreunde um den diskreten Anführer Boris Becker dieses Davis Cup-Halleluja erschaffen.

Aber da sind natürlich auch Trauer und Wehmut über Zeiten, die nicht mehr wiederkommen werden. Nicht mehr wiederkommen können. Nicht, weil Deutschland niemals mehr sportlich in der Lage wäre, diesen ältesten Teamwettbewerb der Welt zu gewinnen. Sondern, weil es diesen Davis Cup nicht mehr gibt.

Yannick Noah: "Der Wettbewerb ist tot"

Der Davis Cup, wie ganze Generationen von Spielern und Fans ihn kannten, wurde am Sonntagnachmittag zu Grabe getragen. Mit dem letzten Ballwechsel im Finale 2018, mit dem kroatischen Sieg gegen Frankreich - im "Stade Pierre-Mauroy" zu Lille, vor noch einmal knapp 20.000 Zuschauern. "Wenn diese Leute es im nächsten Jahr auch noch Davis Cup nennen, ist das nichts als eine Lüge", sagte Yannick Noah, der charismatische französische Kapitän, "lassen Sie sich nichts vormachen: Der Wettbewerb ist tot."

Noah hatte diese Anklage auch dem Mann vorgetragen, der gemeinhin als der Totengräber des Davis Cup betrachtet wird - dem Weltverbands-Präsidenten David Haggerty. "Ich gehöre nicht zu deiner Welt", sagte der letzte französische Roland Garros-Champion dem Amerikaner bei den offiziellen Zeremonien nach dem Match ins Gesicht.

Was er meinte, war: Der Verkauf der Seele des Davis Cup, der Verkauf an ein undurchsichtiges Konsortium namens Kosmos, hinter dem ein japanischer Milliardär und der spanische Fußball-Profi Gerard Pique stecken.

Gellendes Pfeifkonzert für Haggerty

Was sie von Haggerty und dem internationalen Funktionärstross halten, der dem Lockruf des Geldes folgte, machten die französischen Fans an diesem Wochenende mehr als deutlich: Wann immer der ITF-Häuptling auf Videoleinwänden gezeigt wurde, ertönte ein gellendes Pfeifkonzert.

Der Davis Cup 2019, den die ITF und Kosmos veranstalten wollen, droht ein Desaster zu werden. Jedenfalls dann, wenn es um den Anspruch geht, dass die Besten und Stärksten der Branche aufschlagen, wenn es um den Pokalsieg geht. Ende November 2019 soll das neue Endturnier mit 18 Mannschaften ausgetragen werden, also noch hinter dem Londoner ATP-Finale, und über eine ganze Woche mit dicht gedrängtem Spielplan.

Gesundheit in Gefahr

Es würde praktisch das Ende jeglicher sinnvoller Erholungszeit für die Profis bedeuten, und deshalb haben viele Promis längst abgewunken. Alexander Zverev, der ATP-Weltmeister aus Deutschland, allen voran. Aber auch Federer, Djokovic oder Murray wird man dort nicht sehen, ganz zu schweigen von den rebellischen Franzosen, die den ITF-Bossen bereits klar machten, dass dieser Wettbewerb für sie erledigt ist, bevor er überhaupt begonnen hat.

World Cup of Tennis - so lautet der neue Untertitel, den der Weltverband seinem Geschöpf verpasst hat. Ganz so, als handele es sich um eine Tennis-Entsprechung zur Fußball-Weltmeisterschaft. Doch in Madrid wird in einem Jahr sehr wahrscheinlich eine B-WM mit Erschöpften und Maladen über die Bühne gehen - mit Spielern, die am Ende einer auszehrenden Saison noch einmal dem Geld nachjagen und dabei ihre Gesundheit ruinieren könnten.

Gerüchte über Boykottaufruf

Aber viele Stars und Sternchen werden erst gar nicht kommen, gerade gehen sogar Gerüchte über einen Boykottaufruf durch die Szene. Schließlich haben die Berufsspieler eine Alternative vor Augen, präsentiert durch ihre eigene Gewerkschaft, die ATP. Die hat soeben im unerklärten Krieg der Termine und Turniere den ATP Cup ins Leben gerufen, eine Team-Weltmeisterschaft zum Saisonbeginn in Australien, als Countdown-Wettbewerb zu den Australian Open. Anders als beim "neuen Davis Cup", der auch als "Kosmos-Cup" oder "Pique-Cup" verspottet wird, gibt es bei der ATP sogar Weltranglistenpunkte.

Die ganze Rangelei, sie ist auch symptomatisch für die ewige Zersplitterung und Zerrissenheit im Welttennis - mit seinen vielen gegenläufigen Machtzentren. Und verschiedenen Interessen. Haggerty, der Mann vom Weltverband, will nun eine "Einigung auf einen gemeinsamen Termin" für einen Teamwettbewerb, aber er verhandelt aus einer Position der Schwäche. Er hat den schlechtesten aller Termine, seine Widersacher einen der besten aller Termine.

Selbst der Schauwettbewerb "Laver Cup", orchestriert unter Mithilfe von Maestro Roger Federer im September, steht um Längen besser da als Haggerty und seine Kumpane. Frankreichs Davis Cup-Doppelstar Nicolas Mahut gab am Wochenende dies zu Protokoll: "Ich hoffe, dass dieser neue Wettbewerb schnell scheitert. Und dass es dann wieder den Davis Cup gibt, wie wir ihn alle kennen. Den guten Davis Cup."

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