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Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 1 in der NFL

SPOX blickt zurück auf Woche 1 in der NFL.
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2. Trey Lance und das Problem mit dem Druck

Das war eine der spannendsten Fragen in Week 1: Wie würde die Offense der 49ers aussehen, nachdem Trey Lance eine gesamte Offseason als Starter hatte, und nachdem Kyle Shanahan an allen Stellschrauben drehen konnte, an denen man so drehen muss, wenn man versucht, den Übergang von Jimmy Garoppolo zu Trey Lance auch strukturell hinzubekommen.

Umso mehr, wenn es sich um eine Offense wie die von Shanahan handelt. Garoppolo führte die Liga 2021 in Yards nach dem Catch pro Completion an, 2020 belegte Nick Mullens für die Niners den dritten Platz und 2019 war es ebenfalls Garoppolo, der mit Abstand Platz 1 belegte.

Shanahans Offense in ihrer Grundform lebt davon, dass der Quarterback den Ball konstant präzise gerade auch über die Mitte des Feldes verteilt und Receivern Yards-after-Catch-Gelegenheiten gibt. So kommen nicht nur Big Plays zustande, so entsteht auch, gemeinsam mit dem Run Game, die Baseline der Offense.

Mit einem Quarterback wie Lance muss man diese Überlegungen fast auf den Kopf stellen. Nicht nur muss Shanahan sein Run Game anpassen und mit Option-Elementen - und damit auch mit mehr Shotgun- und Pistol-Formationen - versehen, sondern er kann auch nicht davon ausgehen, dass Lance den Ball mit der gleichen Konstanz und Sicherheit schon verteilt wie Garoppolo. Dafür öffnen seine Athletik in Kombination mit dem Armtalent Optionen im vertikalen Passspiel, die so mit Garoppolo nie da waren.

Umso stärker wurde dieses erste Lance-Spiel als Starter antizipiert, weil es auch nicht viele vergleichbare Situationen unter Shanahan gab. Robert Griffin III wäre am ehesten ein Beispiel dafür, doch das ist zehn Jahre her und kam in einer Phase, in der Offenses zumindest auf dem NFL-Level Defenses mit dem Zone Read auf dem falschen Fuß erwischten. Griffin war der perfekte Quarterback dafür, und er warf den Ball in seiner Rookie-Saison im Schnitt ein knappes Yard tiefer als Garoppolo im Vorjahr, und er warf 9,2 Prozent seiner Pässe tief, für 559 Yards, sieben Touchdowns und nur eine Interception. Garoppolo in der vergangenen Saison? 7,5 Prozent seiner Pässe tief für 392 Yards, drei Touchdowns und drei Picks.

49ers: Trey Lance wird noch Zeit brauchen

Dieses Spiel war - auch aufgrund schwieriger Umstände durch den Regen - noch weit davon entfernt, uns übergreifende Erkenntnisse über Shanahans Offense für Lance oder über Lance selbst zu geben, außer in einer Hinsicht: Lance wird noch Zeit brauchen.

Ein paar Anzeichen gab es selbstredend, wie diese Offense aussehen könnte: Jede Menge Jet Motion, Tap Passes, simple Yards. Shotgun Zone Reads und Option Plays waren genauso Teil der Offense wie Quarterback-Draws, der designte QB-Run bei Third-and-13 Mitte des zweiten Viertels war ein Paradebeispiel dafür. In Flashes waren die Shot Plays zu sehen, einen sehenswerten Touch-Pass im mitunter strömenden Regen von Chicago hatte ich mir notiert, Anfang des zweiten Viertels. Und es waren die Run-Elemente drin, die wir von Shanahan kennen, inklusive einer ordentlichen Dosis von Deebo Samuel am Boden.

Und Lance hatte die erwarteten Hochs und Tiefs. Der Drive Mitte des ersten Viertels endete, weil Lance nach einem Heavy-Play-Action-Pass seinen Receiver vertikal überwarf. Er verfehlte mehrere offene Receiver, er war inkonstant in seinem Pocket-Verhalten.

Die Interception Mitte des vierten Viertels, als San Francisco mit einem Touchdown-Drive die Führung wieder hätte übernehmen können, war sinnbildlich: Bears-Safety Eddie Jackson rotierte schon sehr früh im Play nach vorne und war offensichtlich der Robber-Safety Underneath. Lance antizipierte dennoch nicht, dass er bis in sein Passfenster kommen könnte und warf den Ball direkt in die Arme des Safeties. Statt Niners-Führung marschierte Chicago prompt das Feld runter und fand die Endzone, um seine Führung auszubauen.

Dass es diese Momente geben würde, war immer klar. Lance hat 2020 und 2021 kaum gespielt, gewisse Anpassungen was Game-Speed, Komplexität der Defenses und viele andere Punkte angeht, waren unvermeidbar. Und die Niners insgesamt als Team wirkten sloppy, hatten Strafen und zu viele vermeidbare Fehler.

Wird es in San Francisco irgendwann unruhig?

Dennoch steht außer Frage, dass die Niners signifikant mehr Talent auf dem Feld hatten als die Bears am Sonntag. Und dass Lance in der klar besseren Situation ist als sein Gegenüber Justin Fields. Doch Lance hätte im zunehmend unangenehmen Wetter in Chicago beinahe noch einen Pick im Schlussviertel geworfen, und auch wenn ich nicht denke, dass die Verantwortlichen in San Francisco in irgendeine Art von Panik verfallen. Die vergangene Saison hat eindrucksvoll untermauert, wie geduldig die Niners an einem Plan festhalten.

Aber wir alle wissen, dass das zwar der wichtigste Teil, aber nur ein Teil der Gleichung ist. Und genau das ist das Risiko, das die Niners in Kauf genommen haben, als sie Jimmy Garoppolo als Backup gehalten haben. Das erste Spiel war nicht gut, der Druck auf Trey Lance vor dem nächsten Spiel wird nicht kleiner. Und das nicht nur medial und von den Fans, diese Dinge kann man ausblenden. Auch intern wird man diese Situation beobachten müssen.

Ich denke absolut, dass sich der Trainerstab komplett Lance verschrieben hat und sehr viel Geduld hier mitbringen wird, die auch nötig sein wird. Doch nachdem dieses Team im Vorjahr im Championship Game war und mit klaren Playoff-Ambitionen in die Saison gegangen ist, wiegt es bei Niederlagen insbesondere als Favorit schwerer, dass der Quarterback, mit dem man so viele Spiele gewonnen hat, nach wie vor im Locker Room ist.

Das kann auch in einem sehr gut geführten Team irgendwann zu Unruhe führen. Und bei allem Respekt vor dem, was Chicago in Week 1 gezeigt hat, und es war ein ermutigender Auftritt der Bears: Es werden noch schwierigere Gegner auf die Niners zukommen.