NFL

Die Probleme der Dallas Cowboys vor dem Spiel gegen die Chicago Bears: Genug geklatscht

Von Jan Dafeld
Jason Garrett steht derzeit massiv in der Kritik.
© getty

Die Dallas Cowboys laufen den eigenen Ansprüchen hinterher. Die Zeit von Head Coach Jason Garrett scheint bald vorbei zu sein, doch auch auch darüber hinaus warten in der Offseason zahlreiche offene Fragen auf die Cowboys. Gegen die Chicago Bears (Freitag ab 2.20 Uhr live auf DAZN) braucht Dallas nach zwei Niederlagen in Folge unbedingt einen Sieg - andernfalls dürften sogar die Playoffs ernsthaft in Gefahr geraten.

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"Wir sind wütend, denn wir sind nicht da, wo wir eigentlich alle erwartet hatten, zu sein. Wir müssen da raus gehen und besser spielen." Running Back Ezekiel Elliott redete nach der 15:26-Niederlage seiner Dallas Cowboys gegen die Buffalo Bills nicht um den heißen Brei herum. "Keiner ist glücklich damit, wo wir aktuell stehen", ergänzte Guard Zack Martin.

Die böse Pleite - ausgerechnet an Thanksgiving - markierte Dallas' zweite Niederlage in Serie sowie die dritte in den vergangenen vier Spielen. Einzig die Blamage der Philadelphia Eagles gegen die Miami Dolphins sorgte dafür, dass die Cowboys nach wie vor an der Spitze der NFC East und damit auf Playoffkurs sind.

Das Team läuft den eigenen Erwartungen hinterher, darüber ist sich von den Spielern, über das Management bis hin zu den Fans wohl jeder einig. Trotz zahlreicher All-Pros und Dak Prescott, der vor einem Monat noch zu den MVP-Kandidaten der NFL gezählt wurde, sind die Cowboys derzeit kaum mehr als Durchschnitt. Von den vielversprechenden Ansätzen des Saisonstarts ist nicht mehr viel übrig geblieben.

Dallas Cowboys: Herausragende Offense zu Saisonbeginn

Dabei zählte die Offense der Cowboys über die ersten Wochen und Monate noch zu den positiven Überraschungen der Saison. Offensive Coordinator Kellen Moore hatte in seinem ersten Jahr als Playcaller in Dallas eine der effektivsten Offenses der NFL installiert. Er setzte dabei viel auf modernere Elemente wie Pre-Snap-Motion und Play Action. Viel stärker, als es sein Vorgänger Scott Linehan jemals getan hatte.

In der Folge gelang es den Cowboys endlich, ihr offensives Potenzial in Form der vielleicht besten Offensive Line der Liga, einem echten Nummer-eins-Receiver, einem guten Quarterback sowie einem (angeblichen) Top-Running-Back abzurufen. Dallas erzielte in seinen ersten drei Spielen jeweils mehr als 30 Punkte, in neun der ersten zehn Begegnungen gelangen dem Team über 20 Punkte. Laut DVOA (Defense-adjusted Value Over Average) belegte Moores Unit über diesen Zeitraum ligaweit den ersten Rang - im Vorjahr hatte die Cowboys-Offense hier (unglaublicherweise) noch im unteren Drittel der Liga rangiert.

Doch selbst die so prominent bestückte Offense bewegt sich aktuell nicht mehr auf dem Niveau der vergangenen Monate. Gegen die überdurchschnittlich besetzten Defenses von New England, Buffalo oder auch Minnesota fiel Dallas teilweise doch wieder in alte Muster zurück. In den vergangenen vier Spielen gelangen den Cowboys bei 42 Possessions gerade mal neun Touchdowns - und ganze vier davon kamen gegen die überforderten Lions, die zuvor bereits von Daniel Jones, Derek Carr und Mitchell Trubisky zerlegt wurden.

Dallas Cowboys: Jason Garrett massiv in der Kritik

Und dennoch bleibt die Offense rund um Prescott wohl eines der kleinsten Probleme im Lone Star State. Die Cowboys starten regelmäßig zu schlecht in Spiele (3,9 Punkte im ersten Viertel bedeuten ligaweit Platz 21), generieren viel zu wenige Turnover (mit vier Interceptions belegt Dallas hier den letzten Platz) und leiden unter den schlechtesten Special Teams der NFL (laut DVOA Platz 32) - alles Probleme, die - zumindest in Teilen - am Coaching Staff festgemacht werden können.

Es sollte daher niemanden verwundern, dass Head Coach Garrett mittlerweile massiv in der Kritik steht. Der 53-Jährige war bereits vor der Saison unter Druck, Videos und Bilder von seinem ständigen Klatschen an der Seitenlinie gingen im Internet viral. Dallas verzichtete darauf, Garretts am Saisonende auslaufenden Vertrag vorzeitig zu verlängern. Dessen Chancen auf eine Weiterbeschäftigung werden sich durch den bisherigen Saisonverlauf nicht erhöht haben. Nach der deutlichen Niederlage gegen die Bills machte Teambesitzer Jerry Jones sogar in aller Deutlichkeit klar, dass er sich von einem Team mit diesem Talent-Level deutlich mehr erhoffe. Zurecht, schließlich haben die Cowboys nach wie vor kein Spiel gegen ein Team mit einer positiven Bilanz gewinnen können.

Schon jetzt werden daher zahlreiche Coaches mit dem Cowboys-Posten, der wohl nach wie vor zu den begehrtesten in ganz Amerika zählen dürfte, in Verbindung gebracht. Ron Rivera, der nach neun größtenteils erfolgreichen Jahren bei den Carolina Panthers entlassen wurde, gilt ebenso als Kandidat wie Lincoln Riley, Head Coach der Oklahoma Sooners, der eine am College über Jahre höchst erfolgreiche Offense entwickelt hat und mit Baker Mayfield, Kyler Murray und aktuell Jalen Hurts drei der größten Quarterback-Talente des Landes geformt hat.

Auch Chris Peterson, der zu Beginn der Woche überraschend ankündigte, am Ende der Saison von seinem Posten als Head Coach der Washington Huskies zurückzutreten, wird gehandelt: Als Head Coach von Boise State trainierte Peterson bereits Cowboys-Stars wie DeMarcus Lawrence, Leighton Vander Esch und Darian Thompson sowie auch Dallas' aktuellen Offensive Coordinator Moore, der sich im Übrigen wohl ebenfalls Hoffnungen auf eine Beförderung machen darf.

Dallas Cowboys: Dak Prescott und Co. vor ungewisser Zukunft

Noch ist Jones allerdings nicht bereit, sich mit den Spekulationen rund um neue Coaches auseinander zu setzen - zumindest nicht öffentlich. "Ich habe viele Coaches gesehen, die mit uns in Verbindung gebracht werden", sagte Jones. "Aber sie alle können mir keinen Super Bowl garantieren."

Das entspricht zweifellos der Wahrheit. Zum einen, weil Erfolg in der NFL ohnehin nicht mit Sicherheit planbar ist, zum anderen aber umso mehr, weil die Cowboys ohnehin einer ungewissen und anspruchsvollen Zukunft entgegenblicken: Mit Dak Prescott, Amari Cooper und Byron Jones werden drei der besten Spieler des Teams am Saisonende Free Agents, zahlreiche wichtige Rollenspieler wie Sean Lee, Randall Cobb oder Robert Quinn kommen dann noch dazu.

Mit fast 90 Millionen Dollar Cap Space verfügt die Franchise zwar über die Mittel, um auch 2020 die Spieler, die sie wirklich halten möchte, bezahlen zu können, langfristig dürfte sich Dallas damit allerdings in eine Sackgasse manövrieren, aus der es - sofern das neue CBA nicht doch noch zu ihrer Rettung eilt - keinen einfachen Ausweg gibt. Die teuren Vertragsverlängerungen mit Lawrence und ganz besonders Elliott, ohne die eigene Quarterback-Situation vorher abschließend geregelt zu haben, werden sich nun rächen.

Dallas Cowboys: Richtungsweisendes Spiel gegen die Chicago Bears

Trotz der großen Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft versucht Jones nach wie vor weitestgehend positive Energie auszustrahlen. "Würde ich heute das Training Camp verlassen, würde ich mir wünschen, dass wir in die Situation kommen, die wir aktuell haben", erklärte Jones. "Vier Spiele, um die Playoffs zu erreichen - ich fühle mich gut damit."

Mit den Chicago Bears, den Los Angeles Rams und dem Division-Duell gegen die Philadelphia Eagles haben die Cowboys in den kommenden Wochen nun drei Gegner vor der Brust, die sich in einer durchaus vergleichbaren Lage befinden. Sie alle gingen als (Mit-)Favoriten in die Saison, nach einem weitestgehend enttäuschenden Jahr kämpfen die Teams mittlerweile allerdings allesamt um ihre letzte Chance auf die Postseason.

Besonders das Duell gegen die Bears könnte richtungsweisend für Dallas werden. Mit knappen Siegen über die Giants und die Lions hat sich Chicago zwar tatsächlich nochmal im (erweiterten) Rennen um die Playoff-Plätzen zurückmelden können, die Probleme rund um Matt Nagy, Trubisky sowie die schwächelnde Defense sind jedoch nach wie vor allgegenwärtig. Kassiert Dallas ausgerechnet gegen diese Bears seine dritte Niederlage in Serie, dürfte die Stimmung im Team einen neuen Tiefpunkt erreichen - und Garrett auch seine allerletzte, verbliebene Chance auf eine Weiterbeschäftigung verspielt haben.

"Meiner Meinung nach wird Jason nächstes Jahr in der NFL coachen", erklärte Jones noch in der vergangenen Woche. Was wie ein Vertrauensbeweis interpretiert werden könnte, stärkte Garrett allerdings nicht wirklich den Rücken: In der NFL gibt es Hunderte Coaching-Positionen. Rund 97 Prozent davon befinden sich außerhalb von Dallas.

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