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NBA Finals - Der Draft von Giannis Antetokounmpo 2013: Wie ein YouTube-Video das Leben des zweifachen MVP veränderte

Von Robert Arndt
Giannis Antetokounmpo wurde 2013 von den Milwaukee Bucks gedraftet.
© getty

Zwei Siege sind die Milwaukee Bucks von ihrer ersten Meisterschaft seit 1971 entfernt. Das Fundament legten die Bucks im Draft 2013 als sie Giannis Antetokounmpo mit dem 15. Pick auswählten. Es war ein Risiko, doch auch andere Teams wollten den unbekannten Griechen unbedingt.

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Der Draft bleibt eine Wissenschaft für sich, welche voller Variablen steckt. Der Draft 2013 ist der beste Beweis dafür. Anthony Bennett ging an Nummer eins zu den Cleveland Cavaliers, Michael Carter-Williams wurde als elfter Pick Rookie of the Year. Bennett ist seit vielen Jahren nicht mehr in der NBA, MCW nicht mehr als ein Backup.

Und dennoch steht der 13er-Jahrgang bereits bei zwei MVP-Trophäen, neun All-NBA-Teams und stellte bereits viermal den Verteidiger des Jahres. Mit Ausnahme eines All-NBA-Teams gehen die Auszeichnungen alle auf die Konten von Giannis Antetokounmpo und Rudy Gobert, die beide außerhalb der Lottery gezogen wurden.

Der heutige Bucks-Star ging an 15 über die Ladentheke, Gobert gar erst an 27. Wir schauen nun zurück in die Geschichte und blicken auf die Umstände, warum ein zweifacher MVP im Draft so tief fallen konnte, wer sich damals um Antetokounmpo bemühte und warum sie letztlich - mit Ausnahme der Bucks - in die Röhre schauten.

Giannis Antetokounmpo: Die Anfänge in Athen

Die Geschichte von Antetokounmpo ist ihren Grundzügen kein Geheimnis mehr. Der Bucks-Star verlebte seine Kindheit als Immigrant nigerianischer Eltern in Athen, die Familie lebte illegal im Bezirk Sepolia, im Schatten der Akropolis, unter widrigsten Umständen. Geld und Essen war rar, die Antetokounmpo-Brüder verkauften CDs oder Sonnenbrillen, um wenigstens ein bisschen Geld zu bekommen.

Bruder Thanasis nahm ihn zum Basketball mit, vier Jahre später debütierte Giannis als 16-Jähriger in der dritten griechischen Liga. Wirklich Notiz nahmen aber nur wenige, Antetokounmpo nahm an keinen U-Turnieren teil, da ihm die Papiere fehlten. Die ersten 18 Jahre seines Lebens war der Forward staatenlos, er hatte keinen nigerianischen und auch keinen griechischen Pass.

Auf dem NBA-Radar tauchte Antetokounmpo erst Ende 2012 auf. Giannis' Agent Georgios Dimitropoulos hatte ein Highlight-Tape zusammengestellt, welches auch heute noch auf YouTube zu finden ist, und dieses an einen israelischen Scout gesendet.

"Giannis Adetokunbo Highlights" (mit 2Pacs "All Eyez on me" als Hintergrundmusik) hatte im Oktober 2012 angeblich nur 150 Klicks, heute sind es über 104.000. Das ist vergleichsweise wenig, dürfte aber auch daran liegen, dass der heute zweifache MVP damals noch unter einem etwas anderen Namen spielte. (Adetokunbo bedeutet übrigens so viel wie: "König aus einem fremden Land")

Wie aus Adetokunbo Antetokounmpo wurde

In besseren Schulturnhallen zerstörte ein spindeldürrer Teenager seine Konkurrenz. Giannis holte sich Rebounds, dribbelte im Alleingang über das Feld und dunkte nach Belieben. Wer war dieser Typ? Waren die Körbe in angemessener Höhe aufgehängt? Warum wusste niemand etwas von ihm?

Diese Frage stellte man sich auch in New Orleans, wo man zuerst das Tape in die Finger bekam. Die damaligen Hornets schickten einen Scout auf ein Turnier nach Kreta, bei welchen Antetokounmpo jedoch keine gute Figur machte und nach nur neun Minuten ausfoulte. Aber die NBA war neugierig geworden, der Youngster war kein unbeschriebenes Blatt mehr und stand zudem vor einem Wechsel in die ACB nach Zaragoza, soweit kam es letztlich aber nie.

Zahlreiche Scouts und GMs nahmen die Reise nach Griechenland auf sich, um den "griechischen Magic Johnson", wie ihn eine spanische Zeitung betitelte, spielen zu sehen. Langsam aber sich kletterte Antetokounmpo in den Mock Drafts nach oben.

Der fehlende Pass war ein Problem, selbst bis kurz vor den Draft, da er so nicht in die USA einreisen konnte. Deswegen erhielt der Youngster über seinen Agenten schnell noch die griechische Staatsbürgerschaft. So entstand auch der neue Name "Antetokounmpo", weil das griechische Alphabet keine Buchstaben für "d" und "b" kennt.

Der Court, auf dem Giannis Antetokounmpo einst spielte, ist in Sepolia nun ihm gewidmet.
© getty
Der Court, auf dem Giannis Antetokounmpo einst spielte, ist in Sepolia nun ihm gewidmet.

Toronto Raptors wollten einen Trade für Giannis

Es ging vor dem Draft das Gerücht um, dass Antetokounmpo ein Versprechen hatte. Laut Adrian Wojnarowski (damals noch Yahoo) handelte es sich bei diesem Team um die Atlanta Hawks, die an 17 und 18 picken konnten.

In Toronto war derweil ein Umbruch im Gange. Die Raptors hatten zum fünften Mal in Folge die Playoffs verpasst, mit Masai Ujiri, gebürtiger Nigerianer, war ein neues Gesicht ins Front Offce gewechselt. Eine von Ujiris ersten Aufgaben war der Draft und seine Augen richteten sich damals auf Antetokounmpo. Es gibt sogar Videos, die das beweisen.

Die Raptors hatten in diesem Jahr keinen Erstrundenpick, diesen hatten sie ein Jahr zuvor an Houston im Kyle-Lowry-Trade abgetreten, aber Ujiri wollte Antetokounmpo unbedingt haben. Jener ehemalige Raptors-Pick war der 12. im Draft und im Zuge des James-Harden-Trades nach OKC weitergewandert. Und genau diesen Pick wollte Ujiri wiederbekommen.

Was Ujiri den Thunder bot, ist nicht klar und OKC war wohl offen für einen Trade. Aber: Das Ziel der Thunder, Steven Adams, fiel im Draft und als die Sixers Carter-Williams nahmen, wollte OKC den Pick nicht mehr abgeben. "Wenn Adams nicht mehr da gewesen wäre, hätte OKC womöglich den Pick getradet und Giannis wäre nun in Toronto", sagte Wojnarowski Jahre später in einem Podcast.

Toronto suchte auch noch einen Deal für Pick Nummer 14, doch die Timberwolves lehnten ab und nahmen lieber Shabazz Muhammad, der in der NBA nach einer vielversprechenden High-School-Karriere massiv floppte. Die Raptors waren raus aus dem Giannis-Poker!

Antetokounmpo: Cuban verhinderte Giannis in Dallas

An Position 13 warteten auch noch die Dallas Mavericks, die zwei Jahren nach ihrem Titel im Mittelmaß feststeckten. Jahr für Jahr wurden große Namen in der Free Agency gehandelt, Jahr für Jahr gingen die Mavs leer aus. 2013 war Dwight Howard das große Ziel der Mavs und um genügend Cap Space zu haben, tradete Dallas letztlich nach unten auf Position 18, wo sie Shane Larkin zogen.

Mavs-Besitzer Mark Cuban machte in den vergangenen Jahren keinen Hehl daraus, dass dies ein Fehler war. "Wir sehen verdammt schlecht aus, weil wir uns an unseren Plan hielten", sagte Cuban Jahre später. "Donnie [Nelson] versicherte mir, dass dieser Junge (Giannis, Anm. d. Red.) ein Star werden würde und dass er dafür alles riskieren würde."

Am Ende setzte sich aber Cuban durch, auch wenn er Nelsons Einschätzung glaubte. Der langjährige Mavs-GM war bereits am Nowitzki-Coup beteiligt und war der Befürworter für Luka Doncic Jahre später, doch Cuban wollte seinen Plan durchziehen.

"Alle sagten mir, dass er der 'Real Deal' sei. Wir waren hier aber an Position 13 und wenn niemand anderes das so sehen würde, war ich der Meinung, dass er auch an 18 noch verfügbar sein würde", erklärte Cuban später in einem Podcast. Er sollte sich täuschen, Dallas verpasste eine Chance, schon früher einen neuen Franchise-Star zu holen.

Giannis Antetokounmpo war im Haus des Hawks-GMs

So führte die heißeste Spur am Ende nach Atlanta. GM Danny Ferry und dessen Assistent Wes Wilcox waren schon im Januar 2013 in Athen, um das Wunderkind zu scouten. Das Hawks-Front-Office hatte einen guten Draht zu Giannis' Agenten und setzte alles daran, den Griechen nach Georgia zu holen.

Bevor Antetokounmpo nach New York City zum Draft flog, schafften es die Hawks als einziges Team, Antetokounmpo zu einem individuellen Workout zu bekommen. Alles wurde geheim gehalten, Atlanta versuchte sogar, den Youngster, der mit seinem Bruder Thanasis anreiste, an der Sicherheitskontrolle im Flughafen vorbeizuschleusen.

Selbst innerhalb der Hawks-Organisation waren nur Ferry, Wilcox und der neue Coach, ein gewisser Mike Budenholzer, eingeweiht. Antetokounmpo wurde die Halle gezeigt, ein Medizin-Check gemacht, dazu wurden die Brüder eingekleidet.

"Ich habe die Sachen immer noch", sagte Antetokounmpo im vergangenen Jahr. Die Brüder nahmen mit, was sie in die Finger bekamen. "Sie gaben mir sogar Socken, niemand hatte mir jemals Socken geschenkt. Ich habe meinem Agenten gesagt, dass man sowas nicht zurückgibt, wenn man aus meiner Gegend kommt."

Die Antetokounmpos verbrachten den restlichen Tag in Ferrys Haus, aßen Pasta und spielten mit den Kindern Tischtennis und Schach. "Als wir wieder gefahren sind, habe ich mir bereits vorgestellt, für Atlanta zu spielen. Sie sagten mir, dass wir uns in ein paar Tagen sehen, aber das ist nie passiert."

Milwaukee Bucks schnappen Atlanta Antetokounmpo weg

Die Hawks versuchten alles, um von Position 17 noch ein, zwei Positionen nach oben zu traden, doch Dallas und Boston machten dem einen Strich durch die Rechnung durch eigene Deals. Höher als Position 16 ging es nicht und davor waren noch die Bucks an der Reihe, von denen Atlanta wusste, dass diese sich mit Antetokounmpo zumindest beschäftigten. Bei einem Jugend-Turnier in Italien waren sowohl Verantwortliche aus Atlanta als auch aus Milwaukee anwesend.

Aber: Milwaukee hatte keine Krankenakte, nur die wenigen Scouting-Berichte und einige verpixelte Youtube-Videos, um das Mysterium des Drafts zu beurteilen. Immerhin beobachtete Bucks-GM John Hammond den Teenager drei Tage am Stück und bereits 72 Stunden vor dem Draft stand für Milwaukee die Entscheidung, dass man mit dem 15. Pick Giannis ziehen würde.

Die Wende war angeblich ein Anruf einer der Quellen des damaligen Personal-Direktors Dave Babcock. Das bestätigte Babcocks Sohn, Matt, der heute als Draft-Experte arbeitet, kürzlich Arizona Republic. Jene Person hatte die Finger an Giannis' medizinische Akte bekommen und diese den Bucks weitergeleitet.

Diese Akte war lupenrein und offenbarte noch etwas anderes. Antetokounmpo war zwar mit 18 Jahren bereits 2,06 Meter, doch die Wachstumsfugen waren noch nicht geschlossen. Es gab also weiter die Möglichkeit, dass dieser spindeldürre Junge noch weiter wachsen könnte, was schließlich auch geschah. Milwaukee griff zu, der Rest ist Geschichte!