NFL

Alljährlicher Aufbruch ins Ungewisse

Für die San Diego Chargers stehen in der Offseason gleich mehrere kritische Fragen an
© getty

Das Ende der Regular Season war auch 2016 vor allem von einem geprägt: Neuanfänge, wohin das Auge schaut! Während die Los Angeles Rams, die Jacksonville Jaguars und die Buffalo Bills ihre Head Coaches bereits in den vergangenen Wochen entlassen hatten, zogen in Week 17 die 49ers und die San Diego Chargers nach. Anders ist die Situation in Denver - mit allerdings dem gleichen Resultat: Neue Head Coaches müssen her, es ist einmal mehr ein Aufbruch ins Ungewisse.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

San Diego Chargers (5-11) - Mike McCoy

Weshalb die Entlassung? Auf eine 4-12-Saison folgten fünf Siege und elf Pleiten in der gerade beendeten Regular Season - und auch wenn San Diego dabei jeweils von großem Verletzungspech verfolgt wurde: McCoy, ohnehin nicht gerade bekannt für gutes Play-Calling, war nicht unschuldig daran, dass die Chargers mehrfach enge Spiele auf absurde Art und Weise herschenkten. Die Pleite bei den ansonsten sieglosen Cleveland Browns in Week 16 dürfte wenig geholfen haben.

Erlebe ausgewählte NFL-Spiele Live auf DAZN. Hol Dir jetzt Deinen Gratismonat

Gleichzeitig gibt es nicht komplett abwegige Fragen danach, ob McCoy aufgrund der zahlreichen individuellen Fehler - Philip Rivers' 21 Interceptions, darunter einige spielentscheidend, waren ein persönlicher Karriere-Höchstwert - sowie der vielen Ausfälle in einem anderen Jahr geblieben wäre. Doch die komplett unsichere Zukunft des Teams, über dessen Kopf das Damoklesschwert "Umzug" jetzt so tief wie noch nie schwebt, haben den Neuanfang womöglich zusätzlich befeuert.

Wo steht das Team? Das nämlich ist das bestimmende Thema: Die Chargers haben noch bis zum 15. Januar Option, sich den Rams anzuschließen und nach Los Angeles zu gehen. Der von der Liga nach wie vor angestrebte Verbleib in San Diego klappt wohl nur, wenn die NFL dafür Gelder zur Verfügung stellt.

Sieht man von diesem, zugegebenermaßen großen, Faktor ab, ist der Chargers-Job einer der attraktiveren offenen Posten. Ein Franchise-Quarterback, ein junger Star-Verteidiger in Joey Bosa, mit Melvin Gordon ein Running Back, der eindrucksvoll den Schalter umgelegt hat, sowie mehrere gute Cornerbacks und Receiver stehen zur Verfügung.

Abseits des Platzes allerdings dürfen Coaching-Kandidaten ihrerseits auch einige Fragen haben - das Vertrags-Desaster mit Bosa in der Offseason ist nur ein Beispiel für die Management-Probleme bei den Chargers. Die Spieler etwa erfuhren von McCoys Entlassung nicht gemeinsam oder von den Team-Bossen, sondern über die Medien. Teilweise gar von Freunden oder ihren Frauen, die die Nachricht im Fernsehen gesehen hatten.

Wer kommt in Frage? "Ein Lehrer, Kommunikator, Motivator - ein Leader", fasste Geschäftsführer Tom Telesco das Anforderungsprofil am Montag zusammen. Erstmals wird Team-Präsident John Spanos die Head-Coaching-Suche anführen, das Komitee besteht aus Spanos, Telesco, Team-Besitzer Dean Spanos und Vize-Präsident Ed McGuire. Die Tendenz könnte in Richtung Defense gehen, um die junge, talentierte Defensive weiter aufzubauen. Eagles-Defensive-Coordinator Jim Schwartz oder Patriots-Defensive-Coordinator Matt Patricia etwa. Darüber hinaus gibt es Gerüchte über Chiefs-Special-Teams-Coach Dave Toub.

San Francisco 49ers (2-14) - Chip Kelly

Weshalb die Entlassung? Nur zwei Siege, beide gegen die über weite Strecken ebenfalls desolaten Los Angeles Rams, sowie eine, spätestens seit dem Ausfall von NaVorro Bowman, historisch schlechte Run-Defense. 4,8 Yards pro Lauf erlaubten die 49ers unter dem Strich, sowie 165,9 Rushing-Yards pro Spiel und 25 (!) Rushing-Touchdowns - allesamt ligaweite Höchstwerte, lediglich bei den Yards pro Run gibt es den geteilten "ersten" Platz, gemeinsam mit Miami.

Wer spielt wann? Die Playoff-Termine stehen fest

Von den 14 Pleiten setzte es sieben mit mindestens 17 Punkten Abstand. Zu häufig wirkte es, als wäre San Francisco nicht konkurrenzfähig. Auf der anderen Seite ist das mit Blick auf die pure Qualität im Kader nicht wirklich überraschend, ein hoher Draft-Pick war auch vor Saisonbeginn die logischste Prognose.

Daher rücken zunehmend andere Faktoren in den Mittelpunkt: Die Niners wollten nach zwei verlorenen Jahren offensichtlich um jeden Preis den Neuanfang und entließen deshalb nach Jim Tomsula auch Kelly nach nur einer Saison - und trennten sich vor allem von Geschäftsführer Trent Baalke. San Francisco will ganz offenbar eine neue Geschäftsführer-Head-Coach-Kombination, und sich nicht bei der Suche nach dem neuen GM durch Kelly möglicherweise einschränken.

Dem fiel er letztlich mutmaßlich wohl eher zum Opfer, als den sportlichen Leistungen, die schlicht kaum bewertbar sind. Gleichzeitig gilt aber dennoch für Kelly: Er wird sein Scheme anpassen müssen, will er in der Liga bleiben.

Wo steht das Team? Am Anfang. Die Niners müssen es einerseits schaffen, auch hinter den Kulissen rund um Team-Besitzer Jed York wieder eine produktive Atmosphäre zu kreieren - hier bestimmte in den vergangenen Jahren genau das Gegenteil den Ton. Zwei Head-Coach-Entlassungen in aufeinanderfolgenden Jahren gab es seit 30 Jahren nicht mehr.

Sportlich gibt es wenige Säulen, um die sich San Francisco in den kommenden Jahren herum aufbauen kann. Joe Staley ist ein solcher Spieler, der Left Tackle wird beim Start der nächsten Saison allerdings bereits 33 Jahre alt sein. Dahinter zeigte Running Back Carlos Hyde vielversprechende Leistungen, hielt aber erneut keine 16 Spiele durch. Vor allem die defensive Front um Bowman, DeForest Buckner und Arick Armstead sorgt für Hoffnung.

Ansonsten regieren Fragezeichen. Colin Kaepernick, in der zweiten Saisonhälfte mit einigen guten Auftritten, wird mutmaßlich seine Vertragsoption ziehen und sich auf dem Free-Agency-Markt nach Alternativen umschauen. Das Receiving-Corps ist eine riesige Baustelle, auch Torrey Smith hat noch nicht bewiesen, dass er ein Nummer-1-Receiver ist.

Wer kommt in Frage? Bei den 49ers muss ein Coach her, der bereit dazu ist, Jahre in einen Neuaufbau zu investieren - zunächst aber stellt sich die Frage, wie die Macht-Verteilung zwischen Geschäftsführer und Head Coach aussehen soll. Erste Tendenzen gehen zu Packers-Verantwortlichen, wo San Francisco gleich zwei Kandidaten angefragt hat. Die Head-Coaching-Suche beinhaltet bislang Patriots-Offensive-Coordinator Josh McDaniels, Bills-Interim-Coach Anthony Lynn und Falcons-Offensive-Coordinator Kyle Shanahan.

Jacksonville Jaguars (3-13) - Gus Bradley

Weshalb die Entlassung? 14 Siege und 48 Niederlagen, nie mehr als fünf Siege in einer Saison, und das in einer der aktuell schwächeren Divisions - Gus Bradley war nicht mehr zu halten, die Entlassung nach knapp vier Jahren in Jacksonville war schon zur Saisonmitte ein mehr oder weniger offenes Geheimnis.

Zwar war und ist er bei seinen Spielern unglaublich beliebt, sportlich aber gelang es Bradley nie, den Vorschusslorbeeren, mit denen er als Defensive Coordinator der Seahawks einst gekommen war, gerecht zu werden. Nicht einmal ansatzweise. Die großen Erwartungen der vergangenen Offseason, die Bradley letztlich ebenfalls zum Verhängnis wurden, wurden kurioserweise auch stark durch die guten Ansätze der Offense in der 2015er Saison befeuert.

Wo steht das Team? Bedenkt man die verheerende Bilanz der letzten vier Jahre, ist das Team auf dem Papier in besserem Zustand, als man vermuten würde. Tatsächlich schaffte es Bradley, auch dank Rookie Jalen Ramsey und Free-Agency-Neuzugang Malik Jackson, die Defense in dieser Saison zumindest merklich zu verbessern - nur Denver ließ 2016 weniger Yards pro Pass zu (5,8) als die Jaguars (6,6), 20 zugelassene Passing-Touchdowns sind der fünftbeste Wert.

Allerdings verkam die auch auf dem Platz sichtbare Verbesserung in diesem Bereich durch den Absturz von Blake Bortles zur Randnotiz. Der verriet zwar am Montag gegenüber ESPN, dass er die Saison mit zwei Schultereckgelenkssprengungen sowie einer Handgelenksverletzung bestritten hat. Das alleine dürfte die mechanischen Defizite, die sich Bortles selbst längst eingestanden hat, aber auch nicht erklären. Ein neuer Head Coach könnte mit Bortles deutlich weniger Geduld haben.

Auf der anderen Seite gibt es positive Faktoren: Team-Besitzer Shad Khan hat bei Bradley Geduld bewiesen, und der Medien-Markt rund um die Jaguars ist äußerst überschaubar und längst nicht so kritisch wie in den großen Städten.

Wer kommt in Frage? Die große Frage wird lauten: Verpflichten die Jags einen defensiv geprägten Coach, um die talentierte Defense zu entwickeln, und kombinieren den mit einem starken Offensive Coordinator, der Bortles wieder in die Spur bekommt - oder gehen sie den genau umgekehrten Weg? Ex-Giants-Coach Tom Coughlin, der die Jaguars bereits von 1995 bis 2002 als Head Coach trainiert hat, galt als erster heißer Kandidat und könnte für dieses Team mit seiner Erfahrung nicht die schlechteste Wahl sein. Weitere bisher genannte Optionen: Josh McDaniels (Offensive Coordinator Patriots), Kyle Shanahan (Offensive Coordinator Falcons) und Harold Goodwin (Offensive Coordinator Cardinals).

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema