NBA

Fast schon Warriors-Niveau

Gordon Hayward (r.) und Rudy Gobert - zwei Eckpfeiler des Erfolgs in Utah
© getty

Schlagzeilen wurden anderswo geschrieben, aber nur wenige Teams nutzten die Offseason so effektiv wie die Utah Jazz. Der Kader strotzt dermaßen vor Talent, dass das größte Fragezeichen wohl die Spielzeit der einzelnen Spieler sein wird - auch die von Tibor Pleiß. Unabhängig davon müssen die Playoffs am Salzsee in dieser Saison als Minimalziel gelten.

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Die Transaktionen: Utah-GM Dennis Lindsey wurde schon früh im Sommer sehr aktiv. Schon vor dem Draft verständigte er sich mit den Atlanta Hawks und den Indiana Pacers auf einen Trade, der Utah in George Hill einen neuen Starting Point Guard bescherte - dafür musste nur der eigene First-Round-Pick (#12, Taurean Prince) abgegeben werden.

Seine Arbeit hatte Lindsey damit aber noch nicht beendet. Er tradete Trey Burke für einen zukünftigen Zweitrundenpick nach Washington und ließ Trevor Booker als Free Agent zu den Brooklyn Nets ziehen, zudem bediente er sich in der zweiten Runde und holte Tyrone Wallace, Joel Bolomboy sowie Marcus Paige, den er am Draft-Abend von den Nets ertradete.

Außerdem holte er Veteranen. Joe Johnson wurde mit einem Zweijahresvertrag über 22 Millionen Dollar ausgestattet. Nachdem die Spurs sich mit Pau Gasol geeinigt hatten und Cap-Space schaffen mussten, schlug er auch noch bei Boris Diaw zu: Der französische Big Man kam für den eher symbolischen Gegenwert der Rechte an Olivier Hanlan nach Salt Lake City.

Die Strategie: An den getätigten Moves lässt sich Utahs Plan sehr gut erkennen. Mit ihrem Kern waren die Jazz bereits zufrieden, es ging nur darum, den Kader punktuell zu verstärken. So ergibt beispielsweise die Verpflichtung von Hill Sinn: Der 30-Jährige hilft kurzfristig weiter und komplettiert eine ohnehin imposante Starting Five, langfristig stehen dem Rekonvaleszenten Dante Exum auf der Eins aber alle Türen offen, wenn er sich dafür empfehlen kann.

Bei den weiteren Neuzugängen verhält es sich ähnlich. Johnson bringt dringend benötigte Erfahrung auf dem Flügel und einen weiteren guten Clutch-Shooter, gleichzeitig kommt er nicht mit der Erwartung, den "Young Guns" Rodney Hood und Gordon Hayward ihre Starting Spots streitig zu machen.

Bei Diaw sieht das ähnlich aus, allerdings birgt seine Verpflichtung ein gewisses Risiko: BoBo wirkte in der letzten Saison merklich gealtert und trumpft nur dann wirklich auf, wenn er sich wohl fühlt - aber für den Gegenwert Hanlan konnten die Jazz dieses Risiko allemal eingehen. Zumal nur sein nächstes Vertragsjahr voll garantiert ist.

Spannender und wichtiger ist ohnehin die Entwicklung der jungen Leute. Hayward, Hood, Derrick Favors, Rudy Gobert, Exum und Sophomore Trey Lyles haben alle noch massig Luft nach oben, auch Alec Burks ist nach etlichen Verletzungen wohl endlich wieder komplett fit.

Der gesamte Kader scheint bereit für den nächsten Schritt, und dabei sollen die drei namhaften (und etwas betagteren) Neuzugänge allesamt helfen. Im Jazz-Kader hat außer ihnen fast niemand signifikante Playoff-Erfahrung vorzuweisen, das soll sich in dieser Saison nun bitteschön ändern.

Sollte es nicht klappen, müssten sich die Jazz wohl ernsthafte Sorgen machen, dass ein frustrierter Hayward im nächsten Sommer als Unrestricted Free Agent anderswo unterschreibt.

Die Schwachstellen: Eine der großen Schwächen aus dem Vorjahr konnte Lindsey beheben - er verfügt jetzt über einige gestandene Veteranen. Gegen die allergrößte Schwäche ist allerdings jeder Manager der Welt machtlos, der nicht zufällig noch nebenher als gallischer Druide arbeitet: Utah baut auf viele Spieler, die in der Vergangenheit häufig Anzüge tragen mussten.

Im Gegensatz zu den letzten Jahren ist Utah nun aber besser aufgestellt, um eventuelle Ausfälle zu verkraften. Richtig bitter wäre es nur, wenn Gobert oder Favors erneut für längere Zeit pausieren müssten.

Auf dem Papier hat Utah also nur noch wenig Schwächen. Eine Starting Five aus Hill, Hood, Hayward, Favors und Gobert kann und wird defensiv überragen und ist auch offensiv mehr als konkurrenzfähig. Zumal mit Lyles, Burks, Exum und eben Diaw und Johnson noch weitere durchaus potente Optionen Gewehr bei Fuß stehen.

Ein Go-to-Guy im klassischen Sinne fehlt vielleicht noch, aber sowohl Hayward als auch Hood können diese Rolle schon recht gut ausfüllen. Hood deutete in der vergangenen Saison zudem an, dass er durchaus schon bald ein 20-Punkte-Scorer werden könnte.

Die größte Frage neben der Gesundheit ist vielleicht die folgende: Kann Coach Quin Snyder all seine Spieler zufriedenstellen? Es gibt nur eine begrenzte Anzahl an Minuten und fast schon zu viele Spieler, die Minuten sehen "müssen".

Beispiel Tibor Pleiß: Wie der Deutsche, der im SPOX-Interview kürzlich den Wunsch auf mehr Spielzeit äußerte, tatsächlich häufiger eingesetzt werden soll, ist eine gute Frage angesichts der großen Tiefe im Kader.

Das Fazit: Gemäß den Möglichkeiten hat Utah alles richtig gemacht. Natürlich wäre ein fetter Free Agent à la Durant oder Horford nett gewesen, aber eine solche Verpflichtung war für die Jazz weder realistisch noch notwendig. Sie haben ein tiefes und talentiertes Team noch tiefer, talentierter und zudem erfahrener gemacht, ohne sich dabei irgendetwas zu verbauen.

Der Preis für Johnson war überraschend niedrig, der Deal für Diaw ein klassischer Move mit hohem Ertrag und wenig Risiko. Und Hill ist zwar nicht der größte Name, gibt den Jazz aber genau das, was sie brauchen. Er kennt die Rolle des Spot-Up-Shooters abseits des Balles bestens, das Playmaking werden ohnehin Hayward und Hood übernehmen. Zudem ist er einer der besten Defender auf seiner Position.

Die Jazz scheinen perfekt dafür aufgestellt, endlich die Hürde zu überspringen und die Playoffs nicht nur zu erreichen, sondern dort auch direkt Eindruck zu hinterlassen. Bleiben sie von Verletzungen einigermaßen verschont, ist selbst der Heimvorteil im Westen keine absurde Vorstellung mehr.

Die Jazz gehören zu den größten Gewinnern dieser Offseason. Außerhalb von Oakland, versteht sich.

Note: 1-

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