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Mailbag nach Week 1: Welche Week-1-Overreactions sind echte Alarmsignale?

SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet eure Fragen nach dem ersten Spieltag.
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Mailbag: Bei welchem Team läuten die Alarmglocken?

Moritz: Bei welchen Teams sollten die Alarmglocken läuten?

Die Cowboys haben wir mittlerweile zur Genüge behandelt, sie sind die offensichtliche Wahl hier, und auch der drastischste Fall. Alle anderen Teams, die ich gleich aufliste und die mit gewissen Ambitionen in die Saison gegangen sind, haben eine Chance, den fiesen Week-1-Geschmack aus dem Mund zu bekommen, in den meisten Fällen weil sie ihren Quarterback haben. Das ist in Dallas bekanntermaßen nicht mehr der Fall und es wird diese Saison zu einer sehr schwierigen für Cowboys-Fans machen.

Außerhalb von Dallas sehe ich dementsprechend auch kein Team, das nach Woche 1 die Segel streichen muss oder das so desolat daherkommt, dass man anfängt, Draft-Prospects zu studieren. Es sind eher Mannschaftsteile, über die wir bei einigen Teams dringend sprechen müssen und wo Teams auch ernsthaft über mögliche Verstärkungen noch nachdenken sollten, wenn sie ihre Ziele in dieser Saison erreichen wollen:

  • Los Angeles Rams - Offensive Line: Was die Bills bereits am Donnerstagabend mit der Rams-Offense machten, ohne dass sie Matt Stafford blitzen mussten, war schon beachtlich. Und sicher, nicht jedes Team hat eine Defensive Line dieser Qualität, doch die Probleme in der Line der Rams waren groß genug, dass man sie im Auge behalten muss. Wenn Los Angeles nach den Abgängen der Offseason eine signifikant schlechtere Line als im Vorjahr hat, wenn in der Folge die so starken Empty-Konzepte nicht mehr im gleichen Maße funktionieren und man anfälliger gegen den Blitz wird, und wenn McVay den Ball nicht laufen kann, dann wird es für die Rams schwer, nochmals einen Playoff-Run hinzulegen.
  • Arizona Cardinals - Cornerback: Arizonas Starting-Cornerback-Gruppe sollte eigentlich ganz anders aussehen. Der tragische Tod von Jeff Gladney zwang das Team zu einem sportlichen Umdenken, und nachdem Antonio Hamilton den zweiten Startplatz im Camp erobert hatte, verbrannte er sich bei einem Kochunfall so schwer die Füße, dass er die ersten vier Spiele der Saison verpassen wird. Nichtsdestotrotz ist Arizona hier mit offensichtlichen Fragezeichen in die Saison gegangen und zahlte gegen KC einen ersten Preis dafür. Selbst mit Hamilton und dem aktuell ebenfalls verletzten Neuzugang Trayvon Mullen irgendwann zurück sind hier außerhalb von Byron Murphy zu viele potenzielle Schwachstellen, und das ist in Kombination mit einem fragwürdigen Pass-Rush keine gute Formel.
  • Tennessee Titans - Offensive Line: Dass der AFC-Nummer-1-Seed des Vorjahres mit dem Trade von A.J. Brown offensiv zumindest eine Art Umbruch in Kauf nimmt, war klar - fast ein wenig in den Hintergrund trat dabei die Tatsache, dass Tennessee mehrere Vorjahres-Starter in der Offensive Line verloren hat. Für ein Team, das davon lebt, den Ball laufen zu können, ist das ein ziemlich großes Problem; umso mehr, wenn Defenses die Receiver nicht fürchten und die Box zustellen. Die Giants hatten wenige Probleme damit, das Run Game um Derrick Henry über weite Teile der Partie zu kontrollieren, und Tennessee ist nicht das Team, das dann ein ausgeklügeltes Kurzpassspiel aufzieht, um das zu kompensieren.
  • Indianapolis Colts - Offensiver Speed: Die Colts haben seit nunmehr neun Jahren kein Auftaktspiel mehr gewonnen, insofern dürfte sich die Überraschung bei Fans in Indianapolis in Grenzen gehalten haben, dass es gegen Houston nur zu einem Unentschieden reichte. Ich fand hier generell auffällig, wie viele Fehler die Colts sich leisteten: Drops, Matt Ryans Interception bei einem Screen Pass, ein 42-Yard-Field-Goal-Fehlschuss in Overtime - Indianapolis kam nach deutlichem Rückstand zurück und hätte dieses Spiel gewinnen können. Aber ich bleibe dabei, dass den Colts offensiver Breakaway-Speed fehlt. Ich weiß, dass das nicht die Art und Weise ist, wie Frank Reich seine Offense zusammengebaut hat, aber dieses Element, dieses Big-Play-Potenzial könnte auch ein sloppy Spiel wie das in Week 1 anders gestalten.
  • Cincinnati Bengals - Offensive Line: Natürlich wird es nicht jede Woche gegen die Steelers-Front gehen, und ich stimme nicht dafür, dass die Bengals jetzt direkt einen Trade für einen Top-O-Liner in die Wege leiten. Hier geht es in erster Linie darum, dass die Line besser zusammenwächst - und dann muss man sich fragen, ob noch ein Upgrade her muss. Sieben Sacks gegen die Steelers und laut ESPN eine Pass-Block-Win-Rate von 56,3 Prozent sind noch nicht gut genug.

Ferdinand K: Was war mit Mike Williams los? Krasser Outlier, oder passt er nicht zum Chargers-Playbook?

Er sollte eigentlich sehr gut in diese Offense passen. Als Big-Body-Downfield-Receiver, aber auch für In-Breaking-Routes 13, 14, 15 Yards tief, um mit seinem großen Frame Bälle abzuschirmen und für Big Plays zu sorgen, gerade in Kombination mit dem Play-Action-Passspiel, das für ein derart Run-freudiges Team eine kritische Komponente sein sollte.

Allein - diese Würfe fanden kaum statt. Williams ist kein universell einsetzbarer Receiver, das ist bekannt. Aber seine Rolle in der Offense sollte sehr klar definiert sein und auch Value haben. Gegen die Raiders war der offensive Gameplan der Chargers, sagen wir, gewohnt konservativ.

Herbert war der einzige Quarterback in Week 1, der den Ball im Schnitt weniger als 7,5 Air-Yards tief warf, und trotzdem über 17 Prozent seiner Pässe in enge Fenster warf. Zum Vergleich: Josh Allen verteilte den Ball ebenfalls viel kurz, warf aber nicht einmal zehn Prozent seiner Pässe in enge Fenster.

Ich hatte letzte Saison bereits mehrfach darüber geschrieben, dass ich strukturell kein Fan von der Chargers-Offense bin, und sie für zu starr und zu eindimensional, bisweilen fast dogmatisch halte. Das erste Spiel war für meinen Geschmack zu viel Altbekanntes von Joe Lombardi.

Sehr Run-lastig bei Early Down, viel Ball-kontrollierende Offense im Passspiel, viel Fokus auf das Kurzpassspiel. Und das kann, wenn alle Rädchen ineinander greifen, sehr gut aussehen und auch funktionieren. Aber der Spielraum für Fehler ist klein, und die Chargers kommen nach wie vor zu häufig an den Punkt, an dem sie Herberts Ausnahme-Arm brauchen, statt dass sie ihn als Kirsche auf der Sahne obendrauf packen, wie man das bei den Chiefs etwa beobachten kann.

Und das Spiel gegen die Raiders war ein ideales Beispiel dafür. Wenn die Defense so stark spielt, wenn der gegnerische Quarterback drei Interceptions wirft, dann sollte am Ende für ein Team mit den Ansprüchen der Chargers kein Zittersieg dabei raus springen.

Doch genau das passiert mit dieser Art, Offense zu spielen, sodass ich sehr gespannt bin, ob sich die Chargers noch weiter anpassen im Laufe des Jahres. Oder ob das einfach die Lombardi-Offense ist, und damit müssen wir jetzt leben und arbeiten.

Tim Müller, Andy, Fabian Schaetzke: Was war für dich die größte positive und negative Überraschung am ersten Spieltag?

Die Lebenszeichen bei den Giants und Falcons waren mit dabei, auch wenn Atlanta am Ende dann doch komplett einknickte. Aber über weite Teile des Spiels waren die Falcons gegen die Saints das physischere Team, und das ist etwas, das ich absolut nicht erwartet hatte. Die Falcons bereiteten New Orleans an der Line of Scrimmage Probleme, und ich bin gespannt, ob das noch ein Thema für die weitere Saints-Saison sein wird. Aber auch die Offense deutete ihr Potenzial an.

Die Giants taten sich lange schwer gegen die Titans, aber sie kamen ins Spiel zurück und das auf dem Rücken von Saquon Barkley, der eine Vintage-Barkley-Leistung ablieferte. Beides hatte ich so nicht erwartet und gerade für Barkley darf es einen umso mehr freuen. Und, in der gleichen Division: Washingtons Offense in mehrerlei Hinsicht war eine positive Überraschung. Jahan Dotson sah richtig gut aus, das Passspiel insgesamt war besser als gedacht.

Das gilt auch für Geno Smith und die Seahawks, zumindest in Halbzeit 1. Es würde mich nicht wundern, wenn das schon ziemlich das Maximum von dem war, was wir von der Seahawks-Offense erwarten können. Aber das war ein sehr guter Auftritt in puncto Game Plan, Play-Calling, aber auch Smith individuell - ehe Denver dann in der zweiten Hälfte sehr klar die Tür zuschlug.

Auf der negativen Seite haben wir die meisten Themen mittlerweile besprochen. Von der Rams-Offense hatte ich deutlich mehr erwartet, von San Francisco als Team ebenfalls. Die Defense der Packers hatte - und habe - ich sehr hoch auf dem Zettel und hätte mir gerade in diesem Matchup gegen Justin Jefferson und die Vikings mehr Flexibilität im Gameplan gewünscht. Auch von den Colts hätte ich mir defensiv schon eine bessere Abstimmung und offensiv einen stabileren Floor gewünscht, da aber habe ich für den Moment noch relativ wenige Zweifel, dass das kommen wird.

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