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Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 2 in der NFL

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf Woche 2 in der NFL.
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5. Dolphins und Ravens: Ein Spiel, das zu Takes einlädt

Manche Spiele bleiben einem einfach im Kopf.

Das Week-10-Thursday-Night-Game der vergangenen Saison ist bis heute für mich so ein Spiel: Das war jenes berüchtigte Dolphins-Ravens-Duell, in dem Miami Lamar Jackson nicht nur bei 60 Prozent seiner Dropbacks (30 Mal insgesamt) blitzte - sondern in dem diese Blitze auch meist nahezu identisch aussahen, und die Ravens-Offense keinerlei Antworten fand.

Früh in seiner Karriere war es kaum möglich, Jackson zu blitzen. Baltimore ging sogar mitunter gezielt in Empty-Formationen, in dem Wissen, dass Jacksons Qualitäten als Scrambler der Ausweg gegen einen möglichen freien Rusher waren. Jacksons Beine wurden so etwas wie der Hot Read für die Offense.

Doch wie mit allen Dingen in der NFL wurden auch hier Defenses besser darin, das weg zu nehmen. Jackson war in der vergangenen Saison einer der am meisten geblitzten Quarterbacks (36 Prozent seiner Dropbacks, unter Quarterbacks mit mindestens 200 Dropbacks wurde nur Andy Dalton prozentual häufiger geblitzt), wenn er geblitzt wurde, wurden die Resultate für die Defense immer besser. Jackson leistete sich Turnover gegen den Blitz, und seine Scrambles gegen den Blitz waren überschaubar.

Natürlich liegt es in so einem Fall übergreifend an der gesamten Offense, dieses Problem zu beheben. Zu sagen, dass Jackson einfach individuell diese Probleme lösen muss, ist keine Strategie, sondern das Outsourcen eines offensiven Gameplans auf das individuelle Talent des Quarterbacks. Eine Herangehensweise, die kurzfristig funktionieren kann, aber die keine langfristige Basis für eine erfolgreiche Offense darstellt.

Neuer Ansatz für die Ravens-Offense?

Hier geht die Kritik über auf Offensive Coordinator Greg Roman. So sehr Roman Lob verdient für die Offense, die er spezifisch um Jacksons Qualitäten als Runner herum am Boden entworfen hat, so deutlich muss man auch unterstreichen, dass das Passspiel parallel auf der Strecke geblieben ist. Ich hatte darüber spät in der vergangenen Saison schon einmal ausführlicher geschrieben.

Viel Freelancing in den Routes, sowie wenig Passing-Game-Grundstruktur, auf die man einfach zurückfallen konnte, das war ein Teil des Problems, genau wie insgesamt eine Offense, bei der man nie das Gefühl hatte, dass die Räume, die durch Jacksons einzigartiges Skillset sowie die Bedrohung des Run Games generell entstehen, im Passspiel konstant gut genutzt werden.

Umso interessanter fand ich diese Offense, nachdem Baltimore mit Marquise Brown seinen Nummer-1-Receiver weg getradet, keinen Ersatz geholt und stattdessen mehrere Tight Ends im Draft ausgewählt hatte. Würde in einem anderen Personnel-Grouping-Ansatz vielleicht ein Weg liegen, um das Passspiel anders aufzuziehen?

Baltimore Ravens: Wie lief die Wiederauflage gegen Miami?

Das Auftaktspiel gegen die Jets bot noch vergleichsweise wenige echte Anhaltspunkte. Die Jets verteidigten den Run überraschend stark, und Baltimore hatte zwar keinen wirklich konstanten Rhythmus durch die Luft, fand aber genügend Big Plays auf dem Weg zu einem ungefährdeten Sieg. Umso gespannter war ich auf das Duell mit den Dolphins.

Lange Zeit schien es tatsächlich so, als wäre das die zentrale Storyline hier: Baltimore konnte - erneut - den Ball nicht laufen, und Jackson prägte das Spiel durch die Luft. Die Big Plays im Passspiel waren es, die gegen die Jets für die Entscheidung sorgten, und während in Week 1 noch die konstante Production gefehlt hatte, fing er gegen die Dolphins eindrucksvoll an. Jackson hatte mehrere Wow-Würfe schon in der ersten Hälfte, er war durch die Luft kaum mal Off-Target, und: Die Ravens hatten die Antworten gegen den Blitz, die man erhofft hatte.

Denn Miami testete die Ravens in dieser Hinsicht früh. Die Dolphins blitzten viel zu Beginn, doch Baltimore bestrafte Miami mehrfach. Jackson fand früh bei einem Third Down Bateman als Hot-Read gegen einen Blitz, als der Defensive Back gegenüber von Bateman blitzte - und dann direkt nach dem Ausgleich der Dolphins die deutlichste Antwort überhaupt: Ein 75-Yard-Touchdown gegen Miamis Cover-0-Blitz, bei dem die Ravens mit der Pre-Snap-Motion die Seite freiräumten und dann Bateman eindrucksvoll sein Eins-gegen-Eins-Duell gewann.

Dolphins drehen ein verrücktes Spiel

Jackson hatte ein sehr gutes Spiel, auch wenn er spät im Spiel beinahe einen Pick-Six geworfen hätte. Ein sehr gutes Spiel, obwohl die Ravens den Ball am Boden nicht wirklich bewegen konnten. Das klappte lediglich durch Jackson selbst, der mit einem 79-Yard-Touchdown-Run zum Ende des dritten Viertels den Deckel auf die Partie machte: Ein designter QB-Power-Run, bei dem die Dolphins keine Hand an Jackson brachten.

Dieses Spiel hätte durch sein müssen - doch das war es nicht. Weil die Ravens weiterhin den Ball nicht laufen können, wie schon gegen die Jets. Weil die Ravens das Spiel so nicht weg verwalten konnten, und weil Miami diesen Game-Breaking-Speed hat, war dieses Spiel nie komplett durch. Es war eindrucksvoll zu sehen, was für einen massiven Vorteil Miami mit seinen Speedstern Tyreek Hill und Jaylen Waddle hat.

Direkt beim Drive nach der ersten Tua-Interception war ein langer Run-after-Catch von Waddle der Dosenöffner, Miami kann das Feld in wenigen Plays runter marschieren, ohne dass der Quarterback oder selbst das Run Game sonderlich gut funktionieren.

Auch Tyreek Hill hatte früh Plays nach dem Catch, vor allem aber war es dann spät im Spiel Hill, der diese Partie kippen ließ: Der erste lange Touchdown zu Hill war ein Underthrow von Tagovailoa, sodass Cornerback Marcus Peters beinahe noch ins Play gekommen wäre. Der zweite war ein Coverage-Bust, den Tagovailoa gut erkannte - und das Spiel kippte, weil die Ravens keine langen Drives mehr hinlegen konnten, während die Dolphins eine immer wackeligere Defense jetzt mehrfach mit Big Plays erwischten.

Dolphins: Deshalb tradet man für Tyreek Hill

Dieses Spiel ist genau der Grund, warum man für Hill tradet und ihn mit Waddle kombiniert. Tagovailoa beendete dieses Spiel mit 469 Yards und sechs (!) Touchdowns, und früh in der zweiten Hälfte hatte ich angefangen, erste Absätze zu formulieren, welche die Limitierungen in Miamis Offense wegen Tua unterstrichen.

Und nicht, dass das falsch rüberkommt: Baltimores Defense hatte erneut Personal-Probleme auf Cornerback, und Tuas Limitierungen waren sichtbar. Der Mangel an Armstärke, der dafür sorgt, dass Tua nicht zu spät sein darf. Dass er weniger enge Fenster treffen wird als andere Quarterbacks. Dass es mit ihm Dinge gibt, um die eine Offense immer herum navigieren muss. All das war sichtbar und gehört zur Konversation rund um dieses Spiel, auch wenn das übergreifende Narrativ natürlich anders aussehen wird. Hier geht es nicht darum, Dolphins-Fans diesen Sieg madig zu machen, einzig um eine komplette Evaluation.

Dazu gehört auch: Tagovailoa machte unbestreitbar Plays spät im Spiel. Der Touchdown früh im vierten Viertel, bei dem er exzellent kreierte, etwa. Dieses spektakuläre Comeback wird ihm etwas Luft in der Öffentlichkeit verschaffen, auch wenn es eine absolute Achterbahnfahrt von einem Spiel für ihn war. Selbst wenn die finalen Stats und der Sieg vieles davon vergessen lassen.

Wenn man Tua irgendwann aufgibt, dann, weil man nicht denkt, dass er in puncto Accuracy, Reads, Spielverständnis und Pocket-Verhalten so ein Elite-Level erreichen kann, dass es ihm erlaubt, trotz seiner Limitierungen eine Offense auf hohem Level zu tragen. Weil man nicht denkt, dass er eine Armstärke wie andere Game Manager entwickeln kann und so die Offense mit ihm immer um Limitierungen herum arbeiten muss.

Aber dieses Comeback wird Tuas Leine verlängern. Mein zentraler Takeaway aus Sicht der Dolphins ist: Diese Offense ist extrem unangenehm zu verteidigen. Selbst mit einem Quarterback mit Limitierungen.