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Ranking: Etienne, Harris, Williams - so gut ist die Running-Back-Klasse im Draft

SPOX stellt euch die Top-Running-Backs im kommenden Draft vor.
© getty

Ganz mithalten kann die diesjährige Running-Back-Klasse im Draft mit den Wide Receivern nicht - und doch gibt es spannende Spieler in ganz unterschiedlicher Hinsicht. Könnte Najee Harris, Alabamas 3-Down-Back, in Runde 1 gehen? Oder vielleicht der Big-Play-Runner Travis Etienne? NFL-Redakteur Adrian Franke hat 18 Running Backs für den diesjährigen Draft analysiert und präsentiert seine Top 10.

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Der Umgang mit der Running-Back-Position im Kontext der Pre-Draft-Analyse erlaubt meist auch einen kleinen Blick in die generelle Football-Sichtweise des jeweiligen Analysten.

Auch ohne diese Debatte an diesem Punkt führen zu wollen - das wurde hier über die letzten zwei Jahre häufig genug gemacht - ist mein Standpunkt relativ klar: Running Backs sind nicht beliebig austauschbar, doch der Unterschied innerhalb der Position ist - auf einen entsprechend größeren Zeitraum betrachtet - vergleichsweise gering. Dafür gibt es inzwischen mehr als genügend tiefgreifende Datenanalysen.

Das gerne als provozierender Slogan verwendete "Running Backs don't matter" würde ich hier dementsprechend auch zurückweisen und durch mehr Nuancen ersetzen: Wenn man davon redet, welche Positionen den Gesamt-Output der Offense beeinflussen, kommen die Running Backs erst relativ spät; vor allem aber ist in dieser Rechnung der Unterschied zwischen der Spitze und dem unteren Mittelfeld auf der Running-Back-Position so gering, dass es sich nicht lohnt, hohe Ressourcen in die Position zu stecken.

Das ist der maßgebliche Unterschied zu Quarterbacks, Wide Receivern oder auch Tackles: Hier macht es einen gewaltigen Unterschied, ob man den Nummer-5- oder den Nummer-23-Receiver hat. Bei den Running Backs eher nicht.

All diese Punkte gehören in die "Positional Value"-Debatte, also Diskussionen darüber, wie "wertvoll" eine spezifische Position ist - und wie viele Ressourcen (Cap Hit, Draft-Value) man im Umkehrschluss in diese Position stecken sollte. Könnten die Pittsburgh Steelers etwa ihr Run Game wiederbeleben, indem sie den besten Back des Drafts in Runde 1 draften? Ziemlich sicher nicht. Ein Fokus auf die Offensive Line und ein Running Back spät im Draft wäre hier wohl deutlich erfolgsversprechender.

Auf meinem Big Board wird es dementsprechend schwer für einen Running Back sein, eine Erstrunden-Empfehlung zu erhalten; diesen Value sehe ich schlicht bei quasi keinem Back mehr. Das allerdings bedeutet nicht, dass es keine Backs gibt, die ab Tag 2 und dann in Tag 3 des Drafts Value mitbringen und einen Impact haben können. Insbesondere, wenn diese Backs zusätzlich eine ausgeprägte Rolle im Passspiel einnehmen können oder auch wenn sie außergewöhnliches Big-Play-Potenzial mitbringen.

Patterson, Hubbard - Williams: Wer ist nicht im Ranking?

Auch der diesjährige Draft bietet einige exzellente Beispiele für den Gedanken, dass man produktive Backs auch an Tag 3 findet, solange ein Scheme-Fit gegeben ist. Buffalos Jaret Patterson wäre so ein Beispiel, ein exzellenter Zone-Runner, der mit glänzender Vision punktet, unheimlich konstant den richtigen Read setzt und damit positiven Run an positiven Run reiht. Die Vision kombiniert mit einer soliden Agilität und Beschleunigung würde es ihm auch ohne Elite-Tools erlauben, in einer Outside-Zone-Offense durchaus produktiv zu sein.

Patterson wäre bei mir ab Mitte des dritten Draft-Tages auf der Liste, genau wie Chuba Hubbard von Oklahoma State. Ein unheimlich kontrollierter Runner, der absolut versteht, wo er wann sein muss und mit einem guten Timing spielt. Hubbard fehlt es aber an Speed, an Agilität und an Quickness, was ihn doch deutlich limitiert.

Ein Spieler, der es nicht in meine Top 10 geschafft hat, über den man aber unweigerlich stolpert, ist Rhamondre Stevenson. Das ist ein Back, auf den ich mir so gar keinen Reim bilden kann: Sieht aus wie LeGarrette Blount, spielt aber eher wie eine Mischung aus Kenyan Drake und Clyde Edwards-Helaire. Versucht, leichtfüßig durch enge Räume zu navigieren, statt mit Power zu spielen und für seine Statur ist er auch überraschend agil. Aber eben nicht auf einem Level, dass ihn das tragen würde und Speed sucht man schlicht vergeblich in seinem Spiel.

Diese Art Running Back ist dann für mich tatsächlich nahezu komplett austauschbar - deutlich spannender finde ich, gerade wenn wir in den dritten Draft-Tag kommen, Backs wie Pooka Williams von Kansas. Ein Back, den man kaum greifen kann; unheimlich agil, schnelle Füße, beschleunigt blitzartig und lässt Verteidiger regelmäßig auf engstem Raum aussteigen. Sah auch im Passspiel mit mehreren schwierigen Catches exzellent aus.

Er ist extrem schmal und leicht und hat keinerlei Power in seinem Spiel, wird also bestenfalls ein Komplementär-Back oder ein Gadget-Spieler in der NFL. Aber das ist ein Back, der kreieren kann und der Value im Passspiel mitbringt; auf so einen Spieler würde ich ab Runde 5 stilistisch immer eher gehen als auf den All-Around-Durchschnitts-Back, den man vermutlich auch nach dem Draft oder im Sommer als Free Agent finden kann.

NFL Draft 2021: Das Running Back Ranking

10. Kene Nwangwu, Iowa State

Stärken:

  • Bevor hier die Mistgabeln rauskommen: Nwangwu ist Stand heute nicht der zehntbeste Running Back in diesem Draft. Aber wenn ich überlege, was ich an Tag 3 im Draft auf dieser Position suche, dann schaue ich auf Upside, auf Backs, die etwas Besonderes werden könnten - und idealerweise auf Special-Team-Value.
  • Vielleicht ist es also nur richtig, damit bei Nwangwu anzufangen - denn mit ihm draftet man vermutlich den besten, oder mindestens einen der zwei, drei besten Kick-Returner dieser Klasse: Nwangwu verlässt Iowa State mit dem Schulrekord für durchschnittliche Return-Länge (26,85 Yards bei 92 Returns) und ist die Nummer 3 in der Big-12-Geschichte mit 2.470 Kick-Return-Yards. Über die letzten beiden Jahre verzeichnete er fast 30 Yards pro Kick-Return. Wurde während seiner Zeit bei Iowa State in seiner Rolle als Returner unter anderem in das Second-Team-All-Big-12 gewählt und von PFF zum First Team Freshman All-American ausgezeichnet.
  • Und athletisch? Wenn wir nach den RAS-Werten gehen, die diese Tests vergleichbar darstellen, dann setzt sich Nwangwu an die Spitze dieser Running-Back-Klasse. Er ist ein Sprinter - lief die 100 Meter in der High School in 10,54 Sekunden - und lief beim Pro Day die 40 Yards über 4,32 Sekunden. Bei 210 Pfund Körpergewicht.
  • Diese Elite-Test-Werte in puncto Beschleunigung, Speed und Explosivität sieht man auf Tape. Wenn Nwangwu eine Lücke bekommt, ist er häufig weg und das nicht selten ohne dass ein Gegner nochmal ernsthaft die Hände an ihn bekommt. Er hat echten Game-Changing-Speed.
  • Bewegt sich fließend, hat einen hohen Grund-Playspeed. Richtungswechsel kommen ohne großen Geschwindigkeitsverlust, Agilität und Speed in der Kombination sind beeindruckend. Schickt Linebacker teilweise hinter der Line of Scrimmage in die falsche Gap und explodiert dann durch die Mitte.
  • Das fließt nicht in meine Bewertung mit ein, aber erwähnenswert scheint es: Coach Matt Campbell hat Nwangwu als "einen der größten Leader" bezeichnet und hinzugefügt: "Wie er vorangeht und was er für unser Team geleistet hat ist nichts anderes als außergewöhnlich." Wurde 2020 als Big-12-Scholar-Athlete des Jahres ausgezeichnet.

Schwächen:

  • Die offensichtlichen Punkte. Nwangwu hatte in keiner Saison mehr als die 61 Carries, die er letztes Jahr hatte (27, 39, 16, 61). Verpasste zudem 2017 verletzt komplett. Zog erst gegen David Montgomery, dann gegen Breece Hall den Kürzeren und auch wenn das beides sehr gute Backs sind, muss eine Frage lauten, warum sich Nwangwu nicht mehr Snaps erarbeiten konnte.
  • Vision ist etwas inkonstant. Einige Plays bei denen er sich "kopflos" im Zentrum festläuft.
  • Relativ wenig Power in seinem Spiel. Kein Back der regelmäßig durch Verteidiger durchlaufen wird.
  • Ist als Redshirt Senior auf der älteren Seite der Position. Wurde im Februar 23 Jahre alt.

SPOX Draft-Runden-Empfehlung: 5.-6. Runde

9. Demetric Felton, UCLA

Stärken:

  • Extrem komfortabel als Receiver. Fängt den Ball sicher, auch weg vom Körper. Begann seine Karriere bei UCLA auch als Slot-Receiver, schulte erst spät auf Running Back um. Felton kann als Running-Back-Receiver-Hybrid als Rookie direkt einen Impact haben.
  • Lief auch beim Senior Bowl Routes mit den Wide Receivern und konnte dort mithalten. Lief dort einige exzellente Routes. Agil, gute Körperkontrolle; verbessert er sich weiter, könnte das einer der besten Route-Runner auf der Running-Back-Position in der NFL werden.
  • Als Runner kann er mit Richtungswechseln neue Situationen kreieren. Entwickelt er sich als Running Back weiter, hat Felton das Potenzial, eine echte Matchup-Waffe zu werden.

Schwächen:

  • Man sieht deutlich, dass er als Runner noch roh ist. Läuft sehr aufrecht, was seine Möglichkeiten durch Kontakt deutlich limitiert, wird häufig vom ersten Kontakt gestoppt. Keinerlei Kompaktheit in seinem Spiel als Runner.
  • Auch Vision und Reads als Runner sind noch sehr inkonstant. Lebt eher davon, dass er auf engem Raum kreieren kann. Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass er das Feld aus dem Backfield sonderlich gut liest und damit könnte er zumindest anfangs in der NFL auch Probleme damit bekommen, innerhalb der Struktur einer Offense den Ball zu laufen.
  • Kein Speedster, keine Explosivität auf High-End-Level.
  • Hatte einen desolaten Pro-Day. 40 Yards in 4,59 Sekunden, 7,31 Sekunden beim 3-Cone, desolate Werte im Hoch- und Weitsprung. Womöglich war hier eine Verletzung involviert, aber das könnte Felton tiefer in Tag 3 rutschen lassen.

SPOX Draft-Runden-Empfehlung: 4.-5. Runde

8. Trey Sermon, Ohio State

Stärken:

  • Relativ großer Back (6'0", 213 Pfund), der sich dafür aber auffallend gut bewegt. Kommt ohne Geschwindigkeitsverlust durch schmale Gaps, hat dabei auch eine gute Contact-Balance. Weicht dem ersten Verteidiger meist aus.
  • Gute Jump Cuts im offenen Feld. Kreiert so neue Winkel im Run Game.
  • Guter Zone-Runner. Scheint das Play meist sehr gut zu lesen und "ist da, wo er sein muss". Profitierte von einigen gewaltigen Gaps hinter der Ohio-State-Line, aber hat auch konstant gezeigt, dass er es versteht, diese Gaps zu attackieren.
  • Solide als Receiver aus dem Backfield. Kein Back, der da einen großen Unterschied macht, aber auch keiner, der in der Hinsicht ein Problem hinsichtlich der NFL-Projektion wäre.

Schwächen:

  • Sermon macht viele Dinge gut, aber er macht nichts auf Elite-Level. Speed ist okay, nicht mehr, Explosivität ist in Ordnung, auch wenn er dort bei seinem Pro Day überraschend gut testete. Aber kein Back, der NFL-Verteidigern regelmäßig davonläuft.
  • Auch kein Back, der durch den Gegner läuft. Contact-Balance ist gut, aber wenn er einen direkten Impact verarbeiten muss, dann ist das Play meist vorbei. Kein Back, der die Schulter runter nimmt und so noch 2,3 Yards extra rausholt.
  • Bewegt sich gut auf engem Raum, aber im Tempo ist die Agilität limitiert. Braucht da häufig zusätzliche Schritte für Richtungswechsel.
  • Exzellentes Blocking bei Ohio State legt nahe, dass er in der NFL schwierigere Umstände vorfinden wird.

SPOX Draft-Runden-Empfehlung: 4.-5. Runde