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Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 4 in der NFL

Lamar Jackson sieht nach Baltimores Niederlage gegen die Bills entsprechend bedient aus.
© getty

Woche 4 in der NFL steht als Musterbeispiel für einen Offense-Trend, den wir aktuell erleben. Und der hat direkte Auswirkungen - ob in Seattle, Denver oder auch Kansas City. SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf den Spieltag.

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Es ist kaum möglich, die NFL in diesem Jahr anzuschauen, und nicht zu dem Schluss zu kommen, dass wir uns mittendrin in einer klaren offensiven Zeitenwende befinden - und Woche 4 war das Sinnbild dafür.

Fünf Teams hatten in dieser Woche mehr Rushing-Yards als Net-Passing-Yards - und gewannen: Die Falcons (202 Rushing-Yards/131 Net-Passing-Yards), die Eagles (210/178), die Raiders (212/178), die Titans (127/116) und die Giants (262/71). Ein Team wie Seattle, das den Ball bemerkenswert effizient durch die Luft bewegte, taucht deshalb trotz 235 Rushing-Yards und einem Schnitt von 7,1 Yards pro Run hier nicht einmal auf.

Die Falcons hatten einen 10-Play-Touchdown-Drive mit zehn Runs in Folge. Kein einzelner war kürzer als vier Yards. Die Eagles lagen gegen Jacksonville früh deutlich hinten, doch während die Jags zunehmend große Probleme mit dem Regen in Philadelphia hatten, blieben die Eagles beim Game Plan - und liefen den Ball 50 (!) Mal für 210 Yards und vier Touchdowns. Es war der erste Spieltag dieser Saison, in der das Run Game nach EPA pro Play keinen negativen Wert hatte.

Nach vier Spielen kann man gut über bestimmte Trends sprechen, und keiner liegt in meinen Augen mehr auf der Hand als die Tatsache, dass offensive Production im Verhältnis zu vergangenen Jahren deutlich verhaltener ausfällt als über die letzten Jahre. Egal, ob man hier nach Total Stats, Dropback Success Rate, Red Zone Stats oder, aus anderer Perspektive betrachtet, dem Level an Quarterback-Play, das wir ligaweit dieses Jahr sehen, geht: Passing Offenses haben für das, was wir gewohnt sind, schon nahezu ungekannte Probleme.

Und zumindest ein Stück weit konnte man das erwarten, nachdem wir wochen- und monatelang darüber gesprochen haben, dass Defenses bessere Zugriffe finden. Dass 2-High-Shells, sowie Post-Snap Cover-2, Cover-4 und Cover-6 Offenses maßgeblich darin limitieren, wie sie zu Big Plays kommen können.

Die Cincinnati Bengals sind das Musterbeispiel für offensive Probleme, und in den letzten beiden Spielen gegen die Jets und gegen die Dolphins war klar zu sehen, dass die Offense Big Plays bekommt, wenn die Defense es zulässt - und nicht, indem die Offense diese forciert.

1. Das Thema dieser Saison? Das Run Game ist zurück

Nicht jedes Team hat so große Probleme wie die Bengals, aber das übergreifende Thema ist nicht von der Hand zu weisen: Offenses müssen andere Wege finden, um den Ball zu bewegen und ein zentraler Faktor dabei ist die Tatsache, dass man den Ball schrittweise bewegen muss, weil Big Plays viel schwieriger geworden sind.

Ein anderer zentraler Faktor ist die Tatsache, dass sich dem Run Game wieder mehr Räume bieten, weil Defenses so viele leichte Boxes anbieten.

Eine Folge daraus ist, dass das Run Game - das ist eine meiner Schlussfolgerungen dieser ersten vier Wochen - wieder mehr in der Lage ist, einer Offense einen konstanten Floor zu bieten. Wo in den vergangenen Jahren die Production im Passspiel zu dramatisch entfernt war von allem, was die Teams im Run Game leisten konnten, kommen sich diese beiden Aspekte näher: Passing-Offenses sind ineffizienter geworden, das Run Game konstanter. Während sich im Passspiel weniger Ansätze bieten als in vergangenen Jahren, bieten sich im Run Game mehr Ansätze.

Das führt auch dazu, dass Teams mit Game-Manager-Quarterbacks, deren Stärken gut mit einem Run Game harmonieren, in einem entsprechend runden Scheme im Moment offensiv explosiver auftreten können. Dazu gehören über diese ersten vier Saisonspiele die Seahawks, die Browns, die Lions, die Falcons und auch die Dolphins - fünf Offenses, die sich nach vier Spieltagen in der Top-10 in Expected Points Added pro Play befinden.

Die andere Beobachtung ist, dass Offenses sehr vielseitig in ihren Run Schemes sind und unterschiedlichste Ansätze aktuell Erfolg haben - eben nicht nur die Outside-Zone-Offenses, was über die vergangenen Jahre häufig zu beobachten war.

Die oben genannten Beispiele könnte man auch mit den Umständen erklären. Die Falcons haben keinen guten Quarterback, genau wie die Giants, die sogar die Wildcat auspackten, die Eagles haben sich an die äußeren Bedingungen angepasst, und so weiter.

Aber zum einen würde das nicht ansatzweise dem gerecht werden, was wir in der bisherigen Saison gesehen haben. Und außerdem gibt es auch diese Woche wieder ein prominentes Beispiel vom ganz anderen Ende des Spektrums, welches dieses Gegenargument zusätzlich entkräftet: Die Kansas City Chiefs.

Die Chiefs bestechen durch Vielseitigkeit

Die Chiefs liefen gegen die Bucs den Ball nicht "einfach nur" für 189 Yards, bei einem Schnitt von 5,1 Yards. Es war auch die Art und Weise, wie sie zu diesen Stats kamen.

Was einen bei den Chiefs förmlich anspringt, ist die Vielseitigkeit im Run Game. Counter, (Offset-)I-Formations, Pin/Pull-Runs, Zone-Blocking, und dann in Kombination damit Under Center Play Action und Run Pass Options - die Chiefs fahren zunehmend eine volle Kapelle am Boden auf, und dabei wirkt es nicht so, als würden all diese Plays in Isolation stattfinden.

Der Touchdown-Drive Mitte des ersten Viertels war ein gutes Beispiel dafür.

Die letzten drei Plays in diesem Drive waren ein Zone-Run von Edwards-Helaire über 20 Yards, der längste Run in diesem Spiel, ein QB-Option-Run von Mahomes, bei dem der Edge-Verteidiger gelesen wurde und Mahomes noch die Option für einen Pitch zum Running Back gehabt hätte, sowie der Touchdown-Run aus der Wildcat, mit McKinnon als "Quarterback" und zusammen mit Kelce und Edwards-Helaire im Backfield.

Gerade was KC mit all seinen Pull-Blockern macht, funktioniert gut mit den ganzen Jet-Motion-Plays in dieser Offense, und der Druck auf Mahomes und das Passspiel generell, immer wieder lange Drives mit vielen kurzen Pässen aufziehen zu müssen, wird deutlich verkleinert. Nicht, dass Mahomes und Co. das nicht könnten, aber es ist mühsam aktuell; das Colts-Spiel war das ideale Beispiel dafür, als Mahomes mehrfach den Ball sehr lange hielt, weil er keine offenen Receiver fand.

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© NFL Gamepass

Die Chiefs-Offense als neues Paradebeispiel?

All das soll nicht heißen, dass die Chiefs dieses Spiel auf dem Rücken des Run Games gewonnen haben. Nahezu alle Big Plays kamen durch die Luft, Mahomes hatte mehrere absurde Plays, und ohne seine Extraklasse hätte dieses Spiel auch an mehreren Punkten in eine andere Richtung laufen können.

Die Completion bei 3rd&1 (8:14, 1. Viertel), als Carlton Davis blitzte und buchstäblich an Mahomes dran hing, der aber stehen blieb und den Ball noch an einem heran eilenden zweiten Verteidiger vorbei zu JuJu Smith-Schuster brachte. Der Quick Shot zu Kelce bei 3rd&10 (7:28, 1. Viertel) bevor die in der A-Gap aufgestellten Linebacker genügend Tiefe bekommen konnten. Oder natürlich der absurde Touchdown-Pass zu Edwards-Helaire, den mittlerweile jeder gesehen haben dürfte.

Aber darum geht es auch gar nicht. Wie ich in der Einleitung schon geschrieben hatte, die Offenses, die mich am meisten in dieser Hinsicht beeindruckt haben, sind die Teams, die das Run Game in erster Linie nutzen können, um den Floor ihrer Offense anzuheben. Die gut darin sind, die Räume, die Defenses ihnen bieten, mit einem effizienten Run Game zu attackieren. Das Ceiling kommt nach wie vor durch das Passspiel, und die Art und Weise, wie die Chiefs das am Sonntagabend umgesetzt haben, fand ich sinnbildlich dafür.

Als kleine Ergänzung: Ich fand es erneut auffällig, dass die Tackle-Situation problematisch bleibt. Beide Tackle-Spots bei den Chiefs sind mir in Pass-Protection bisher in dieser Saison mehrfach negativ aufgefallen. Insbesondere Orlando Brown wird es helfen, wenn das Run Game einen höheren Floor bereitstellen kann.