NFL

NFL: Lamar Jackson und seine schwierige Vertragssituation bei den Baltimore Ravens

Lamar Jackson ist sein eigener Agent.
© getty

Lamar Jackson geht in sein letztes Vertragsjahr bei den Baltimore Ravens und hat noch immer keinen neuen Vertrag unterschrieben. Erschwerend hinzu kommt, dass Verhandlungen aufgrund seiner speziellen Umstände ungewöhnlich verlaufen.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Das Liga-Jahr 2022 beginnt in wenigen Tagen, genau genommen am 16. März. Voraussichtlich wird Quarterback Lamar Jackson dann immer noch keinen neuen Vertrag bei den Baltimore Ravens unterschrieben haben. Damit würde er ins letzte Jahr seines Rookie-Vertrags gehen.

Keine allzu verlockende Perspektive - und zwar für beide Seiten. Natürlich können sich beide Seiten ohne zeitliche Einschränkung auch noch im Laufe des Sommers oder sogar während der anstehenden Saison einigen, doch ansonsten würde dieser laufende Deal tatsächlich im kommenden Frühjahr enden. Und ein Franchise-Quarterback mit auslaufendem Vertrag ist für kein Team ein Wunschszenario.

Die jüngere Vergangenheit hat gezeigt, dass Teams gut daran tun, schon frühzeitig Klarheit zu schaffen, wenn sie mal ihren QB der Zukunft gefunden haben. Die Kansas City Chiefs etwa verlängerten mit Patrick Mahomes, den sie im Draft 2017 gezogen hatten, bei erster Gelegenheit, also nach drei Jahren in der NFL im Sommer 2020. Die Buffalo Bills taten das Gleiche ein Jahr später und auch die Houston Texans schafften es, Deshaun Watson noch vor dessen vierter Saison im September 2020 langfristig zu binden - wenn auch diese Beziehung kurz darauf gehörig den Bach runter ging.

Doch all diese Teams hatten einen Franchise-QB gefunden und verschwendeten keine Zeit, jenen auch langfristig zu binden. Dass das teuer ist, sollte klar sein - es ist die mit Abstand wichtigste Position im Football. Mahomes verdient im Schnitt 45 Millionen Dollar, Allen 43 Millionen und Watson 39 Millionen.

Lamar Jackson: Cousins und Prescott als warnende Beispiele

Was passiert, wenn man dagegen zu lange wartet und es tatsächlich auf eine Situation ankommen lässt, in der ein Star-QB sein finales Jahr Vertragsjahr erreicht und dieses dann auch zu Ende bringt, zeigen die Situationen der Dallas Cowboys oder in Washington, wo man es nicht schaffte, rechtzeitig mit Dak Prescott respektive Kirk Cousins zu verlängern.

Cousins wurde zweimal per Franchise Tag gehalten, ehe er 2018 ohne Kompensation zu den Minnesota Vikings abwanderte. Und Prescott erhielt ebenfalls den (exklusiven) Franchise Tag im Jahr 2020, was die Franchise mehr als 31 Millionen Dollar für ein Jahr kostete.

Das mag aus heutiger Sicht ein akzeptabler Preis sein, er war jedoch 2020 noch ziemlich hoch. Problematischer jedoch war das Timing dieser Geschichte. Denn dadurch, dass man sich - ebenfalls nach einem Franchise Tag - erst im Jahr 2021 auf einen neuen Deal einigte, hatte die Konkurrenz schon mehrere Präzedenzfälle für Franchise-QB-Gehälter geschaffen. Der Markt war deutlich aufgebläht im Vergleich zu den vorherigen Jahren, als die Cowboys lieber teure Verträge an Edge-Verteidiger DeMarcus Lawrence (105 Millionen Dollar über 5 Jahre) und Running Back Zeke Elliott (90 Millionen Dollar über 6 Jahre) verteilten. Letzterer macht der Franchise auch heute noch zu schaffen.

Und so hatte Prescott 2021 alle Trümpfe auf der Hand und bekam ebenfalls einen Deal mit durchschnittlich 40 Millionen Dollar Jahresgehalt (160 Millionen über 4 Jahre). Vermutlich hätten die Cowboys diese Schwelle vermieden, wenn sie früher gehandelt hätten.

Und das bringt uns zurück zu Lamar Jackson, dessen Situation allerdings noch ein wenig komplizierter daherkommt als die von Prescott und den anderen. Jackson nämlich verzichtet auf einen Agenten und vertritt sich in Verhandlungen mit den Ravens selbst. Er spart damit eine Provision in Höhe von maximal 3 Prozent seines jährlichen Gehalts ein. Doch muss er damit eben auch all das machen, was ein Agent einem Spieler normalerweise vom Hals hält.

Lamar Jackson: Verhandlungen auf schmalem Grat

"Der Agent ist so etwas wie ein Puffer. Nichts für ungut, aber das ist es, was man als Agent macht", erklärte der frühere NFL-Front-Office-Mitarbeiter Marc Ross (heute beim NFL Network tätig) gegenüber The Athletic: "Ich war in Verhandlungen mit Agenten, wenn man bestimmte Dinge sagt und den Agenten auch mal anschreit. Und zehn Minuten später sagst du: 'Okay, lass uns eine Lösung finden.' Mit einem Spieler in der Verhandlung sehe ich allerdings keinen Weg, wie das funktionieren soll."

Speziell sei es ein schmaler Grat, ernsthaft über einen Vertrag und dessen Inhalte zu diskutieren, dabei aber nicht die Gefühle des Spielers zu verletzen. Wie bleibt man zu jeder Zeit professionell und wird nicht persönlich - oder erweckt zumindest den Eindruck, dass es nicht persönlich wird? Wenn sich ein General Manager und ein Agent in die Haare kriegen, scheint es der Normalzustand zu sein. Und ein solcher Konflikt hat auch nicht unbedingt langfristige Konsequenzen, zumal sich beide Seiten ohnehin nur alle paar Jahre wirklich miteinander befassen müssen. Mit einem Spieler jedoch hat ein GM mitunter täglich zu tun, zumindest während einer Saison, die bekanntlich circa ein halbes Jahr geht.

Wie also läuft die Kommunikation zwischen Jackson und den Ravens und dort speziell mit GM Eric DeCosta? Letzterer gab zwar zu, dass die Verhandlungen "ungewöhnlich" seien und nach "Lamars Tempo" verlaufen, Jackson jedoch der Richtige für die Ravens ist.

Am Rande der NFL Combine in Indianapolis sprach DeCosta dann etwas ausführlicher über die Situation: "Ich hoffe, dass wir irgendwann eine Verlängerung erzielen werden. Wir haben das schon häufiger besprochen und ich habe auch schon früher gesagt, dass wir uns nach Lamar richten. Wir beide haben eine fortlaufende Diskussion miteinander und wir haben erst kürzlich gesprochen. Er weiß, wo ich zu finden bin und umgekehrt." Man habe zudem eine "großartige Beziehung zueinander", betonte DeCosta.

In der Offseason 2021 hatte es bereits nach einer Verlängerung mit Jackson ausgesehen, passiert ist dann allerdings nichts. Entsprechend bleibt dieses Thema bestehen und könnte sich durch den Sommer und die kommende Saison ziehen. Offiziell kein Problem für die Ravens: "Wir sind bereit, für Lamar da zu sein, wann immer er sich dazu entschließt, wirklich an einer Vertragsverlängerung zu arbeiten", sagte DeCosta.

Lamar Jackson: LeBron James als großes Vorbild

Das bedeutet aber auch, dass Jackson dazu aktuell noch nicht bereit ist. Doch was genau hält ihn auf? Wenn die Vorsaison eines deutlich gemacht hat, dann, dass die NFL sehr kurzlebig ist. Von einem Moment auf den nächsten kann eine Saison für einen Spieler vorbei sein - die Ravens hatten zahlreiche Verletzte und selbst Jackson verpasste unterm Strich fast sechs Spiele mit einer Fußverletzung und einer wiederholten Corona-Infektion. Das Risiko, sich erneut zu verletzen und womöglich seine Zukunft zu gefährden, ist für jeden Spieler gegeben. Und gerade ein Spieler wie Jackson, der viel selbst mit dem Ball läuft, steht besonders im Visier jedes Verteidigers.

Außerdem betonte Jackson immer wieder, dass für ihn Football im Vordergrund steht. Sprich: Während der Saison wird er kaum die Zeit haben, sich über einen neuen Vertrag Gedanken zu machen.

Und er will unbedingt Erfolg haben. Selbst nach seiner MVP-Saison im zweiten Jahr in der NFL sieht er sich noch nicht vollends anerkannt in der Liga. In der YouTube-Show "The Shop" sprach er jüngst von immer noch vorherrschenden Vorurteilen gegen schwarze Quarterbacks. Jackson sagte: "Sie sterben langsam aus, aber sie sind immer noch vorhanden." Und daher "brauche ich eine Meisterschaft".

Jackson gab zu, immer noch daran zu knabbern, dass ihm Kritiker und Scouts im Pre-Draft-Prozess nahegelegt hatten, doch als Wide Receiver an Workouts teilzunehmen, denn er "war kein echter Quarterback", wie sich Jackson erinnerte. Das treibe ihn an, genauso wie sein Vorbild LeBron James aus der NBA, von dem er sich zwei Dinge abguckt: "Ein Meister zu sein und ein Milliardär zu sein. Das ist das, worüber ich nachgedacht habe, seit ich ein kleiner Junge war."

Letzteres könnte dann auch der Grund sein, warum er noch nicht verlängert hat. Jackson befindet sich als Quarterback in der beneidenswerten Position, einen Monstervertrag legitim verlangen zu können. Und der Vorteil des Wartens, speziell in diesem Jahr, besteht darin, dass sein Preis in kürzester Zeit noch deutlich steigen könnte.

Lamar Jackson ist sein eigener Agent.
© getty
Lamar Jackson ist sein eigener Agent.

Lamar Jackson: Geduld ist gefragt

In der Liga stehen erneut ein paar enorme neue Verträge an. Vor kurzem wurde bekannt, dass Aaron Rodgers' neuer Deal in Green Bay mehr als 50 Millionen Dollar pro Jahr wert ist - auch wenn Rodgers und sein "Pressesprecher" Pat McAfee dies prompt dementierten. Doch je mehr QBs große Deals erhalten, desto besser stünde Jackson in einem Jahr da.

Zwar würden ihn die Ravens dann sicherlich per Franchise Tag vom freien Markt abhalten, doch dürfte jener Stand jetzt 34 Millionen Dollar wert sein - eher mehr, wenn ein Rodgers tatsächlich neue Maßstäbe setzt.

Aus Ravens-Sicht wäre es jedoch generell von Vorteil, so schnell wie möglich mit Jackson zu verlängern, denn die Erfahrung (Dak) zeigt, dass ein Quarterback von Jahr zu Jahr teurer wird. Und auch kurzfristig wäre ein neuer Deal für Jackson hilfreich, denn aktuell würde er mit einem garantierten Jahresgehalt von 23 Millionen Dollar in die Saison gehen - der effektive Cap Space (Cap Space mit mindestens 51 Spielern im Kader) Baltimores liegt aktuell bei 15,6 Million Dollar. Eine Verlängerung würde damit auch mehr Cap Space bedeuten, also auch mehr Spielraum, um diverse Lücken im Kader zu schließen.

Die Gefahr für die Ravens bei einer Verlängerung liegt allerdings auch auf der Hand: Was, wenn sich Jackson tatsächlich aufgrund seiner Spielweise schwerer verletzt? Doch das ist ein Risiko, das eine Franchise, die Erfolg will, wohl in Kauf nehmen muss. Sie haben ihre Offense komplett auf Jackson ausgerichtet, entsprechend ist ihre größte Chance auf Erfolg, Jackson noch sehr lange in ihren Reihen zu halten - wenn und wann er das will.

Lamar Jackson: Statistik in der NFL

SaisonSpielePassing YardsTouchdownsInterceptionsRushing YardsRushing TDQBR
201816120163695542,6
20191531274661206783,0
20201527572691005767,3
20211228821613767250,7
Artikel und Videos zum Thema