Der Slice als Spielverderber

Von Marco Kühn / tennis-insider.de
Grigor Dimitrov
© getty

Was bei Grigor Dimitrov oft nach einem Notschlag aussieht, ist ein wichtiges taktisches Element. Das solltet ihr euch abschauen!

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Ungewollt sieht es aus, wenn Grigor Dimitrov im Zurücklaufen einen unorthodoxen Rückhand-Slice spielt. Sein linker Arm macht den Eindruck, als wolle er ein vorbeifliegendes Flugzeug grüßen. Sein Körper springt beim Schlag nach hinten - so, als würde ihn eine Schlange angreifen wollen. Was nach einem Notschlag aussieht, ist ein taktisches Element, welches nicht nur das Spiel des Bulgaren bereichert. Es kann auch dein Spiel bereichern. Lass uns schauen, warum Grigor Dimitrov diesen Slice einsetzt und was er für dein Spiel bezwecken kann.

Die passende Situation

Du kommst im Ballwechsel immer mal wieder in die Situation, in der du keinerlei Aktion mehr in den Ballwechsel bringen kannst. Du kannst stattdessen nur noch auf das reagieren, was dein Gegner spielt. Du merkst dies, wenn du im Ballwechsel viel rechts-links laufen musst, dich weit hinter der Grundlinie befindest oder deine Schläge kaum noch über die T-Linie fliegen. Du suchst nur noch nach Wegen, um den Ball irgendwie im Spiel zu halten. Um aus einer solchen Spielsituation Auswege zu finden, gibt es den Spielverderber: den Slice. Diesen kannst du natürlich auch mit der Vorhand spielen, doch hast du mit deiner Vorhand immer mehr Reichweite und mehr Möglichkeiten. Wenn dich dein Gegner in deine Rückhand drängt, kann der Slice den Ballwechsel umdrehen, ohne das ein riskanter Ball die Linie entlang von dir notwendig ist. Der Slice bremst das Tempo im Ballwechsel und gibt dir dadurch mehr Zeit wieder präsenter im Ballwechsel zu werden.

Du kannst dich wieder näher an die Grundlinie orientieren und deine Komfortzone suchen. Würdest du einen Mondball spielen, um mehr Zeit zu gewinnen, wäre dies mit unterschiedlichsten Risiken verbunden. Dein Mondball könnte zu kurz geraten und deinen Gegner zu einem bequemen Winner einladen. Oder dein Ball gerät zu lang. Besonders aus der tiefen Defensive heraus ist es schwierig den Mondball effizient zu spielen. Länge, Höhe und Spin müssten passen. Bricht einer der drei Faktoren weg, sieht es schlecht für dich aus. Der Slice ist hier der clevere Spielverderber, den du mit geringerem Risiko einstreuen kannst. Selbst wenn dir der Slice mal ein wenig abrutscht und der Ball dadurch höher über das Netz fliegt: Durch den flachen Absprung und den Zeitgewinn ist es der effektivere Schlag.

Die Technik

Viele Spieler machen den Fehler und gehen beim Slice nicht mit dem Schläger durch den Ball. Stattdessen wird der Schlägerkopf beim Slice häufig nach dem Treffen des Balles nach unten geführt. Hier geht Kontrolle über den Schlag verloren. Der Slice wird zu einer Lotterie. Einfacher und sicherer ist es, den Ball mit dem Schlägerkopf nach vorn zu führen. Der Schlägerkopf wird zu einem Wegweiser für den Slice. Dem Ball sollte viel Schnitt mitgegeben werden, damit der Gegner tief in die Knie muss und der Absprung des Balles möglichst fies verläuft. Beim Slice wird der Ball mehr gestreichelt als geschlagen, sodass die Filzkugel mit der Bespannung eingewickelt werden kann. Auf diese Weise kann dem Slice auch ein seitlicher Schnitt mitgegeben werden, der zu einem "stoppen" des Balles führt, sobald dieser im gegnerischen Feld landet. Diese Variante spielt Grigor Dimitrov häufig.

Die Länge

Der Slice ist für den Gegner am gefährlichsten, wenn dieser kurz und mittig gespielt wird. Der Gegner befindet sich dann im absoluten Niemandsland des Platzes. Dazu muss der Gegner den Ball weit unterhalb der Netzkante in einem sehr schwierigen Winkel spielen. Wird der Slice aus der Defensive heraus gespielt, wird der Gegner also komplett aus seiner offensiven Ausrichtung gerissen und vor komplett neue Aufgaben gestellt. Es entsteht zumindest für zwei Schläge eine neue Konstellation im Ballwechsel. Grigor Dimitrov nutzt diese Variation oft, sobald er spürt, dass er zu sehr in die Defensive gerät. Bevor er sich im Hamsterrad des Gegners befindet, befreit er sich durch einen simplen, aber äußerst effektiven Slice.

Nutze diese Option, um dein Defensivspiel variabler zu gestalten. Wenn du merkst, dass du weiter hinter die Grundlinie im Ballwechsel gedrängt wirst, spiele den kurzen Slice. Orientiere dich direkt, nachdem der Ball deine Bespannung verlassen hat, wieder näher Richtung Grundlinie. Du wirst so einige Ballwechsel zu deinen Gunsten drehen können.

Eine Analyse von Marco Kühn (tennis-insider.de).

Artikel und Videos zum Thema