NBA

Nur nichts überstürzen

Andre Drummond will mit den Detroit Pistons hoch hinaus
© getty

Die Detroit Pistons haben im Sommer mit ihrem Franchise-Player Andre Drummond verlängert und ihre zuvor schwache Bank verstärkt - daher kann man sie nicht als Verlierer des Sommers bezeichnen. Stan Van Gundy muss sich am Ende aber doch fragen lassen, ob er nicht noch mehr hätte herausholen können.

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Die Transaktionen: Obwohl die ganz großen Deals ausblieben, hatte Pistons-Boss Stan Van Gundy einen recht aktiven Sommer. An erster Stelle ist hier natürlich der neue Maximalvertrag für Andre Drummond zu nennen, wenngleich dieser für niemanden überraschend kam. Es blieb aber bei weitem nicht dabei.

SVG sortierte aus - Jodie Meeks, Anthony Tolliver, Spencer Dinwiddie und Joel Anthony sind weg - und ersetzte die Abgänge mit Rookies (Henry Ellenson, Michael Gbinije) sowie drei mehr oder weniger namhaften Free Agents.

Die klaffende Lücke als Backup-Point-Guard soll Ish Smith füllen, der für drei Jahre und 18 Millionen Dollar aus Philadelphia kam. Jon Leuer wurde für vier Jahre und 42 Millionen aus Phoenix geholt, um als Backup-Vierer für Gefahr aus der Distanz zu sorgen. Und Center-Hüne Boban Marjanovic (drei Jahre, 21 Millionen) kam aus San Antonio, um von nun an in Michigan Angst und Schrecken zu verbreiten.

Die Strategie: Schon zur Trade Deadline hatte Detroit mit Tobias Harris seinen "großen Free Agent" geholt, wie Van Gundy es ausdrückte. In der tatsächlich Free Agency ging es neben Drummond daher vor allem darum, die in der vergangenen Saison miserable Bank aufzuwerten. Das war auch dringend nötig.

Die Starting Five aus Reggie Jackson, Kentavious Caldwell-Pope, Marcus Morris, Harris und Drummond gehörte vergangene Saison schon zu den besseren der Liga, zudem ist keiner von ihnen über 26 Jahre alt - auf diesem Fundament lässt sich aufbauen. Danach fehlte es abgesehen vom talentierten Stanley Johnson aber an produktiven Alternativen, was SVG im Sommer nun zu ändern versuchte.

Wie gut ihm das gelungen ist, wird sich erst während der Saison zeigen, aber auf dem Papier ergeben die Verpflichtungen allesamt Sinn. Leuer ist mit seiner Vielseitigkeit und seinem Wurf (38,2 Prozent von der Dreierlinie) ein Forward nach Van Gundys Geschmack und wohl gut mit Drummond kompatibel. Marjanovic deutete in geringer Rolle für die Spurs an, dass er durchaus effizient spielen kann, und empfahl sich für eine größere Aufgabe, die er in Detroit auch bekommen wird.

Und Smith? Der kleine Point Guard stand in seinen sechs NBA-Jahren bereits bei zehn Teams unter Vertrag, was normalerweise kein gutes Zeichen ist. Vergangene Saison spielte er bei den Sixers aber den besten Basketball seiner Karriere (14,7 Punkte, 7 Assists) im Schnitt.

Diese Zahlen werden zurückgehen, aber das ist auch in Ordnung: Er soll nur ein besserer Jackson-Backup sein als der mittlerweile 36-jährige Steve Blake, der den Posten Ende der letzten Saison innehatte.

Die Schwachstellen: Auch wenn die Pistons ihre Bank etwas verstärkt haben, kann man noch immer nicht von einem tiefen Team sprechen. Ellenson hat großes Potenzial, ob er direkt einen Platz in der Rotation einnehmen kann, ist aber nicht sicher. Verlässliche Bankspieler sind in Detroits Kader auch jetzt noch Mangelware.

Zudem ist das Offensiv-Potenzial weiterhin ein Stück weit limitiert, da sich noch immer nicht wirklich viele gute Schützen im Kader finden. Vergangene Saison traf Detroit 34,5 Prozent seiner Dreier (Rang 22 in der Liga), daran wird Leuer alleine nicht viel ändern können. Sollten Spieler wie KCP (30,9 Prozent), Johnson (30,7) oder Jackson (35,3) sich hier nicht signifikant steigern, kann Spacing ein echtes Problem werden.

Zu guter Letzt: Es gibt schlechtere One-Two-Punches als Jackson und Drummond, deren Pick-and-Roll vergangene Saison zu den verheerendsten Offensiv-Waffen der Liga gehörte. Aber man erlebt bei Drummond eben auch weiterhin das alte Dilemma. Wenn der Bestverdiener nur 35,5 Prozent seiner Freiwürfe trifft, ist das am Ende des Spiels eine echte Hypothek, selbst wenn die Regeln nun ein bisschen angepasst wurden.

Insgeheim hofft Van Gundy vermutlich, dass Rockets-Rookie Chinanu Onuaku die Unterhand-Freiwürfe a la Rick Barry tatsächlich salonfähig macht und sich Drummond anschließt. Ohne signifikante Steigerung in diesem Bereich wird dem Offensiv-Potenzial der Pistons immer eine künstliche Grenze auferlegt sein.

Der Hoffnungsträger: Der Kader ist im Kern so jung, dass man hier etliche Spieler nennen könnte, aber den größten Sprung erhofft man sich vermutlich von Harris. Vergangene Saison brach die Pistons-Defense nach seinem Trade etwas ein, da er sich noch nicht ideal zurechtfand. Das soll nach einem vollständigen Training Camp mit dem Team nun anders werden - und auch offensiv soll er ein Schlüsselspieler werden.

Harris wirkt älter, weil er gefühlt schon zehn Jahre in der Liga spielt, aber der Forward ist erst vor knapp zwei Wochen 24 Jahre alt geworden und hat seine beste Zeit noch vor sich. Für die Pistons könnte er Gold wert sein, wenn er sein Shooting aus der letzten Saison konservieren oder im Idealfall noch steigern kann (37,5 Prozent nach dem Trade).

Harris wird wahrscheinlich kein All-Star werden, aber wenn er den Pistons eine verlässliche zweite oder dritte Option gibt und seinen Wurf einigermaßen sicher trifft, wäre dem Team extrem geholfen. Detroit ist nicht gerade ein Magnet für Free Agents, da muss man sich auf andere Wege kreativ verstärken. Zur Erinnerung: Jackson kam auch per Trade - und für Harris gab man lediglich Ersan Ilyasova und Brandon Jennings ab.

Das Fazit: Auch wenn man Van Gundys Herangehensweise verstehen kann und die Pistons allein wegen Drummond mit Sicherheit kein Verlierer des Sommers sein können, muss man folgendes auch festhalten: So wirklich gravierend weitergekommen sind sie nicht. Dafür waren sie letztlich dann doch ein bisschen zu passiv.

Die Bank hat zwar ein Upgrade erfahren - bevor man Ellenson und Co. wirklich beurteilen kann, ist dies aber nur ein Upgrade von "miserabel" zu "unterdurchschnittlich". Weder Leuer, noch Smith oder Marjanovic haben bisher auf konstanter Basis in der NBA abliefern können. Mindestens einen gestandenen Flügelspieler mit verlässlichem Wurf hätte es zudem auch noch brauchen können.

Um das klarzustellen: Dass Detroit auf seinen jungen Kern gesetzt und daher nicht zwanghaft für neue Starter die Kohlen rausgehauen hat, war absolut sinnvoll, denn jeder Pistons-Leistungsträger kann individuell noch wachsen. Das hat Utah aber beispielsweise auch getan - und die Qualität seines Kaders dabei trotzdem noch deutlich mehr gesteigert.

Note: 3

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