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NBA, Dallas Mavericks - Mavs-Pressesprecher Scott Tomlin im Interview über den Titel 2011: "Ich hielt Dirk Nowitzki für verrückt"

Dirk Nowitzki und Mavs-Pressesprecher Scott Tomlin (r.) posieren mit dem Twyman-Stokes Teammate of the Year Award, den der Deutsche 2017 erhielt.
© Scott Tomlin

2011 führte Dirk Nowitzki die Dallas Mavericks zum ersten und bisher einzigen Titel der Franchise-Geschichte. Mavs-Pressesprecher Scott Tomlin blickt zum Jubiläum im Interview mit SPOX auf den unwahrscheinlichen Championship-Run der Mavs zurück und gewährt einen Einblick hinter die Kulissen des entscheidenden Spiel 6 in Miami, als Nowitzki während der Feierlichkeiten plötzlich alleine in der Kabine verschwand.

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Dieses Interview erschien erstmals im Juni 2021. Am Wochenende wird Dirk Nowitzki in die Hall of Fame eingeführt.

Tomlin ist seit 2004 in der Medienabteilung der Mavericks beschäftigt, seit 2019 ist er der Pressesprecher des Teams. Über all die Jahre hat der Junge aus dem ländlichen Kentucky eine enge Freundschaft mit dem großen Blonden aus Würzburg aufgebaut - und hat ihn durch die Höhen und Tiefen seiner NBA-Karriere begleitet.

"Scooter", wie der 42-Jährige von Nowitzki und seinen Freunden genannt wird, erinnert sich an die bittere Pleite der Mavs in den Finals 2006 gegen Miami, erklärt, warum der Championship-Run fünf Jahre später fast gescheitert wäre und wie er den in Tränen aufgelösten Nowitzki nach Spiel 6 der Finals 2011 überredete, wieder aus der Kabine zu kommen und mit seinen Teamkollegen zu feiern.

Herr Tomlin, der 12. Juni 2011 jährt sich heute zum elften Mal. Woran denken Sie als erstes, wenn Ihnen dieses Datum durch den Kopf geht?

Scott Tomlin: Wie die Zeit verfliegt ... ich kann nicht glauben, dass es schon elf Jahre sind. Aber ich erinnere mich noch sehr gut an den Tag, ich habe damals alles aufgesaugt. Das liegt wohl auch an meinen Erfahrungen aus 2006, als wir erstmals die Finals erreicht und verloren haben. Meine Erinnerungen an diese Finals sind etwas trübe. Ich habe damals gedacht, dass ich noch in vielen Finals dabei sein werde. Wir hatten immerhin Dirk, das sollte erst der Anfang sein. Das war aber ganz offensichtlich nicht der Fall. Als wir dann in 2011 den Championship-Run hingelegt haben, habe ich mir vorgenommen, alles aufzusaugen. Ich wusste ja jetzt, wie schwierig es ist, dieses Level zu erreichen. Dieser Tag, dieses Spiel, diese Nacht ... das war eine wirklich besondere Erfahrung.

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© getty

Als Pressesprecher können Sie das Spiel natürlich nicht beeinflussen, Ihnen bleibt nur die Rolle als Fan. Sie sind schon seit 2004 ein Teil der Mavs und entsprechend verbunden mit der Organisation. Wie sah Ihre ganz persönliche Gefühlswelt während Spiel 6 aus?

Tomlin: In erster Linie habe ich mich für die Jungs gefreut. Ich gehöre zu den glücklichen Menschen, die nicht nur bei jedem Spiel einen Platz in der ersten Reihe haben, sondern ich bin auch in jeder Trainingseinheit, bei jedem Team Huddle, bei jedem Flug mit dabei. Ich bekomme also hautnah mit, wie viel Arbeit die Jungs in so eine Saison hineinstecken.

Wie intensiv konnten Sie das Spiel überhaupt verfolgen? Was sind Ihre Aufgaben rund um eine NBA-Partie?

Tomlin: Das fängt im Vorfeld bei den Pregame-Interviews an, aber ich muss zum Beispiel auch sichergehen, dass die Familien der Spieler ihre Tickets haben. Für mich geht es darum, den Spielern so viel wie möglich abzunehmen, damit sie sich auf Basketball konzentrieren können. Wenn ich meinen Job vor der Partie richtigmache, dann kann ich das Spiel genießen und muss nicht durch die Gegend rennen und mich um Dinge kümmern, die ich vergessen habe. Richtig stressig wird es erst nach dem Spiel. In einem Finals-Spiel und vor allem, wenn man den Titel gewinnt, ist alles natürlich 100-mal größer.

Kurz nach der finalen Sirene war es Ihre Aufgabe, Postgame-Interviews für die TV-Sender und Radio-Stationen zu organisieren. Auf einmal haben Sie beobachtet, wie Nowitzki über den Anschreibetisch sprang und in die Katakomben flüchtete. Was ging Ihnen da als erstes durch den Kopf?

Tomlin: Ich wusste bereits kurz vor Schluss, dass Dirk als Finals-MVP ausgezeichnet wird. Sein Interview würde also erst bei der Übergabe der Trophäe stattfinden. Bevor der übertragende Sender in die Werbung ging, sollten Jason Kidd und Jason Terry die Walkoff-Interviews machen, also die Interviews direkt nach Spielschluss auf dem Court. Ich stand neben Kidd und sah auf einmal Dirk im Augenwinkel. Da er den schnellsten Weg in die Katakomben gesucht hat, ist er über den Anschreibetisch geklettert. Und wenn ein 2,13 Meter großer Typ über einen Tisch springt, dann ist das nur schwer zu übersehen. Auf dem Court wurde bereits alles für die Feierlichkeiten vorbereitet. Ich habe mir nur gedacht, er sollte nicht in der Kabine sein, sondern hier draußen. Also habe ich Kidd stehen gelassen und habe Dirk gesucht.

Dirk Nowitzki stemmt nach dem Titelgewinn 2011 die Larry O'Brien-Trophy in die Höhe.
© getty

Tomlin: "Hatte Angst, dass Dirk gar nicht reagieren würde"

Sie sind ihm in die Katakomben gefolgt. Wo haben Sie Nowitzki letztlich gefunden?

Tomlin: In der Kabine habe ich ihn zunächst nicht gesehen. Tim Frank, der Vice President of Basketball Communications der NBA, war Dirk ebenfalls gefolgt. Wir haben uns umgesehen und ich habe ihn auf einer Bank in der Dusche gefunden. Die Emotionen hatten ihn einfach überwältigt. Als ich gesagt habe, wir müssen wieder rausgehen und die Trophäe in Empfang nehmen, war seine Antwort nur: "Okay, ich brauche ungefähr 30 Minuten." Da habe ich erwidert: "Wir haben keine 30 Minuten, ich weiß nicht einmal, ob wir 30 Sekunden haben."

Wie haben Sie Nowitzki überzeugt, wieder aus der Kabine zu kommen?

Tomlin: Er war sehr emotional und hat einen Moment für sich gebraucht, nachdem er sein großes Ziel erreicht hat. Mein Argument war: Du musst bei deinem Team sein, wenn sie die Larry O'Brien Trophy überreichen. Dieses Bild, diese Erinnerung wirst du später haben wollen. Er hat zunächst nichts gesagt, ich hatte kurz Angst, dass er gar nicht reagieren würde. Dann ist er aber aufgestanden, rausgegangen und gerade rechtzeitig auf die Bühne gekommen, bevor ABC aus der Werbeunterbrechung kam.

Dirk Nowitzki und Mavs-Pressesprecher Scott Tomlin (r.) posieren mit dem Twyman-Stokes Teammate of the Year Award, den der Deutsche 2017 erhielt.
© Scott Tomlin

Sie haben Nowitzki anschließend ein gerahmtes Bild geschenkt, wie er die Trophäe in die Höhe streckt mit seinen jubelnden Teamkollegen im Rücken.

Tomlin: Nach Saisonende ist Dirk nicht lange in Dallas geblieben, einen Großteil seiner Offseason hat er in Deutschland verbracht. Nach der Championship-Parade wollte er in die Heimat. Bevor er geflogen ist, habe ich ihm das Bild vorbeigebracht. Ich war mir einerseits sicher, dass er es haben wollte, andererseits war es eine Art Dankeschön, dass er doch aus der Kabine gekommen ist. Das ist nicht nur ein tolles Foto, sondern auch eine fantastische Erinnerung - und zwar nicht nur für ihn und seine Teamkollegen, sondern für Mavs-Fans weltweit.

In einem Interview hat Nowitzki 2020 gesagt, dass er Ihnen und Frank dankbar sei, dass sie ihn überredet haben, wieder rauszugehen. Hatten Sie jemals Angst, dass er sich weigert aus der Kabine zu kommen?

Tomlin: Das hatte ich wirklich. Als ich mit ihm in der Kabine gesprochen habe, hat er mir zwar zugehört, aber ich habe keine wirkliche Reaktion bekommen. Ich war mir nicht sicher, wie er sich in diesem Moment fühlt. Ich war also sehr erleichtert, als er aufgestanden ist. Er hat einen Moment für sich gebraucht, aber es war gut, dass er die Situation verstanden und realisiert hat: Ich will bei meinen Teamkollegen sein.

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© getty

Zurück zum 12. Juni 2011: Als Pressesprecher sind Sie vor allem im Hintergrund aktiv. Wie haben Sie Spiel 6 und die Stunden nach dem Titelgewinn erlebt?

Tomlin: Die Kurzfassung: Es war wild! Ich habe bisher nur einen Titel gewonnen, von daher kann ich es nicht mit Sicherheit sagen, aber ich vermute, dass es viel schwieriger ist, auswärts einen Titel zu feiern als in deiner eigenen Arena. Wir haben versucht, die Familien auf den Court zu bekommen, was schwierig ist, wenn man die Security nicht so gut kennt. Für uns war das aber wichtig, denn die Mavs sind eine sehr familienfreundliche Organisation. In der Kabine gab es dann die Champagnerduschen, aber ich musste derjenige sein, der die Spieler von der Party zerrt: SportsCenter braucht dich, du musst zu NBA TV und so weiter. Die Jungs haben diese Interviews aber auch gerne gemacht. Die Stimmung war natürlich überragend, wie Sie sich sicher vorstellen können.

Wie lange hat es für Sie persönlich gedauert, bis Sie mal durchatmen konnten und realisiert haben, dass die Mavs gerade die Championship gewonnen haben?

Tomlin: Das war wohl erst im Hotel der Fall. Ich bin nicht mal ein Spieler, aber ich hatte trotzdem hunderte Text-Nachrichten von Freunden oder Familienmitgliedern auf meinem Handy. Ich habe mir im Hotel etwas zu Essen geholt, ein paar Bier getrunken und mich dann in meinem Zimmer ans Fenster gesetzt und eineinhalb Stunden lang Nachrichten beantwortet. Es gibt viele Leute in der NBA, die meinen Job oder etwas Ähnliches machen. Es gab viele vor mir und es wird viele nach mir geben, die wahrscheinlich sogar viel besser in diesem Job sind als ich, aber trotzdem niemals dieses Gefühl erleben werden. Ich weiß es sehr zu schätzen, ein Teil dieser Championship gewesen zu sein.

Wie ging die Nacht nach den offiziellen Feierlichkeiten weiter?

Tomlin: Ein Bus aus der Arena fuhr direkt in den Nachtclub LIV nach Miami Beach. Ein anderer Bus fuhr ins Hotel zurück. Ich fand, das Feiern im Club sollte den Spielern gehören, also bin ich mit einem Großteil des Staffs ins Hotel. Das sind auch die Typen, mit denen du die gesamte Saison über im Schützengraben liegst, um es mal so auszudrücken: die Athletik- und Konditionstrainer, der Coaching Staff, der Scouting Staff, Mitarbeiter aus dem Front Office. Im Ballsaal des Hotels, in dem wir ein wenig gefeiert haben, stand ein großer Flügel. Auf einmal hat sich Rick Carlisle (Head Coach der Mavs, Anm. d. Red.) hingesetzt und angefangen, Klavier zu spielen. Er ist ziemlich gut, das ist eines seiner versteckten Talente.

Mavs-Pressesprecher Tomlin über das 2011er Mavs-Team

Auch wenn Sie nicht persönlich beim Feiern im Club dabei waren, haben Sie doch bestimmt Geschichten gehört: Welcher der Spieler hat am härtesten gefeiert? Oder war es am Ende doch Teambesitzer Mark Cuban?

Tomlin: Wahrscheinlich haben alle gleich hart gefeiert. Das hatten sie sich auch verdient. Als wir nach Dallas zurückgekehrt sind, ging die Party direkt weiter unter anderem mit der Championship-Parade durch Dallas. Wenn es ums Feiern geht, ist Cuban immer in der ersten Reihe. (lacht) So sehr die Spieler diesen Titel wollten, Mark war wahrscheinlich derjenige, der es am meisten wollte. So tickt er einfach.

Hatten Sie einen Lieblings-Charakter aus dem 2011er Mavericks-Team, vielleicht abgesehen von Nowitzki?

Tomlin: Da kommt mir sofort Brian Cardinal in den Sinn. Er ist wirklich eine Persönlichkeit. Er ist einer der lustigsten Typen, mit denen ich jemals Zeit verbracht habe, und ein echter Teamplayer. Er ist so jemand, der am Ende der Bank sitzt, aber immer bereit ist, wenn er gebraucht wird. Vielleicht spielt er gar nicht, vielleicht spielt er drei Sekunden am Ende einer Halbzeit, vielleicht spielt er 17 Minuten. Was auch immer von ihm verlangt wird, er kommt rein und macht die Drecksarbeit - und das alles mit einem großartigen Sinn für Humor. Er ist ein typischer Glue Guy, den du bei so einem Lauf brauchst.

Donnie Nelson nannte das Team eine Truppe aus "Castoffs". Jeder hat aber seinen Teil zum Erfolg beigetragen, sogar The Custodian. Was hat dieses Team aus "Verstoßenen" ausgezeichnet?

Tomlin: Nehmen wir DeShawn Stevenson als Beispiel. Über weite Teile des Playoff-Runs war er ein Starter, dabei war er nur eine Randnotiz im Trade für Caron Butler mit den Wizards. Caron hat gar nicht gespielt, weil er verletzt war, und hier ist dieser Typ, den Washington mit in den Deal geworfen hat, und er spielt wichtige Minuten für uns. In den Finals wollte Coach Carlisle dann J.J. Barea starten lassen und das war für DeShawn in Ordnung. Barea ist noch so ein Typ: ungedraftet, startet aber in den Finals. Oder auch Terry, der vor seiner Mavs-Karriere für die Hawks 40-Punkte-Spiele aufgelegt hat und in Dallas wird er dann Sixth Man. Geschichten wie diese stehen beispielhaft für das Team.

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© getty

Dallas Mavericks 2011: "Alle Spieler haben Opfer gebracht"

Die Opferbereitschaft eines jeden Einzelnen hat die 2011er Mavs also zu etwas Besonderem gemacht?

Tomlin: Genau. Solche Opfer wurden von allen Spielern gebracht. Das fängt natürlich bei Dirk an, dem bescheidensten Superstar, den diese Liga jemals gesehen hat und vielleicht auch jemals sehen wird. Er hat den Ton vorgegeben, aber diese Persönlichkeit hat das ganze Team angenommen. Es ging nie um individuelle Ziele, sondern nur darum, was man als Team erreichen kann.

Allerdings gab es einige Hürden auf dem Weg zur Championship. In der ersten Playoff-Runde schenkte Dallas in Spiel 4 gegen die Trail Blazers einen 23-Punkte-Vorsprung her, das "Brandon Roy Game". Hatten Sie irgendwann auch mal das Gefühl, dass es für Sie relativ früh in den Urlaub gehen könnte?

Tomlin: Auf jeden Fall. So etwas wie in Spiel 4 gegen Portland kann dir den Wind aus den Segeln nehmen. Ich war mir damals zwar dennoch sicher, dass wir das bessere Team sind, aber man weiß nie, was so ein Spiel für einen Effekt haben wird. Das war ein herber Dämpfer. Wir hatten das Spiel in der Hand, wir hätten mit einer 3-1-Führung nach Dallas fahren können und auf einmal ist die Serie ausgeglichen. Nach dem Spiel haben sich alle gefragt: Können sich die Mavs von diesem 23-Punkte-Comeback erholen oder hat das den Blazers Schwung verliehen?

Hat dieser Schuss vor den Bug dem Team vielleicht auch geholfen?

Tomlin: Nach diesem Spiel haben wir zehn der nächsten elf Spiele für uns entschieden, um die Western Conference zu gewinnen. Vielleicht hat es also wirklich geholfen. Es hat das Team noch enger zusammengebracht und wachgerüttelt.

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In der zweiten Runde folgte der Sweep gegen die Los Angeles Lakers, den Titelverteidiger, mit einem Blowout in Spiel 4. Wie war nach dieser Serie die Stimmung im Team?

Tomlin: Wir haben Spiel 6 in Portland gewonnen und mussten sofort nach Los Angeles weiter, wo wir die ersten beiden Spiele der Conference Semifinals gegen die Lakers bestritten haben. Das waren harte Wochen, weil wir auch in der Portland-Serie viel und lange gereist sind. Doch nachdem wir die Lakers mit einem Feuerwerk an Dreiern in Spiel 4 gesweept hatten, hatten wir eine schöne Pause vor den West-Finals. Die Thunder haben ihre Serie erst in Spiel 7 gegen die Grizzlies gewonnen, wir hatten also Zeit, etwas Druck abzulassen und konnten frisch in die nächste Serie gehen.

Hat das Team nach dem Sweep gegen die Lakers gefeiert? Immerhin wurde der Titelverteidiger besiegt, andererseits war das große Ziel immer noch weit entfernt.

Tomlin: Es herrschte schon eine gewisse Feierlaune. Die Lakers hatten die letzten beiden Titel gewonnen und viele Leute haben uns nicht zugetraut, dass wir sie schlagen. Doch die Art und Weise des Sweeps mit dem Blowout in Spiel 4 hat schon eine Begeisterung bei den Spielern und den Personen rund um das Team ausgelöst. Auf einmal hat es Klick gemacht: Dieser Lauf könnte etwas Besonderes werden.

In Spiel 4 wurde es gegen Ende unschön, als Andrew Bynum nach einem harten Foul gegen Barea des Feldes verwiesen wurde. Haben diese Szenen das Team noch enger zusammengeschweißt?

Tomlin: Da gab es noch mehr solcher Aktionen, Lamar Odom wurde ebenfalls rausgeschmissen nach einem Bodycheck. Das hat in erster Linie gezeigt, wie sehr wir die Lakers frustriert haben. Aber diese Serie als Ganzes hat dem Team auch geholfen zu realisieren, dass wir weit kommen können. Ich will nicht für die Spieler sprechen, aber ich glaube, das war der Knackpunkt. Wir haben auf einmal daran geglaubt, dass wir in die Finals kommen. In der Lakers-Serie haben wir uns eine Menge Selbstvertrauen geholt und als nächstes ging es gegen ein zwar talentiertes, aber auch sehr junges Thunder-Team. Wir haben gespürt: Das ist unsere Zeit.

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Dallas Mavericks: Rematch gegen die Heat? "Dirk wollte Miami"

Mit einem 4-1 in den Conference Finals gegen die Thunder um Kevin Durant, Russell Westbrook und James Harden haben die Mavs schließlich die erste Finals-Teilnahme seit 2006 klargemacht - und wieder ging es gegen Miami. Wie tief saß auch fünf Jahre nach der bitteren Pleite noch der Stachel?

Tomlin: Bei den Jungs, die 2006 schon dabei waren wie Dirk oder Terry, sicherlich noch sehr tief. Die wollten zu 100 Prozent Rache nehmen. Ich habe damals die Ost-Finals bei Dirk zuhause geschaut, Bulls gegen Heat. Wir hatten das Finals-Ticket schon sicher und haben abgewartet, gegen wen wir spielen müssen. Ich dachte mir nur: Ich will, dass wir die Bulls bekommen, ich will nicht gegen die Heat spielen. Dirk war da anders. Dirk wollte Miami haben. Ich hielt ihn für verrückt.

Wie fiel Nowitzkis Reaktion aus, als es dann wirklich Miami wurde?

Tomlin: Wir haben das entscheidende Spiel gemeinsam geschaut. Als Miami den Finals-Einzug perfekt gemacht hat, hat Dirk den Fernseher ausgemacht und gesagt: "Here we go!" Das war alles. Ich habe mich umgeschaut und mir gedacht: Okay, dann gehe ich jetzt wohl nach Hause. (lacht) Es war ganz klar, gegen wen Dirk spielen wollte und das lag sicherlich auch an 2006.

Nach der Niederlage '06 saßen Sie mit Nowitzki bis 5 Uhr morgens in der Kabine des American Airlines Center. Können Sie sich noch an die Gespräche damals erinnern?

Tomlin: Natürlich war Dirk extrem enttäuscht. Wir alle haben uns die Frage gestellt, was wir hätten anders machen können, was schiefgelaufen ist. Dirk hat das sehr beschäftigt, er hat sich immer gefragt, ob er nicht mehr hätte machen können. Aber die Wahrheit ist: Man gewinnt als Team so wie in 2011 und man verliert als Team so wie in 2006.

Nowitzki war in den Finals 2006 27 Jahre alt, er stand kurz vor seiner Prime. Wie Sie selbst sagten, damals dachte man in Dallas, dass noch viele weitere Möglichkeiten auf eine Championship folgen würden.

Tomlin: Im kommenden Jahr haben wir 67 Spiele gewonnen, waren das beste Team der Liga - geht es allein nach der Bilanz sogar eines der besten aller Zeiten. Und dann verlieren wir in der ersten Runde gegen die "WeBelieve"-Warriors. In den folgenden drei Jahren sind wir zweimal erneut in der ersten und einmal in der zweiten Runde ausgeschieden. 2006 dachte ich, wir würden eine Dynastie starten, aber wir mussten realisieren, dass es viel schwieriger ist als gedacht. Dirk wusste das nach den Finals 2006 wahrscheinlich besser als ich. Uns ist damals eine gute Chance auf den Titel durch die Lappen gegangen, in 2011 wollte er das nicht noch einmal zulassen.

So sehen Sieger aus: Barea (l.), Mavs-Eigner Marc Cuban und Dirk Nowitzki nach dem Titelgewinn im Jahr 2011.
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Tomlin über Dirk Nowitzki: "... das ist einfach in seiner DNA"

Nowitzki spielte eine überragende Serie, mit dabei unter anderem ein Gamewinner in Spiel 2. In Spiel 5 führte er die Mavs mit 29 Punkten zum Sieg, in Miami in Spiel 6 machte Dallas dann den Sack zu und damit die erste Championship in der Franchise-Geschichte perfekt. Was hat dieser Titel Nowitzki und der Stadt Dallas bedeutet?

Tomlin: Dirk hat im Laufe seiner Karriere so viel geopfert, ich bin auch heute noch glücklich für ihn. Auch viele Fans, und damit meine ich nicht nur die Mavs-Fans, haben sich für ihn gefreut. Auch von Spielern oder Coaches anderer Teams wurde er mit so viel Liebe überschüttet. Das sagt viel über den Respekt aus, den sich Dirk über seine Karriere verdient hat - einerseits, weil er ein dominanter Superstar und offensiv nicht zu stoppen war, aber eben auch durch seine Persönlichkeit auf und neben dem Platz. Für ihn war die Championship natürlich etwas ganz Besonderes, aber ich hoffe, dass er sich auch die Reaktion der Fans in Erinnerung behält.

Glauben Sie, er hätte Dallas verlassen und wäre zu einem anderen Team gewechselt, wenn es nicht mit dem Titel mit den Mavs geklappt hätte?

Tomlin: Das ist schwer zu sagen. Dirk ist ein extrem loyaler Typ, für mich ist es schwer vorstellbar, dass er das Team gewechselt hätte. Eine Championship mit einem anderen Team hätte ihm sicherlich nicht so viel bedeutet. Er ist loyal zu den Mavs, er ist ein loyaler Freund, ein loyaler Teamkollege, ein loyaler Ehemann und Vater, das ist einfach in seiner DNA.

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Dirk Nowitzkis legendärer Trash Talk gegen Brian Cardinal

Sie haben es angesprochen, Sie verbindet eine enge Freundschaft mit Nowitzki. Was ist Ihre Lieblingsstory von und mit dem Dirkster?

Tomlin: Das ist eine schwierige Frage, da gibt es eine Menge. Die meisten werde ich aber nicht erzählen, solange ich aufgenommen werde. (lacht) Was mir an Dirk am besten gefällt, ist, dass er unglaublich selbstironisch ist. Er teilt manchmal aus, kann aber auch einstecken und macht sich immer über sich selbst lustig. Er hat einen tollen Sinn für Humor, er ist ein lebensfroher Typ und immer auf dem Boden geblieben. Mit Dirk Zeit zu verbringen, macht einfach Spaß. Die Fans haben erst gegen Ende seiner Karriere mitbekommen, was für ein toller Mensch er ist, weil er sich erst nach und nach geöffnet hat. Vor allem nach der Championship, das hat eine große Last von seinen Schultern genommen. Er konnte einfach er selbst sein und ich bin froh, dass die Mavs-Fans und Fans weltweit ihn besser kennenlernen konnten.

Sie haben seinen Humor angesprochen, Nowitzki ist auch bekannt für seinen Trash Talk. Sie haben das jahrelang aus erster Hand mitbekommen, da muss es doch eine gute Story geben ...

Tomlin: (überlegt) Doch, die gibt es. In der spielt sogar Brian Cardinal eine Rolle. Als er nach Dallas kam, hat er uns sofort mit seinem Humor für sich gewonnen. Einmal hat er uns eine Geschichte erzählt aus einem Spiel, als er noch für die Memphis Grizzlies gegen uns gespielt hat. Er stand neben Dirk an der Freiwurflinie, Dirk hat ihn gemustert und gesagt: "Ich kann nicht glauben, dass du in der NBA spielst." (lacht) Dirk behauptet, er hätte das nie gesagt, aber ich bin mir sicher, das hat er.