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Third and Long: Der Wahnsinn von Kansas City - und die Packers in Topform

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt in seiner wöchentlichen Kolumne zurück auf die Divisional-Runde.
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Titans, Chiefs stoppen, Tight Ends, Vikings - eure Fragen

BeastmodeSZN: Woran liegt der Aufschwung der Titans? Nur an dem QB-Tausch oder gab es auch andere Veränderungen, die nicht gleich auffallen?

Ich habe mich das natürlich auch gefragt, und zunächst einmal: Diese Titans-Saison verdient jede Menge Lob. Und das ganz konkret beginnend damit, dass man nicht in die Saison ging mit der Idee, dass man Mariotas Psyche schützen müsste und keinen möglichen Konkurrenten ins Team holen dürfte. Nein, Tennessee erkannte, dass Mariota nicht nur verletzungsanfällig ist, sondern eben auch mit seinen Leistungen stagniert und tradete für Tannehill. Das sollte ein dringender Hinweis an einige andere Teams (Bears!) sein.

Für die Titans funktionierte das natürlich perfekt. Tannehill spielte eine herausragende Regular Season, die so natürlich auch die Titans-Verantwortlichen niemals kommen sehen konnten - aber sie haben sich zumindest eine Chance darauf gegeben, das Ruder auf der wichtigsten Position nochmal im Laufe der Saison in eine andere Richtung drehen zu können.

Als Tannehill in Tennessee übernahm, standen die Titans bei 2-4 und kaum jemand räumte ihnen überhaupt Playoff-Chancen ein. Doch mit Tannehill passierten zwei auffällige Dinge: Tennessee entwickelte ein vertikales Passspiel, ohne dabei aufkosten der Accuracy und Effizienz im Kurzpassspiel zu agieren.

Sicher, Sacks und die selbstverschuldeten QB-Pressures blieben mit Tannehill die zentrale negative Storyline, doch während Mariota Sacks kassierte und dabei offene Receiver liegen ließ, brachte Tannehill gleichzeitig eine immense Anzahl an Big Plays an und traf eben auch die engen Fenster Underneath und in der Mid-Range.

Die Titans haben seit Woche 13 kein Field Goal gekickt und konnten über Wochen eine perfekte Bilanz in der Red Zone vorweisen. Seit Tannehill startet, hat Tennessee einen Touchdown bei 34,6 Prozent der eigenen Drives hingelegt (zweitbeste Quote in der NFL) und die meisten Red-Zone-Touchdowns ligaweit erzielt (31). Nur ein einziges Mal kickte Tennesse in der Red Zone ein Field Goal.

Wenn man es kritisch sehen will, dann sind viele der Aspekte, die Tennessees Aufschwung elementar ermöglicht haben, schwer aufrecht zu erhalten; und dann reden wir davon, wie gefährlich die kommende Offseason für die Titans in puncto Verträge für Henry und Tannehill werden könnte. Doch rein mit Blick auf diese Saison ist Tannehill der Katalysator für nahezu alles. Ja, die Line stabilisierte sich im Laufe der Saison, das ist ebenfalls ein Faktor - genau wie Henrys Physis und Explosivität als Runner sowie ein Woche für Woche gut gecoachtes Team. Aber der Turnaround der Titans innerhalb dieser Saison ist zu sehr großen Teilen mit dem Quarterback-Tausch zu erklären.

Josef: Was wäre eine gute Idee (beziehungsweise war es im Laufe der Regular Season) gegen diese Chiefs-Offense?

Man Coverage vs. Zone Coverage war ja ein Thema während der Partie gegen die Texans - in dem Fall die Tatsache, dass Houston offensichtlich auf Man Coverage setzen wollte, dabei aber keinen (funktionierenden?) Plan B in der Tasche hatte. Die Texans gingen auch deshalb defensiv so unter, weil sie Travis Kelce nicht einmal mit Double Coverage ausschalten konnten und gleichzeitig keine Idee hatten, wie man Mahomes' Scrambles gegen die Man Coverage unterbindet.

Es ist ein zweischneidiges Schwert: Einerseits ist es absolut richtig, dass Mahomes und Reid bislang Zone Coverages in aller Regel deutlich eher pulverisiert haben als Man Coverage - andererseits ist auch unbestreitbar, dass man eine sehr hohe individuelle Qualität in der eigenen Secondary benötigt, um dieses Chiefs-Waffenarsenal in Man Coverage in den Griff zu bekommen. Das haben nicht viele Teams - für mich haben es die Patriots in Woche 14 dieses Jahr in der Hinsicht mit am besten gemacht.

Der zentrale Unterschied für mich dieses Jahr bei Mahomes' Spiel, verglichen mit seiner MVP-Saison, war die Tatsache, dass man ihm mit Pressure mehr Probleme bereiten konnte. Das lag sicher auch an seinen eigenen Verletzungen, mit denen er sich phasenweise durch die Regular Season geschleppt hat, und auch daran, dass die Offensive Line ebenfalls zwischenzeitlich dezimiert war.

Doch wo Mahomes letztes Jahr selbst gegen Pressure kaum aus der Ruhe zu bringen war, war das dieses Jahr eben wenigstens teilweise anders. Die Texans setzten Mahomes bei ihrem Regular-Season-Duell bei rund einem Drittel seiner Dropbacks unter Druck und Mahomes' Yards pro Pass fielen um zwei Yards. Auch New England konnte ihn bei rund einem Drittel seiner Dropbacks unter Druck setzen.

Eine Mischung aus Man Coverage und einem gefährlichen, via Play-Designs (und ohne Blitzing) kreierten Pass-Rush - das wären meine generellen Antworten auf diese Fragen. Aber natürlich ist das sehr viel leichter gesagt als getan.

Philipp: Braucht es einen "herausragenden" Tight End, um in den Playoffs erfolgreich zu sein? Auffällig häufig gingen die Catches in entscheidenden Situationen auf den Tight End (Kelce, Kittle, Graham, letztes Jahr Gronk)?

Interessante Frage, über die ich so noch nicht im Detail nachgedacht hatte. Die individuellen Argumente sind natürlich nicht schlecht, Zach Ertz für die Eagles wäre auch ein Kandidat.

Ich würde nicht so weit gehen, zu sagen, dass man einen solchen Elite Tight End zwangsläufig braucht, um in den Playoffs erfolgreich zu sein. Gleichzeitig würde ich sehr wohl sagen, dass wenige Spielertypen (Quarterbacks mal außen vor) eine Offense variabler machen können wie ein kompletter Tight End.

Jimmy Graham etwa würde ich da raus nehmen, aber gerade Gronk, Kelce und Kittle - das sind nicht einfach groß gewachsene Receiver, die im Passspiel Mismatches kreieren, weil sie zu groß und physisch für Safeties und zu athletisch für Linebacker sind. Das sind alles vor allem auch Spieler, die man als Blocker ernstnehmen muss, ob im Run-Blocking oder in Pass-Protection.

Und was macht das mit einer Defense? Es öffnet bestimmte Dinge für die Offense. Play Action vorneweg - diese Teams laufen zahlreiche Plays, in denen Kittle (66 Pass-Blocking-Snaps/368 Run-Blocking-Snaps) oder Kelce (54/301) als Blocker fungieren. Und das nicht nur als Alibi, sondern sie sind gut darin. Das hilft enorm dabei, Formationen zu kreieren, um ein effizientes Play Action Passspiel aufzuziehen.

So ist es natürlich auch kein Zufall, dass Mahomes und Garoppolo (Play Action bei jeweils 31,9 Prozent ihrer Pässe) auf dem geteilten dritten Platz was Play-Action-Rate angeht stehen. Komplette Tight Ends kreieren Mismatches und machen die Offense gefährlicher, auch wenn sie selbst den Ball nicht berühren - wie gesagt, ich denke nicht, dass man das in den Playoffs zwangsläufig haben muss, aber es ist definitiv ein Markenzeichen vieler guter NFL-Offenses.

Peter Schindler, Kevin Penning und Michael Böhm: Wie beurteilst du die aktuelle Lage (Kader, Free Agents, Staff) der Vikings für die kommende Saison? Haben sie das Zeug im letzten Cousins Jahr noch um die Playoffs mitzuspielen oder siehst du zu viele Fragezeichen? Sollten sich die Vikings vielleicht von Zimmer trennen?

Ich mag dieses Vikings-Team nach wie vor, aber die Free Agency wird kritisch - und mit dem Verlust von Offensive Coordinator Kevin Stefanski wird es auch interessant sein zu sehen, in wie weit ein Umbruch stattfindet. Das hier wäre meine Vikings-Prioritätenliste was eigene Free Agents angeht:

SpielerPosition
1.Anthony HarrisSafety
2.Everson GriffenDefensive End
3.Trae WaynesCornerback
4.Mackensie AlexanderSlot-Cornerback
5.Andrew SendejoSafety/Slot-Cornerback

Wie man schnell erkennt also eine sehr defensiv geprägte Liste. Harris war einer der besten Safeties in der NFL dieses Jahr, und die Vikings haben ohnehin dringenden Nachholbedarf was Coverage angeht - Harris darf man nicht verlieren. Griffen hat eine extrem gute Saison als Nummer-2-Edge-Rusher gespielt, auch in dieser Kategorie gab es für mich wenige Spieler, die besser waren als Griffen. Outside Cornerback und Interior Offensive Line sehe ich ansonsten als Kader-Prioritäten 1 und 2 für Minnesotas Offseason, der Cap Space wird aber problematisch sein.

Stefanski war sicher nicht frei von Fehlern, wobei da auch immer die Frage gestellt werden muss, wie viele seiner Gameplan- und In-Game-Entscheidungen auf Zimmer zurückgingen. Stefanski und Gary Kubiak gemeinsam bastelten eine Offense, die mehr Punkte insgesamt und mehr Punkte pro Drive kreierte als jede andere Vikings-Offense seit Brett Favres Märchensaison.

Wie die Vikings auf Stefanskis Abgang reagieren, wird uns zeigen, ob wirklich ein Umbruch angeht. Mich würde es nicht wundern, wenn Kubiaks Sohn Klint gemeinsam mit Gary Kubiak im Tandem übernimmt, und die offensive Philosophie im Kern unverändert bleibt. Für mich ist das auch die Offense, die am besten zu Minnesotas Spielerpersonal (insbesondere Cousins, aber auch Dalvin Cook, die beiden Tight Ends oder Thielen und Diggs) passt.

Und dann ist da natürlich die Frage zu Zimmer. Ehrlich, hier bin ich hin- und hergerissen. Zimmer hat gegen die Saints eindrucksvoll gezeigt, zu was er defensiv nach wie vor in der Lage ist, und ich habe auch nicht den Eindruck, dass er ein schlechter Head Coach ist. Sind einige seiner generellen offensiven Philosophien vielleicht veraltet? Möglich, wahrscheinlich sogar.

Aber wenn er sich - und zumindest teilweise hatte man gerade nach dem schlechten Saisonstart den Eindruck ja auch - durch die Kubiak-Verpflichtung wirklich auf der Seite des Balls etwas zurückgezogen hat, dann sehe ich nicht, warum man Zimmer entlassen sollte. Mit dem Fragezeichen der offensiven Entwicklung im Hintergrund.

Tom: Wen würdest du für dein Team aussuchen? Mahomes oder Lamar?

Ganz klar Mahomes. Ich bin riesiger Fan dieser Ravens-Offense und von dem, was Baltimore dieses Jahr um ihn herum aufgebaut hat. Ich bin auch wahnsinnig gespannt, zu sehen, wie die Ravens darauf aufbauen und wie weit dieser Stil gehen kann, denn das war extrem spannend dieses Jahr.

Aber wie ich über die letzten Wochen schon gesagt hatte: Vom Potenzial her war Kansas City für mich die gefährlichste Offense und Mahomes der gefährlichste Quarterback. Ich bin davon überzeugt, dass du den Ball ultimativ - über längere Zeit gesehen - werfen können musst, um erfolgreich zu sein. Und Mahomes wäre dafür meine klare Wahl.