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Passt Kaepernick zu den Seahawks?

Colin Kaepernick könnte zu den Seattle Seahawks wechseln
© getty

Die Seattle Seahawks zeigen offenes Interesse an einer Verpflichtung von Colin Kaepernick, der Quarterback hat nach seiner Trennung von den San Francisco 49ers noch immer kein neues Team gefunden. Zu den Seahawks würde er als klarer Backup hinter Russell Wilson kommen - SPOX erklärt, warum Kaep zu den Hawks passt.

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Was ist passiert? Schon seit einigen Wochen wurde medial über Kaepernick als möglicher Seahawks-Backup spekuliert, seit Montag bekommen die Gerüchte ernsthafte Nahrung: In einem Interview bestätigte Coach Pete Carroll ein zumindest grundsätzliches Interesse.

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Gegenüber NFL-Network-Berichterstatter Michael Silver wurde Hawks-Geschäftsführer John Schneider dann noch konkreter - Schneider bestätigte, dass er Kaepernicks Berater am vergangenen Freitag kontaktiert hat. Somit scheint klar: Das Interesse der Hawks an Kaep ist kein PR-Gag, vielmehr ist Seattle ernsthaft interessiert, den 29-Jährigen als Backup für Russell Wilson zu verpflichten.

Diese Rolle hatte bisher Trevone Boykin inne - der wurde im Laufe dieser Offseason aber bereits festgenommen. Es ist somit kein Zufall, dass die Seahawks aktuell intensiv den Backup-QB-Markt sondieren. Selbst wenn Boykin fit ist und spielen kann, wäre Kaepernick rein sportlich der deutlich bessere Notfallplan.

Stilistisch ein guter Backup: Wenn man sich Seattles Offense nämlich anschaut, ist es wenig überraschend, dass jetzt Namen wie Kaepernick oder Robert Griffin III kursieren. Natürlich stechen die offensichtlichen Elemente direkt hervor: Read-Option-Spielzüge, geplante Quarterback-Runs - eine Offense, in der Kaepernick seine Athletik nutzen kann und die weniger auf eine hohe Schlagzahl sowie ein Rhythmus-Kurzpass-Spiel ausgelegt ist, als etwa Chip Kellys Offense in San Francisco zuletzt.

Ebenfalls zugute kommen sollten Kaepernick die Play-Action-Elemente in der Offense: Unter Jim Harbaugh war die 49ers-Offense einst auf ein gutes Run Game kombiniert mit Play Action und langen Pässen ausgelegt - hier fühlte sich Kaep wohl. In der Seahawks-Offense ist genau das eine gefährliche Waffe, Russell Wilson hatte in der vergangenen Saison ein Passer Rating von 121,8 bei Play Action: Der Top-Wert in der NFC laut Pro Football Focus. Bei normalen Dropbacks fiel sein Passer Rating auf 83,9.

Das große Fragezeichen ist, wie Kaepernick hinter Seattles O-Line aussehen würde. Wilsons Spiel wird durch seine Pocket-Bewegungen und sein Gefühl für den Pass-Rush deutlich aufgewertet, andernfalls würden seine Zahlen ganz anders aussehen: Wilson erlebte in der vergangenen Saison Pressure bei 41,6 Prozent seiner Dropbacks, damit lag er mehr als sieben Prozent über dem Liga-Durchschnitt über die letzten fünf Jahre (34,1 Prozent).

Kaep spielte in der vergangenen Saison teilweise sehr gut, wenn er eine saubere Pocket hatte: Sein Passer Rating belief sich dann auf 98,7. Gegen Pressure dagegen? 75. Die Seahawks hatten laut Football Outsiders eine der acht schlechtesten Lines in Pass-Protection und im Run-Blocking, hier würde Kaepernick also garantiert Probleme bekommen. Auch wenn die Seahawks mit Blick auf ihre Line optimistisch bleiben: Wilsons Verletzungen in der vergangenen Saison zeigen, dass dringend ein erfahrener Backup her muss.

Fürsprecher innerhalb des Teams: Nach wie vor gibt es die Theorie, dass mehrere Teams Kaepernick bewusst ignorieren, weil sie entweder mit seinen Protesten in der vergangenen Saison nicht einverstanden sind oder aber, weil sie sich nicht mit der damit einhergehenden öffentlichen Aufmerksamkeit beschäftigen wollen - unabhängig davon, dass Kaep bereits angekündigt hat, seinen Hymnen-Protest in der kommenden Saison nicht mehr durchzuführen.

Hier macht Seattle besonders viel Sinn: Die Seahawks sind ein Team, das bewusst Wert darauf legt, dass sich Spieler auch öffentlich frei äußern dürfen. Transparenz ist Trumpf, das wurde jüngst wieder in den Trade-Gesprächen rund um Richard Sherman mehr als deutlich. Und die Spieler nutzen diese Freiheiten - unter anderem auch, um öffentlich Kaepernick den Rücken zu stärken.

Aus keinem anderen Team wurde der Ex-Niners-Quarterback so einstimmig unterstützt. "Ich respektiere wirklich, was Kaep macht. Ich glaube, manche Leute nehmen es aus dem Kontext, weil sie nicht die gleichen Dinge erleben", stellte etwa Defensive End Cliff Avril klar, Linebacker Bobby Wagner fügte hinzu: "Ich unterstütze Kaep und die Message, für die er steht. Ich glaube, manche verstehen die Botschaft nicht richtig. Aber es passieren viele schlimme Dinge in der Welt. Und die müssen repariert werden."

Defensive End Michael Bennett ging sogar noch einen Schritt weiter: "Natürlich wird Kaepernick von den Teams ignoriert, da gibt es keinen Zweifel. Vielleicht sind sich die Spieler einig darüber, dass es für Politik im Sport einen Platz gibt. Aber die Teams und auch die Fans sehen das anders, denke ich. Die Leute wollen noch immer, dass du deinen Job erledigst und die Klappe hältst. Ich denke, er hat keinen Job, weil er seine Meinung sagt." Richard Sherman schlug in die gleiche Kerbe, Receiver Doug Baldwin und Cornerback Jeremy Lane haben öffentlich berichtet, dass sie mit Kaepernick gesprochen haben.

Kurzum: Es ist schwer vorstellbar, dass irgendein Team Kaepernick mit offeneren Armen empfangen würde.

Was hat Kaepernick zu bieten? Bei alledem der interessanteste Aspekt: Was genau bekommen die Seahawks eigentlich sportlich, wenn sie Kaepernick holen? Vorab gesagt: Den 29-Jährigen anhand der vergangenen Saison zu bewerten ist mehr als schwierig. Nicht nur, weil die Offense nicht wirklich zu seinen Fähigkeiten passte oder weil er in San Francisco nur sehr überschaubare Qualität um sich herum hatte.

Kaep war auch lange körperlich nicht in seiner gewohnten Verfassung, drei Operationen sorgten dafür, dass er deutlich an Gewicht verlor. Diese Zeiten sind vorbei, Kaepernick hat sich wieder auf sein altes NFL-Gewicht (etwa 225 Pfund) hoch trainiert.

Vor allem aber, und das stimmt bei der Bewertung des einstigen Shootingstars positiv, hat er in der Pocket positive Tendenzen gezeigt. Er wirkte hier sicherer und entwickelte ein besseres Gefühl für den Pass-Rush, die Augen blieben länger Downfield. In der Folge kamen seine Runs mit besserem Timing und nicht mehr so überhastet.

All das muss aber noch merklich weiterentwickelt werden, genau wie seine Passgenauigkeit. Nicht umsonst waren 2,1 Prozent seiner Würfe sogenannte "Interceptable Passes" (die zweithöchste Quote), also Pässe, die so riskant oder ungenau waren, dass sie in Interceptions hätten enden können.

SPOX-Fazit: Dass Kaepernick nirgendwo mit wehenden Fahnen als neuer Starter verpflichtet wird, sollte über die letzten Monate jedem klar geworden sein. Für Kaep geht es darum, bei einem Team wieder Fuß zu fassen, sich als Pocket-Passer weiter zu entwickeln und idealerweise in der Preseason und einigen Kurzeinsätzen während der Saison anderen Teams zu zeigen, dass er sehr wohl noch ein Starting-Quarterback sein kann.

All diese Aspekte wären in Seattle erfüllt.

Die Gerüchte, wonach er zu viel Geld verlangen soll, hat Kaepernick jüngst selbst dementiert - genau wie die Meldungen von einem vorzeitigen Karriereende. "Es gab keinerlei Ablenkungen", stellte Ex-Niners-Coach Chip Kelly mit Blick auf die Proteste klar und sein Vor-Vorgänger Jim Harbaugh verwies Berichte, laut welchen Kaepernick an Football nicht allzu viel liege, energisch in das Reich der Märchen.

Die Seahawks wären, vorausgesetzt Kaepernick ist mit einer klar definierten Backup-Rolle sportlich wie finanziell einverstanden, in vielerlei Hinsicht das perfekte Team für den Quarterback. Und das schließt die Möglichkeit, sich wieder als Starting-Quarterback in Position zu bringen, ausdrücklich ein.

Kaepernicks NFL-Statistiken seit 2012:

SpieleCompletionsYardsTouchdownsInterceptionsRunsYardsTouchdowns
201612196/3312.241164694682
20159144/2441.61565452561
201416289/4783.36919101046391
201316243/4163.197218925244
201213136/2181.814103634155

Der Spielplan der kommenden Saison im Überblick

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