NBA

Die Zukunft beginnt...noch nicht

Ben Simmons ist einer der Hoffnungsträger bei den Philadelphia 76ers
© getty

Mit Ben Simmons haben sich die Philadelphia 76ers den besten Spieler des Drafts gesichert. Der vor Jahren noch von Sam Hinkie angestoßene "Prozess" ist aber noch nicht abgeschlossen - auch wenn der Vater der Idee inzwischen weg ist. Das Augenmerk liegt bei allem spielerischen Talent nach wie vor auf der Zukunft, die auch finanziell mehr als rosig aussieht. Wen interessiert da schon kurzfristiger, sportlicher Erfolg?

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Die Transaktionen:

Mit dem Gewinn der Draft-Lottery zogen die Philadelphia 76ers wenig überraschend Ben Simmons an erster Stelle. Er gilt als der beste Spieler seines Jahrgangs und passt damit in die Draft-Taktik des Sixers-"Prozesses" der letzten Jahre, auch wenn Rebuild-Fan Sam Hinkie seinen Posten als GM vor dem Ende der letzten Saison räumen musste.

Ebenfalls über den Draft fand Timothe Luwawu-Cabarrot den Weg in die Stadt der brüderlichen Liebe. Er ist ein noch roher Spieler, der Potenzial zu einem 3-and-D-Spezialisten aufweist. Auch in der Free Agency war Hinkie-Nachfolger Bryan Colangelo aktiv: Er holte Jerryd Bayless aus Milwaukee (3 Jahre, 27 Millionen), Gerald Henderson aus Portland (2 Jahre, 18 Millionen) und Sergio Rodriguez aus Madrid (1 Jahr, 6,8 Millionen). Darüber hinaus wagte auch Dario Saric, an dem die Sixers ohnehin die Rechte hielten, für 2 Jahre und 4,7 Millionen den Schritt über den großen Teich,.

Abgänge gab es ebenfalls zu vermelden: Isaiah Canaan, Ish Smith, Christian Wood, Kendall Marshall und Carl Landry werden künftig andernorts ihr Geld verdienen.

Tibor Pleiß, der nach seinem Trade kurzzeitig ein Mitglied der Sixers war, stellte für Philly lediglich die Möglichkeit dar, an zwei weitere Zweitrunden-Picks zu gelangen. Ernsthaftes Interesse an seinen Diensten hatte die Franchise nie.

Die Strategie:

Auch wenn Hinkie weg ist, ging der von ihm eingeläutete Prozess vorerst weiter - zumindest im Draft. Ein "fertiger" Guard hätte dem Roster sicherlich besser zu Gesicht gestanden als Forward Simmons (auch, wenn er auf lange Sicht auf der Eins spielen könnte) - doch das Front Office entschied sich erneut für den "Best Player available".

Mit ihm, Jahlil Okafor, Nerlens Noel und dem wohl endlich gesunden Joel Embiid hat Head Coach Brett Brown einen unglaublich talentierten Frontcourt beisammen, der noch auf die entsprechende Unterstützung von den kleinen Positionen wartet. Hier hat Colangelo mit dem vorhandenen Talent und die vielen Picks Bausteine am Start, um früher oder später den großen Move zu vollziehen, der dann endgültig den letzten Schritt des Rebuilds einläuten würde.

Es deutet allerdings viel darauf hin, dass er sich damit - genau wie sein Vorgänger - noch Zeit lässt. Zwar steht nach wie vor ein Trade im Raum, der entweder Noel oder Okafor beinhalten würde, doch die flexible Zukunft würden die Sixers dafür nicht opfern. Sie haben im nächsten Jahr das Recht, in der ersten Draft-Runde ihren Pick mit den Kings zu tauschen und besitzen obendrein den Top-3-geschützten Pick der Lakers. Beim sehr stark eingeschätzten 2017er-Jahrgang wird Colangelo noch einmal hochkarätig zuschlagen wollen, bevor er sein Team für den Wettkampf rüstet.

Die Verpflichtungen von Bayless und Henderson hingegen passen nicht ganz ins Bild der letzten Jahre. Allerdings: Irgendwelche Spieler braucht man schließlich auch für den Backcourt - und spätestens 2019 sind die Sixers beide Verträge wieder los. Das Risiko ist also gering, was auch für Rodriguez' Einjahresvertrag gilt. Dazu stört man sich sicherlich auch nicht daran, mal wieder mehr als zehn Spiele zu gewinnen.

Es bleibt also dabei, dass Philadelphias Cap Space in der Zukunft riesig ist: 2019 ist nur noch das Gehalt von Bayless garantiert, während die Zukunft von Noel, Okafor, Simmons oder Saric in den Händen der Franchise liegt. Alle werden entweder Restricted Free Agents oder haben Team-Optionen in ihren Rookie-Verträgen stehen.

Die Schwachstellen:

Der Kader ist nach wie vor nicht ausbalanciert. Während der Frontcourt vor Potenzial nur so strotzt und es schwer werden wird, alle Minuten gerecht zu verteilen, sieht es im Backcourt mau aus: Rodriguez muss nach seiner ersten NBA-Zeit von 2007 bis 2010 erst noch zeigen, dass er auch in der NBA ein Scorer sein kann. Bayless und Henderson haben zwar ihre Momente, ein Team angeführt haben sie aber noch nie. Zudem ist Henderson recht verletzungsanfällig. Wer zieht also die Fäden? Gut möglich, dass Simmons' Playmaker-Fähigkeiten früher gebraucht werden, als geplant.

Dass er dazu in der Lage ist, hat er bereits in der Summer League gezeigt. Doch seine größte Baustelle ist und bleibt der Sprungwurf, der sich im Spiel natürlich am besten abseits des Balles trainieren lässt. Und überhaupt: Wer sorgt dafür, dass Saric, Noel, Okafor oder Embiid ihren Stärken entsprechend eingesetzt werden? Ihre Entwicklung steht noch über dem sportlichen Erfolg, doch auch sie brauchen Platz und vernünftige Touches, damit ihnen nicht die Lust vergeht. Was diesbezüglich Hoffnung macht: Rodriguez hat ein großes Spielverständnis und ein kleines Ego. Seine Verpflichtung könnte sich also gelohnt haben.

Die Hoffnungsträger:

Mit Simmons und Embiid haben die Sixers gleich zwei heiße Kandidaten für den Rookie des Jahres. Bei Simmons stellt sich die Frage, wie schnell er sich entwickelt und wie sehr ihn sein fehlender Sprungwurf hindert. Wird er der nächste Giannis Antetokounmpo? Oder doch einfach nur ein positionsloser Spieler mit zu kurzen Armen und ohne Wurf?

Bei Embiid dagegen hängt viel von der Gesundheit ab. Nachdem er sich bei den Draft-Workouts 2014 den Fuß brach, dauerte seine Regeneration inklusive Operationen zwei Jahre. Nun soll er aber endlich bei 100 Prozent sein und kann es kaum erwarten, ins Training Camp einzusteigen. Mit seinen 2,13 Meter und seiner Athletik samt Ballgefühl hat er das Zeug, um zu einem der dominantesten Center des Ostens zu werden, offensiv wie defensiv. Wenn denn die Knochen mitmachen...

Das Fazit:

Auch wenn Hinkie weg ist, hat sich an der Strategie der Sixers in diesem Sommer noch nicht viel geändert. Das Augenmerk liegt weiterhin auf der Zukunft, die mit dem jungen und unglaublich talentierten Quartett (oder bald nur noch Trio) rosig aussieht. Das gilt nicht nur sportlich, sondern auch finanziell: Kaum ein Team ist so flexibel aufgestellt.

Man kann also vom jahrelangen Umbau-Prozess halten, was man will: Der Langzeitplan scheint nach wie vor aufzugehen. Die Restrisiko-Faktoren wie Verletzungen und ausbleibende Entwicklungen lassen sich dabei einfach nicht vermeiden.

Eines sollte dennoch niemand erwarten: Dass es in der kommenden Saison deutlich mehr Siege gibt als in der vergangenen. Ob sich das Front Office daran stört? Eher nicht. Dank Simmons geht der Weg der Sixers aber weiter nach oben. Stück für Stück.

Die Note: 2-

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