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Third and Long: Überraschung des Jahres - und düstere Aussichten für die Rams?

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt in seiner wöchentlichen Kolumne zurück auf Woche 10 in der NFL.
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Prescott, QB-Suche, Bengals-Rebuild, Tannehill, Browns - eure Fragen

Advocatus Diaboli: Wie geht es bei den Bengals weiter? Was wäre deine Taktik? Totaler Rebuild, oder Schlüsselspieler halten und durch den Draft stärken?

Rebuilds in der NFL sind eine faszinierende Sache, und während der in Miami in vollem Gange ist, sollten die Bengals eigentlich auf dem gleichen Pfad unterwegs sein. Aber die Fragen danach, "wie es weiter geht" und "was meine Taktik wäre" dürften ziemlich unterschiedliche Antworten hervorbringen.

Was vermutlich passiert: Die Bengals sind die konservativste, introvertierteste und "langsamste" Franchise in der NFL. Das heißt, dass man versuchen wird, sein Team zusammen zu halten und einen konservativen Umbruch einzuleiten. Mit mutmaßlich einem Quarterback hoch im Draft und weiteren Picks für den Pass-Rush und die Offensive Line. Ich will nicht sagen, dass das nicht funktionieren kann - es ist nur eben der vorsichtige Ansatz, wo etwas mehr Mut zum Umbruch vielleicht eher angebracht wäre.

Was ich machen würde: Man muss dieses Bengals-Team nicht komplett bis auf die Grundmauern niederreißen. Die Bengals können auch langfristig um Spieler wie Tyler Boyd, Jonah Williams, William Jackson und eventuell auch Joe Mixon und John Ross etwas aufbauen. Was in diesem Umbruchsfenster aber in meinen Augen keinen Sinn macht, ist das Festhalten an einem Spieler wie A.J. Green.

Green ist 31 Jahre alt, in seinem letzen Vertragsjahr und hatte zuletzt vermehrt mit Verletzungen zu kämpfen. Green wird den Bengals vermutlich nicht mehr viel helfen, wenn das Team das nächste Mal wirklich konkurrenzfähig ist. Gleichzeitig hätte er noch einen Trade-Wert, genau wie auch ein Carlos Dunlap beispielsweise. Das ist genau die Art Spieler, die man in dieser Situation traden sollte, um den Umbruch mit mehr Draft-Kapital voranzutreiben.

Anschließend daran wäre der Quarterback im Draft natürlich meine Priorität Nummer 1, in die Offensive Line würde ich in der Free Agency weiter investieren. Die Defense ist ebenfalls ein ernsthaftes Problem, aber meine Priorität würde auf der Offense liegen. Auch mit Jonah Williams dann wieder zurück muss die Offensive Line neu aufgebaut werden, andernfalls funktioniert diese Offense nicht. Dann muss man Zac Taylor seinen Wunsch-Quarterback geben und das Wide Receiver Corps neu aufbauen.

Das ist kein Umbruch für ein Jahr, und deshalb muss man ihn auch tiefgreifender angehen, als es die Bengals aktuell tun.

Finn und Higgens64: Trotz des Sieges wieder kein überzeugendes Spiel von Cleveland. Was müssen die Browns verändern um (vermutlich eher nächstes Jahr) ein Playoff Team zu werden? Wo liegen die Red-Zone-Probleme der Browns?

Wirklich überzeugend war es nicht, aber gegen eine gute Bills-Defense und eine zumindest mal unangenehme Bills-Offense zu gewinnen ist kein Selbstläufer - dass es einfache Siege in der NFL nicht gibt, wissen gerade die Browns nur zu gut. Rashard Higgins sollte nach wie vor eine größere Rolle in der Offense bekommen, Mayfield war teilweise wieder zu spät und zu zögerlich mit seinen Reads und hat so auch Pressure (sowie den Safety zu Beginn der zweiten Hälfte) angezogen - insgesamt aber war das ein ordentliches Spiel von ihm.

Dass Cleveland Red-Zone-Probleme hat, ist keine neue Erkenntnis; man könnte argumentieren, dass genau diese Schwachstelle die Browns bereits mehrere Spiele gekostet hat. Das war letztlich gegen Buffalo nicht der Fall, doch natürlich waren es die absolut prägenden Szenen dieses Spiels, über die trotz des Heimsieges im Nachhinein am meisten diskutiert wird.

Ganz konkret geht es um die Phase am Ende des ersten Viertels, als Cleveland acht Plays - davon zwei Strafen gegen die Bills - innerhalb der 2-Yard-Line hatte (sieben davon an der 1-Yard-Line) und ohne Punkte blieb. Eine solche Situation hat es seit 26 Jahren nicht mehr gegeben.

Fünf dieser acht Plays waren Runs, und das Play-Calling per se hat mich gar nicht so gestört. Ganz simpel gesagt: Bei fünf Versuchen erwarte ich von jeder Offensive Line in der NFL, dass sie ein Yard freiblocken kann. Aber die Play-Designs waren so dermaßen überhaupt nicht kreativ und komplett repetitiv, dass man sich an den Kopf fassen musste.

Mehrere Runs aus der I-Formation mit einer engen Formation, entweder mit allen Offense-Spielern direkt an der Offensive Line postiert, oder aber maximal einem Receiver weiter außen. Statt die Defense in die Breite zu ziehen und gegen eine leichte Box zu laufen, hämmerte Freddie Kitchens Nick Chubb immer wieder in den zahlenmäßig am stärksten besetzten Part der Defensive Front. Das ist einfach schlecht.

Als Cleveland kurz vor der Halbzeitpause nochmals an die 3-Yard-Line der Bills kam, machten die Browns es ein wenig besser, mit einem kurzen Pass zu Landry, einem Run-Play nach außen inklusive Motion in die andere Richtung und einem versuchten Shovel Pass. Doch diese Schwachstelle bleibt ein eklatantes Thema in Cleveland.

Langfristig bin ich der Meinung, dass man Freddie Kitchens noch Zeit geben sollte. Sein In-Game-Management war teilweise absolut übel dieses Jahr; aber Kitchens ist ein Rookie-Head-Coach, der auf kaum Erfahrung als Coordinator zurückblickt. Probleme in diesen Bereichen waren also gewissermaßen erwartbar, und Cleveland täte eher gut daran, ihm hier vielleicht konkrete Berater auch für während des Spiels zur Seite zu stellen, um ihn hier zu verbessern.

Doch wenn ich mir die Browns-Offense Woche für Woche anschaue, dann sind es - abgesehen von der Red Zone - selten die Play-Calls oder die Play-Designs, die mir Sorgen machen. Ich hatte das nach dem Patriots-Spiel schon einmal ausführlicher adressiert. Und auch Mayfield spielt nicht so schlecht, wie es die Zahlen vermuten lassen.

Kitchens verdient deshalb mehr Zeit. Zeit, um sich in der Rolle zurecht zu finden und seine Offense weiter zu installieren. Cleveland sollte über die nächsten Jahre in Playoff-Team werden, um das Zeitfenster, in dem Mayfield, Garrett und Co. günstig sind, vollends auszunutzen. Ein weiterer Coaching-Wechsel mit neuer Philosophie und neuen Ideen für den Kader würde nicht nur das, sondern auch Mayfields Entwicklung weiter gefährden.

Markus und Maker Bayfield: Nachdem wir am Samstag zwei Quarterbacks für den nächsten Draft gesehen haben: Wie viele Teams starten die nächste Saison mit einem Quarterback, der dieses Jahr noch nicht im Kader ist?

  • Tennessee Titans: Siehe nächste Frage.
  • Miami Dolphins: Klarer Draft-QB-Kandidat, womöglich mit Fitzpatrick noch in einer Tannehill-Tennessee-Rolle.
  • Cincinnati Bengals: Dalton dürfte weg sein, Finley ist ein klassischer Backup und die Bengals muss man als Favorit auf den Nummer-1-Pick sehen.
  • Chicago Bears: Wenn die Bears nach dieser Saison - vorausgesetzt die zweite Hälfte verläuft auch nur ansatzweise wie die erste - nicht zu dem Schluss kommen, dass Trubisky nicht die Antwort ist, dann weiß ich auch nicht weiter.

Carolina könnte ein Kandidat sein, doch kann ich mir da einerseits trotz der aktuellen Gerüchtelage vorstellen, dass man Cam Newton 2020, wo er sehr günstig unter Vertrag steht, noch gibt - vorausgesetzt natürlich, dass er wieder fit wird. Oder aber andererseits halte ich es auch für denkbar, dass sie Kyle Allen eine Chance geben, falls man sich von Cam trennt.

Tampa habe ich als ein Team auf dem Zettel, das einen Quarterback draften könnte, aber Jameis Winston trotzdem nochmals für ein Jahr hält, und sei es nur als Übergangslösung. Ich bin mir auch nicht sicher, in wie weit Bruce Arians an diesem Punkt in seiner Karriere noch einen Rookie-Quarterback entwickeln will. Gerüchte in die Richtung, dass das nicht gerade seine Wunschvorstellung ist, gab es bereits vor drei Jahren in Arizona.

Kevin Penning und NicoLosty: Könnte Tannehill der Starting-Quarterback der Titans über die Saison hinaus bleiben?

Der Quarterback-Tausch in Tennessee ist und bleibt eine kuriose Sache - Tannehill ist tatsächlich einfach eine bessere Version als Marcus Mariota, zumindest für den Moment. Gleichzeitig wissen wir aber auch, was Tannehill langfristig ist, und das ist ein inkonstanter Quarterback mit Hochs und Tiefs; kurzum: Ein Low-Level-Starter oder ein High-End-Backup.

Was er aber auch sein kann? Eine Übergangslösung, und genau das könnte ich mir in Tennessee vorstellen. Mariota hat keine Zukunft hier, und ich glaube, dass die Titans ein Kandidat für den Quarterback-Markt in der Offseason - ein fitter Cam Newton etwa könnte in diese Offense passen - inklusive des Drafts sind.

Sollte es über den Draft gehen, könnte Tannehill gegebenenfalls noch als Platzhalter fungieren. Da Tennessee an die Top-QB-Prospects im Draft nicht ran kommen wird, ist es durchaus möglich, dass der Rookie noch eher etwas mehr Zeit braucht.

Zwei Szenarien kann ich mir nicht vorstellen: Dass Mariota 2020 noch für die Titans spielt - und dass Tannehill als klarer mittelfristiger Starter in die nächste Saison geht.

One PriDe: Die Defense der Lions ist nicht nur schlechter als vor der Saison erwartet. Sie gehört aktuell zu den schlechtesten der Liga und lässt sogar Mitch Trubisky halbwegs gut aussehen. Sind die Tage vom ehemaligen Defensive Coordinator der Patriots, Matt Patricia, in Detroit gezählt?

Die Lions-Defense ist frustrierend. Früh in der Saison dachte ich, dass wir es potenziell mit einer guten bis sehr guten Defense zu tun haben könnten, angeführt durch Justin Coleman, Darius Slay und Trey Flowers. Doch habe ich viel zu häufig das Gefühl, dass Detroit defensiv einerseits seine PS nicht auf die Straße bringt - was dann ein Coaching-Problem ist - und andererseits aber auch individuell wahnsinnig inkonstant agiert.

In mehreren Spielen war die Secondary einfach bis auf je einzelne Lichtblicke richtig schlecht, und ein Team mit einem derart zahnlosen Pass-Rush wie Detroit kann sich solche Auftritte nicht leisten. Detroit braucht bessere Cover-Linebacker, einen besseren Pass-Rush und einen besseren Outside-Corner neben Slay.

Trotzdem: Ja, man muss Patricia auf jeden Fall hinterfragen, weil die Entwicklung einfach nicht so da ist, wie man sich das angesichts des vorhandenen Talents vorstellen würde.

Dennoch - und das ist mehr Bauchgefühl als irgendwas anderes - glaube ich, dass Detroit jetzt diesen mit Patricia und mit Bob Quinn eingeschlagenen "Patriots-Weg" nicht so schnell verwerfen will und deshalb auch an beiden vorerst festhalten wird. Sofern natürlich die zweite Saisonhälfte nicht zum kompletten Desaster wird.

Giants Fans Germany: Relativ simple Frage: Sollten die Giants Shurmur feuern nach der Niederlage gegen die Jets?

Ich würde es nicht jetzt machen, einfach weil ich aus Giants-Sicht meinem Rookie-Quarterback nicht in der Mitte seiner ersten NFL-Saison einen neuen Interims-Head-Coach geben will, um ihn dann zum Start seiner zweiten Saison mit seinem dritten NFL Head Coach zusammen zu bringen. Aber ja, Shurmur sollte absolut auf dem brandheißen Hot Seat sitzen.

Ich sehe im Play-Calling keinerlei Kreativität, weder was das Einsetzen von Saquon Barkley, noch was lange Second Downs oder die Red Zone oder das Anpassen der Offense an die Stärken von Daniel Jones angeht. Ich erkenne keine Handschrift und keine Ideen.

Die Giants sind für mich ein Team komplett ohne Identität aktuell und Shurmur ist zusätzlich unfassbar konservativ in seinem In-Game-Coaching - was mit der Tatsache, dass sein Team meist das weniger talentierte Team auf dem Platz ist, nicht gerade gut zusammen funktioniert.

New York sollte dementsprechend definitiv ein Kandidat für einen Trainerwechsel nach Saisonende sein. Wobei dann im nächsten Gedanken die Frage aufkommt, wie vielversprechend die Suche und Verpflichtung eines neuen Trainers unter dem alten GM wird.

Der Huub: Was passiert mit Dak Prescott nach der Saison? Bleibt er in Dallas? Was wären Alternativen?

Dass die Cowboys dieses Thema noch immer nicht beendet haben und inzwischen Berichte von Ian Rapoport nahelegen, dass wir hier auf den Franchise Tag zusteuern könnten, läuft viel zu sehr unter dem Radar.

Prescott, der gerade aus einem fantastischen Spiel gegen die Vikings kommt, ist dieses Jahr ohne Zweifel ein Top-10-Quarterback und in diversen Advanced Stats noch deutlich besser als das. Ein Franchise-Quarterback, da besteht kein Zweifel für mich. Er ist in seinem letzten Vertragsjahr und als Viertrunden-Pick gibt es keine Fifth-Year-Option.

Die Tatsache, dass die Cowboys Zeke Elliotts Vertrag über den von Prescott priorisiert haben, ist schon absurd genug und die aktuelle Saison in Big D ist wieder einmal ein glänzendes Beispiel dafür, was für ein Fehler das vom grundsätzlichen Ansatz her war. Oder ist irgendwer der Meinung, dass die Cowboys in einem Szenario ohne Elliott schlechter dastünden als in einem Szenario ohne Prescott?

Dallas sollte hier schauen, dass man möglichst schnell Nägel mit Köpfen macht und Prescott einen Vertrag vorsetzt, den der auch unterschreibt. Dass er nächstes Jahr noch in Dallas spielt, daran habe ich keinen Zweifel - notfalls eben via Franchise Tag. Doch kann das unter Umständen sehr hässlich enden, und man gibt dem Quarterback dann immer weiter alle langen Hebel in den Verhandlungen in die Hand.

Denn der kann danach einfach noch einmal unter dem Tag spielen, bis er irgendwann so teuer wird, dass das Team ihn nicht mehr auf Einjahresverträgen halten kann. Und dann hat er sein Schicksal wirklich selbst in der Hand. Wir hatten die Situation ja gerade mit Kirk Cousins.

Mit Prescott nicht vor der Saison zu verlängern ist schon jetzt ein kostspieliger Fehler, und Dallas sollte tunlichst dafür sorgen, dass der nicht noch teurer wird. Auch wenn man damit womöglich jetzt kurzfristig in den sauren Apfel beißen und ein paar Millionen mehr drauflegen muss als man wollte.

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