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NBA Draft 2022 - Chet Holmgren: Warum der potenzielle Top-Pick so polarisiert

Chet Holmgren ist der Top-Favorit, um der nächste NBA-Top-Pick zu werden.
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Chet Holmgren gilt als Top-Favorit auf den ersten Pick im NBA Draft 2022, dennoch polarisiert der 19-jährige Center. Warum ist das so und was kann der Big Man eigentlich, der vor gut drei Jahren nur durch ein Eins-gegen-Eins-Duell mit Warriors-Star Stephen Curry viral ging?

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Manchmal reicht schon eine Szene, um Zweiflern genügend Futter zu geben. Bei Chet Holmgren war das am Samstagabend in der zweiten Runde von March Madness nicht anders. Der Gonzaga-Center gilt als Favorit für den ersten Pick im NBA Draft 2022 und doch gibt es nicht wenige Experten, Scouts und Fans, die dies ein wenig anders sehen.

Es war in der zweiten Halbzeit, als Memphis-Big Jalen Duren, ebenfalls als Top-10-Pick gehandelt, Holmgren per Post-Up attackierte, dieser zu Boden ging und Duren explosiv dunkte. "Holmgren ist dünn, Holmgren hat keine Kraft. Wie soll das in der NBA werden, wenn Holmgren Spiel für Spiel auf Muskelpakete wie den Tigers-Center trifft?", dürften sich die Zweifler gedacht haben.

So ungefähr war der Tenor nach den 40 Minuten, in denen Holmgren dennoch auf 9 Punkte, 9 Rebounds, 4 Blocks und das beste Plus-Minus aller Spieler (+18) kam. Und nebenbei: Gonzaga gewann das Spiel nach 14-Punkte-Rückstand, Duren traf nur drei von elf Würfen.

Chet Holmgren: Das Gewicht steht immer im Mittelpunkt

Es ist die alte Leier mit Holmgren, der ob seiner Statur natürlich leicht herausgepickt werden kann. Bei einer Körpergröße von 2,13 Meter bringt der 19-Jährige gerade einmal 88 Kilo auf die Waage und wirkt entsprechend staksig, obwohl er für seine Größe eigentlich ziemlich mobil ist.

"Manchmal sieht er auf dem Feld wie Bambi aus", befand der ehemalige San Francisco-Coach Todd Golden, um aber auch nachzuschieben: "Man kann ihn dennoch nicht herumschubsen. Er nimmt stets den Kampf an. Wir haben einige Jungs, die über 110 Kilo wiegen und es hat ihm nichts ausgemacht." Klar ist aber auch, dass hier von College-Spielern die Rede ist und nicht etwa von den Nikola Jokic', Joel Embiids oder Karl-Anthony Towns dieser Welt.

Zweifel sind also angebracht, ob sie gerechtfertigt sind oder nicht. So ist es oft mit Spielern, für die es keine Schublade gibt - Holmgren ist so einer. Einen Center mit Spielmacherqualitäten, einem guten Wurf, guten Instinkten beim Ringschutz und langen Armen, der aber so viel wie Bulls-Guard Coby White wiegt, gibt es in der NBA nicht - zumindest keinen, der auch Erfolg hatte.

Entsprechend schwierig ist es, einen solchen Spieler richtig einzuordnen. Die U19-WM im vergangenen Sommer half dabei auch nicht wirklich. In Lettland wurde Holmgren zwar MVP des Turniers und gewann mit den USA den Titel, doch das Matchup gegen den zwei Jahre jüngeren Franzosen Victor Wembanyama, der ähnliche Anlagen wie Holmgren hat und als Top-Pick für 2023 gilt, verlor er deutlich.

Chet Holmgren: Zwischen Garnett und Pokusevski

"Vielleicht ist er Kevin Garnett, vielleicht ist er Poku", rätselte im Sommer ein anonymer Scout und zog den Vergleich, welcher häufiger zu hören ist - Aleksej Pokusevski von den Oklahoma City Thunder, der bei gleicher Körpergröße sogar noch weniger wiegt.

Der Serbe lässt in seiner zweiten NBA-Saison sein Potenzial immer mal wieder aufblitzen, ein echter Rotationsspieler ist er aber noch nicht. Übrigens ist Poku gerade einmal fünf Monate älter als Holmgren. Und doch hinkt der Vergleich im Hinblick auf das Skillset von Holmgren enorm. Natürlich sind beide dünn, werfen Dreier und sind Forwards gefangen im Körper eines Centers, an dieser Stelle hören die Ähnlichkeiten dann aber auch schon auf.

Während Pokusevski zwar groß ist und damit wenig anfangen kann, ist die Länge im Fall von Holmgren sein größtes Plus. 3,7 Blocks pro Spiel legt der Big für die Bulldogs auf, seine Block Percentage von 12 Prozent erreichte vor Holmgren lediglich Anthony Davis in seiner einzigen Saison für Kentucky. Was Holmgren in der Defense ausmacht, ist nicht etwa die Verteidigung im Post, welche ohnehin überbewertet wird, da es heutzutage nicht mehr viele talentierte Offensivspieler im Post gibt und dieses Play ohnehin leichter verteidigt werden kann (Stichwort: Zonenverteidigung).

Holmgrens Wert liegt woanders. Für seine Größe hat er eine erstaunliche Fußarbeit, kann die Richtung schnell ändern und ist bis zu einem gewissen Grad in der Lage, auch kleinere, schnelle Spieler vor sich zu halten oder aber so lange im Play zu bleiben, dass er "recovern" kann. So blockte Holmgren in dieser Saison zahlreiche Würfe, als er bereits geschlagen schien, dann aber mit seinen langen Armen von hinten doch noch den Wurf beeinflussen konnte.

Chet Holmgren: Seine Statistiken für die Gonzaga Bulldogs

SpieleMinutenPunkteFG%3P%ReboundsAssistsBlocks
3127,014,260,939,29,81,93,7

Chet Holmgren: Ein Clip mit Curry macht ihn berühmt

Hinzu kommen gute Instinkte und ein gutes Verständnis für das Spiel. So wird Holmgren tatsächlich gegen echte Center Probleme bekommen, gleichzeitig kann er aber auch als Flügelverteidiger geparkt werden, der als letzte Instanz per Help Defense Ringschutz liefern kann. Ähnlich machen es die Cavs mit Evan Mobley oder auch Boston mit Robert Williams, sodass Lineups mit zwei Bigs auch in der heutigen NBA funktionieren können.

So dürfte zunächst auch einmal Holmgren eingesetzt werden, unabhängig davon welches Team ihn letztlich picken wird. Im Angriff ist Holmgren ohnehin kein klassischer Fünfer, sondern wie schon angesprochen eher ein Forward. In seinem letzten Jahr auf der High School hatte Holmgren selbst vermehrt den Ball in der Hand, nachdem sein ehemaliger Mitspieler und heutiger Magic-Guard Jalen Suggs das Team verließ.

Dass er das Talent dafür hat, war da bereits klar. Im Sommer 2019 nahm der Hypetrain um Holmgren so richtig Fahrt auf, als ein Video in den sozialen Medien viral ging. Holmgren war damals einer Einladung von Stephen Currys SC30 Camp gefolgt und der Warriors-Star war nicht nur gekommen, um ein paar Shooting Drills zu absolvieren. Stattdessen zockte der zweifache MVP fleißig mit und verteidigte dabei Holmgren.

Und dann passierte es. Crossover, Behind-the-Back, noch ein Crossover auf die linke Hand und schon biss Curry an - und griff ins Leere. Holmgren wendete tatsächlich Currys Signature Dribble an, ging am NBA-Star vorbei und dunkte mit Leichtigkeit. "Du hast mich erwischt", entgegnete Curry danach und der erste echte Hype um Holmgren war geboren.

Chet Holmgren: Forward im Körper eines Centers

Ob dies nun ein nützlicher Move für die NBA sein wird, sei mal dahingestellt, es zeigt aber vielmehr, dass Holmgren nicht der alltägliche Seven-Footer ist. Für Gonzaga trifft der 19-Jährige 39 Prozent seiner 3,3 Dreierversuche pro Spiel, dazu versenkt er 74 Prozent seiner Zweier, die meisten davon Dunks. 106 vergebenen Würfen stehen über die Saison 115 Blocks gegenüber, so etwas sieht man auch nicht alle Tage.

Noch kreiert Holmgren dabei wenig für sich selbst, aber auch hier hat er Fortschritte gemacht. Hier und da streut der Big einen Pullup-Dreier ein, dazu ist sein Dribbling gut genug, dass er aus der Bewegung von der Dreierlinie attackieren und abschließen kann, wie dieses Beispiel eindrucksvoll zeigt. In einem Gonzaga-Team, welches als 1-Seed nach der bitteren Finalniederlage im Vorjahr endlich den ersten Titel gewinnen will, muss Holmgren aber auch nicht viel mehr machen.

Vielmehr ist er voll integriert und Teil eines funktionierenden System. "Er ist ein Winning Player in einem Winning Team", fasste es ein Scout gut zusammen. Holmgren verteidigt, läuft den Fastbreak, verwertet Lobs und darf hier und da auf dem Flügel Plays selber laufen. An seinem Draft Stock hat dies nichts geändert, die meisten Mocks sehen ihn weiter an Nummer eins und das dürfte für die kommenden Monate bis zum Draft auch so bleiben.

Mit Jabari Smith (Auburn) musste bei March Madness der wohl größte Konkurrent um den ersten Pick mit seinem Team bereits die Koffer packen. Im Elite Eight, also der nächsten Runde könnte dann bereits der nächste Showdown auf Holmgren warten, dann könnte es gegen Duke mit Paolo Banchero gehen, der ebenfalls noch ein Wörtchen in Sachen Top-Pick mitreden möchte.