tennisnet.com Kolumne

Laver Day

von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet: 05.09.2016, 06:03 Uhr

NEW YORK, NY - AUGUST 24: Rod Laver speaks during a Laver Cup media announcement at the St Regis Hotel on August 24, 2016 in New York City. (Photo by Alex Goodlett/Getty Images)

Weil ich nun mal nicht den ganzen Laden leerkaufen kann, stehe ich also bereits zum fünften Mal im US Open Bookstore. Immerhin hat sich meine Auswahl beschränkt: "Late To The Ball" und ein Best-of-Package der "New York Times" sollten erst mal reichen; für die restlichen circa 100 Tennisbücher, die hier zum Kauf angeboten werden, reichen aktuell weder Zeit, Geld und Freigepäck, wenn's aus dem Urlaub zurückgeht.

Als ich an der Kasse stehe, fällt mein Blick auf ein Schild: "Rod Laver book signing, 9/4, 4 pm". Manchmal ist gutes Timing einfach alles, heute ist es Glückssache - zumal die Bewerbung für dieses Event im Verhältnis zur Größe Lavers äußerst bescheiden ausfällt. Aber klar ist: Das lasse ich mir nicht entgehen!

Drei Mal Laver zu Weihnachten

Um kurz nach 15 Uhr checke ich sicherheitshalber schon mal die Lage im Bookstore. Noch ist nichts los, eine Tatsache, die sich bis 15.45 Uhr nicht wirklich verändert und die ich nutze, um Lavers Autobiografie, auf die ich eigentlich als Taschenbuchausgabe warten wollte, auch zu kaufen. Wann es denn wirklich losginge, fragt eine Kundin neben mir; um vier, heißt es, zur Autogrammstunde gestern sei Laver mehr als pünktlich gewesen. Hätte ich auch nicht anders von ihm erwartet.

Als ich mich wieder in die Schlange stelle, steht Anne neben mir. Anne kommt aus Massachusetts und ist den dritten Tag bei den US Open, heute sogar mit Tickets für die Day- und Night-Session. Sie hat gleich drei Mal Lavers Lebensgeschichte in der Hand, "Christmas-Shopping im September", erklärt sie mir fröhlich, und eine Verkäuferin bestätigt: "Dafür ist es nie zu früh!" Ich denke mit mulmigem Gefühl an meine alljährlichen Panik-Einkäufe an Heiligabend, stelle aber traurigerweise fest, dass ich mit Lavers Leben unterm Tannenbaum niemanden außer mich selbst erfreuen würde. Während ich weiter mit Anne plaudere, kommt "The Rocket" tatsächlich überpünktlich in Richtung Buchladen, um ihn herum nur ein kleiner Tross an Security. Gut sieht er aus für seine 78 Jahre, der alte Australier.

Rod Laver, zweimaliger Gewinner des Grand Slams

Ist es eigentlich ein trauriges Bild, dass ich mit mittlerweile auch schon 36 Lenzen der Jüngste in der Schlange bin? Hm. Natürlich habe auch ich Rod Laver nicht mehr spielen gesehen, außer in alten YouTube-Clips, die meist aus der Zeit nach seinen großen Erfolgen stammen, also der Zeit nach dem zweifachen Grand Slam, 1962 und 1969. Es ist ja sowieso absurd: Da gewinnt dieser Mann erst als zweiter männlicher Spieler den Kalender-Grand-Slam und darf im Anschluss, nachdem er von den Amateuren zu den Profis gewechselt ist, fünf Jahre lang keine Majors spielen, im besten Tennisalter zwischen 24 und 29. Wie viele Grand-Slam-Turniere mehr als seine 11 Stück er wohl ansonsten gewonnen hätte?

Welchen Legendenstatus Laver innehat, wurde sowieso gerade letzte Woche wieder deutlich, im Rahmen der Vorstellung des "Laver Cups" , für den auch Laver fleißig wirbt und selbst heute eine entsprechend bedruckte Base-Cap trägt - einmal Tennisspieler, immer Tennisspieler halt. Ob er selbst noch ab und an ein paar Bälle schlägt? Bei seinem Kurz-Auftritt mit Roger Federer vor zwei Jahren in Melbourne sah das jedenfalls noch ganz gut aus.

Die gute alte Zeit...

Lavers Aura spürt man sofort - und irgendwie doch nicht. Zu normal und bescheiden sitzt er an seinem Tisch, beinahe etwas nervös und ehrfürchtig ob der Schlange im und außerhalb des Ladens. Seinen legendären muskulösen linken Arm hat er leider unter einem blauen Hemd versteckt, und während ich anstehe und Laver noch die Kunden vor mir bedient, bedauere ich es, die Zeit der 1960er- und 70er im Tennis nicht erlebt zu haben. Spieler mit der feinen Klinge, das Spiel auf Rasen, von Ken Rosewall über Laver bis hin zu Björn Borg und John McEnroe... Wie sich Tennis doch die letzten 50 Jahre entwickelt hat!

Die Realität - ein Mitarbeiter des Bookstores - reißt mich aus meinen Gedanken und bietet mir an, ein Foto mit Laver zu machen. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Ein kurzer Handshake, "Hi Florian", begrüßt mich "The Rocket", "Hi Mr. Laver, es ist eine Ehre, Sie kennenzulernen", antworte ich, wir wechseln ein paar freundliche Worte, und ich bekomme mein Autogramm. Anne ist nach mir an der Reihe und erhält entsprechend mehr Zeit - bei drei Büchern, die signiert werden müssen, auch kein Wunder. Ich verdamme insgeheim noch einmal meinen desinteressierten Freundeskreis, werfe einen letzten Blick auf Laver und mache mich glücklich wieder auf den Weg in Richtung Live-Tennis.

Kurz vor Ladenschluss zieht es mich dann doch noch mal in den Bookstore. "Late To The Ball", die vielfach gelobte Geschichte von Gerald Marzorati, der erst mit Mitte 50 mit Tennis angefangen hat und schließlich mit 60 ernsthaft ein paar Seniorenturniere spielte, nehme ich doch noch mit. Und bin mal wieder froh, dass ich das schönste Spiel der Welt schon als Kind entdecken durfte. Auch wenn selbst das für die Glanzzeit des Rod Laver leider zu spät war.

von Florian Goosmann

Montag
05.09.2016, 06:03 Uhr