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NFL Draft - Trevor Lawrence in der Analyse: Der Hype ist nur teilweise gerechtfertigt

SPOX nimmt Top-Talent Trevor Lawrence genau unter die Lupe.
© getty

Mit der ersten Welle der Free Agency im Rückspiegel geht der Blick vollends Richtung Draft - und alles beginnt mit den Jacksonville Jaguars und dem Nummer-1-Pick. Für viele gilt Quarterback Trevor Lawrence schon jetzt als die sichere Wahl für diesen Spot, doch ist das berechtigt? Wie steht es um die Schwächen des hochgelobten Talents?

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Der NFL Draft steht letztlich immer im Zeichen der Quarterbacks - zumindest die erste Runde wird zumeist davon geprägt, wer einen Quarterback braucht, wer für einen Quarterback nach oben traden könnte und wie das den Rest des Drafts durcheinanderwirbeln kann.

Häufig bestimmen da eher die dringlichen Needs der Teams das Bild und Quarterbacks, deren Qualität im Vakuum betrachtet ein gutes Stück weit tiefer gedraftet werden müssten, schießen plötzlich Richtung Top-15-Pick.

In diesem Jahr ist das anders. Auch in diesem Jahr gibt es zahlreiche Teams, die einen Quarterback dringend brauchen - doch es gibt tatsächlich auch eine enorme Qualität in der Spitze dieser Quarterback-Klasse. Aus dem kommenden Draft könnten tatsächlich zwei, drei und vielleicht sogar noch mehr Franchise-Quarterbacks hervorgehen.

Clemsons Trevor Lawrence steht an der Spitze dieser Gruppe.

Über die kommenden Tage werden Quarterback-Kurzanalysen sowie mein Ranking der Quarterback-Prospects in diesem Draft hier auf SPOX herauskommen. Um dafür bestmögliche Transparenz zu liefern, ist es wichtig vorweg meinen Maßstab offen zu legen.

Das sind für mich die wichtigsten Eigenschaften eines Quarterbacks, in dieser Reihenfolge, wenngleich einige natürlich miteinander zusammenhängen:

  1. Accuracy und Antizipation
  2. Processsing, Reads, Decision-Making
  3. Off-Script Plays: Improvisation, Armtalent
  4. Pocket-Verhalten
  5. Mechanics: Füße, Wurfbewegung, Release
  6. Verhalten gegen Pressure
  7. Deep Passing
  8. Athletik

Es ist die mit Abstand wichtigste Position auf dem Feld. Jedes Jahr hoffen mehrere Teams im Draft ihren Franchise-Quarterback für die nächsten 15 Jahre zu finden. So wirklich gelingt das allerdings vergleichsweise selten. In diesem Jahr könnte dieser Wunsch tatsächlich wahr werden, denn die Spitze der Position ist im Draft 2021 exzellent besetzt.

Deshalb startet die SPOX-Draft-Coverage 2020 auch mit dieser Position: Diese Woche steht ganz im Zeichen der Quarterbacks, unter anderem mit Analysen sowie dem Ranking der Top-10 Quarterback-Prospects im diesjährigen Draft.

Los geht es mit dem für viele Experten bereits designierten Nummer-1-Pick Ende April.

NFL Draft 2021 Analyse: Trevor Lawrence, Clemson

Bei einem Prospect wie Trevor Lawrence - selbst das ist merkwürdig zu sagen, denn Prospects "wie Trevor Lawrence" gibt es äußerst selten - ist es leicht, sich dem Hype zu ergeben.

Er war der Nummer-1-Recruit und kam bereits hochdekoriert aus der High School (Nummer 2 bei ESPN), wo er 52 von 54 Spielen über vier Jahre als Starter gewinnen konnte, in seinem ersten Jahr 2018 spielte er wie von einem anderen Stern.

Lawrence war schon immer so etwas wie die nächste große Quarterback-Hoffnung - und daran hat sich wenige Wochen bevor er offiziell ein NFL-Spieler sein wird wenig geändert.

Trevor Lawrences Total Stats 2020:

Completions/AttemptsYards (Average)TD/INTRushing-AttemptsRushing-Yards (TD)
231/334 (69,2%)3.153 (9,4)24/568203 (8)

Man wird kaum einen Mock Draft zwischen Anfang Januar und Ende April finden, in dem Lawrence nicht der Nummer-1-Pick ist und als neuer Franchise-Hoffnungsträger nach Jacksonville geschickt wird.

Trevor Lawrence und das subtile Spektakel

Und es dauert nicht lange, ehe man bei der Analyse seiner Spiele sieht, wo der Hype herkommt: Es ist das Komplettpaket, das überzeugt. Die Highlight-Würfe dank seines spektakulären Arms springen einen sofort an, dazu gleich mehr. Aber eines der stärksten Argumente für Lawrence ist in meinen Augen, dass er zusätzlich auch in den Quarterback-Basis-Aufgaben auffällig gut ist.

pocket-verhalten
© YouTube

Das beginnt mit seinem Verhalten in der Pocket. Lawrence kann gelegentlich unnötige Sacks kassieren, weil er Plays zu lange aufrecht erhalten will. Meist ist er aber auffallend gut darin, die Pocket zu navigieren.

Dabei geht es nicht um spektakuläre Fluchtmanöver, subtile Bewegungen sind gefragt. Die Quarterbacks, die am besten mit kleinen Bewegungen durch die Pocket navigieren können und dabei stets in Wurfposition bleiben, sind meist am besten ausgerüstet, um in dieser Disziplin auch in der NFL Erfolg zu haben.

Lawrence zeigt das regelmäßig. Ein kleiner Schritt zur Seite, ein perfekt getimter Schritt nach vorne in die Pocket. Alles ohne Aufregung und meist mit sehr gutem Gefühl dafür, wo der Pass-Rush einschlagen könnte, woher ein zusätzlicher Blitzer kommt, wie er sich bewegen muss.

Umso spektakulärer wird diese vergleichsweise subtile Kunst des Quarterback-Spiels dann, wenn Lawrence in diesen Bewegungen nicht nur Pass-Rusher, sondern auch Safeties oder Linebacker aus dem Spiel nimmt.

manipuliert-safety-augen-downfield
© YouTube

Dieses Play gegen Pitt ist ein gutes Beispiel. Lawrence spürt zuerst, dass er von der Backside gleich Druck bekommt und tritt in den offenen Raum der Pocket.

Während dieser Bewegung aber schaut er auf seine linke Seite und mit einem kurzen Schulterzucken deutet er sogar einen Wurf in die Richtung an. In der Folge macht der Split-Field-Safety auf der Seite einen Schritt rüber und öffnet so die Mitte des Feldes für Lawrence, der so ein Fenster bekommt, um den Ball so platzieren zu können, dass sein Receiver eine Chance hat.

Zudem fällt eine Qualität auf, die nicht als Feuerwerk sofort ins Auge springt, aber die für Quarterbacks unheimlich wichtig ist und maßgeblich darüber ausschlaggebend sein wird, ob ein Quarterback-Talent in der NFL auch Erfolg haben kann: Lawrence ist gut darin, Verteidiger zu manipulieren.

Konkret heißt das, dass er seine Route-Kombinationen versteht. Wenn er das Feld wirklich liest, erkennt er, welche Verteidiger er mit seinen Augen manipulieren und so im Idealfall aus seinem Wurffenster bewegen, oder aber manchmal auch einfach nur lesen muss.

Wie etwa bei diesem langen Pass gegen Georgia Tech. Lawrence erkennt, dass der tiefe Safety nicht an Tiefe gewinnt, sondern eher darauf wartet, auf eine Crossing-Route vor sich reagieren zu können. Damit weiß er, dass er aus dem Slot ein vertikales Wurffenster bekommen wird.

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© YouTube

Trevor Lawrence: Advanced Stats 2020:

StatistikWert (Platzierung unter College-QBs 2020)
Adjusted Completion Percentage77,3% (Platz 13)
Average Depth of Target9,0 (Platz 47)
Deep Passing Yards831 (Platz 12)
Screen Passing Yards686 (Platz 1)

Alle Statistiken in dieser Tabelle stammen aus dem Draft Guide von Pro Football Focus.