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NBA Draft 2020 - Anthony Edwards: Ausuferndes Potenzial und dicke Fragezeichen

Anthony Edwards gilt als Favorit auf den Top-Pick im Draft 2020.
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Anthony Edwards meldete sich in diesem Jahr als Erster für den NBA Draft 2020 an. Zurecht: Der Shooting Guard gilt als Favorit auf den ersten Pick in diesem Jahr. Vom Potenzial her ist das absolut nachvollziehbar, Edwards kann einer der besten Scorer der NBA werden. Dennoch existieren einige große Fragezeichen.

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Vorneweg: Selten war der Kampf um den ersten Pick im anstehenden Draft (wann auch immer dieser stattfinden wird) so offen wie in diesem Jahr. Das liegt nicht daran, dass wir von einem Jahrgang mit enormer Qualität sprechen, sondern weil kein Freshman bisher so herausstach, dass er das Prädikat Nr.1-Pick verdienen würde.

Das trifft auch auf Edwards zu, einen bulligen Guard, der nach einer Saison mit den Georgia Bulldogs sein Glück in der NBA versuchen möchte. "Ich denke, dass ich an Nummer eins gehen sollte, ohne Zweifel. Das ist der Platz, wo ich hingehöre", gab sich Edwards selbstbewusst, als er sich offiziell für den Draft anmeldete.

Und es gibt immer wieder Momente oder Abschnitte in Spielen, in denen es kristallklar scheint, dass Edwards das größte Talent des Jahrgangs ist. Da wäre seine 37-Punkte-Gala auf Hawaii im November gegen Michigan State oder etwa 32 Zähler gegen ein gutes Florida-Team. In diesen Spielen riss Edwards die Kontrolle komplett an sich, in anderen Fällen tauchte er allerdings komplett ab.

Anthony Edwards: Seine Statistiken auf dem College

SpieleMinutenPunkteFG%3P%ReboundsAssistsTurnover
3233,019,140,229,45,22,82,7

So warf Edwards gleich siebenmal unter 30 Prozent aus dem Feld. Das Maui-Turnier auf Hawaii war dabei das perfekte Beispiel. Im ersten Spiel gegen Dayton mit dem möglichen Top-5-Pick Obi Toppin scorte der Bulldogs-Star gerade einmal 5 Punkte (2/10 FG), am Tag darauf zerlegte er Michigan State mit 33 Punkten im zweiten Durchgang, als die Spartans schon mit über 20 Zählern führten. Dort zeigte Edwards alles, was ihn auszeichnen kann, ansonsten sah man es jedoch viel zu selten.

Womöglich ist es aber auch unfair, Edwards anhand dieser Saison mit Georgia zu bewerten. Zu schlecht waren die Bulldogs, die in der SEC-Conference mit einer Bilanz von 5-13 Vorletzter wurden. So traf das komplette Georgia-Team unter 30 Prozent aus der Distanz, wodurch Edwards kaum Räume für sein Spiel hatte. Das macht es nicht unbedingt leichter, selbiges final einzuschätzen, jedoch lassen sich immerhin Tendenzen klar erkennen.

Anthony Edwards: Stärken

  • Der Guard besitzt alle körperlichen Voraussetzungen für die NBA: 1,96 Meter groß, ein Kampfgewicht von 102 Kilogramm sowie eine gute Armlänge von 2,06 Meter. Vom Körperbau erinnert Edwards etwas an Victor Oladipo, der übrigens auch unter Tom Crean (damals noch in Indiana) spielte. Auf dem College war Edwards eine Highlight-Maschine, die mit Platz jede Menge Schaden anrichten kann. Kommt er einmal ins Rollen, ist er nicht zu stoppen.
  • Auch defensiv sind Edwards eigentlich keine Grenzen gesetzt. Mit seiner Masse sollte der Antman, so sein Spitzname, in der Lage sein, größere Gegenspieler einigermaßen in Schach zu halten.
  • Obendrein besitzt Edwards einen schnellen ersten Schritt, wodurch er bei genügend Platz entschlossen zum Korb ziehen kann. In Ringnähe hat er bereits ein großes Arsenal an Moves, dank seines kräftigen Körpers kann er auch ausreichend Kontakt absorbieren.
  • Doch auch der Sprungwurf ist immer eine Option, mechanisch sieht es sehr sauber aus, wenn Edwards zum Jumper hochsteigt. Im Prinzip gibt es keinen Spot auf dem Feld, von dem aus Edwards nicht scoren könnte, alleine das unterscheidet ihn von so ziemlich jedem anderen potenziellen Draft-Kontrahenten.

Anthony Edwards: Schwächen

  • Noch ist Edwards ein reiner Scorer. Auch wenn er mit seinem Drive viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, gelingt es ihm noch nicht, sich zum richtigen Zeitpunkt vom Ball zu trennen und beispielsweise den Kickpass zu spielen. Auch im Pick'n'Roll gab es gemischte Resultate, auch wenn das Potenzial, solche Situationen zu lesen, durchaus gegeben ist. Noch ist Edwards aber nicht soweit, ist anfällig für Ballverluste und kann so kaum für seine Mitspieler kreieren.
  • Einher geht damit auch seine Wurfauswahl. Oft wird man das Gefühl nicht los, dass es für Edwards keinen schlechten Wurf gibt. Auf dem College war der Guard athletisch so überlegen, dass er jederzeit so viel Platz schaffen konnte, um einen Versuch in Richtung Korb fliegen lassen zu können. So verwunderte es aber auch nicht, dass Edwards zwischenzeitlich mal 13 Dreier in Folge vergab und seine College-Karriere in den letzten beiden Spielen mit 2/21 von Downtown beendete.
  • Etwas überraschend ist auch, dass Edwards defensiv kaum ein Faktor war. Hier und da gab es einige Highlights, aber mit seinen körperlichen Möglichkeiten hätte Edwards ein dominanter College-Spieler am hinteren Ende des Feldes sein müssen. Zu selten ging er bisher in die geforderte Defensivposition, wodurch Gegenspieler zu oft einfach an ihm vorbeizogen. Zudem scheint es, dass die Fußarbeit noch nicht ausgeprägt ist, lateral bewegt sich Edwards viel zu langsam.

Anthony Edwards konnte auf dem College als Scorer glänzen.
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Anthony Edwards konnte auf dem College als Scorer glänzen.

Anthony Edwards: Der Top-Pick im NBA Draft 2020?

Bei all den Mängeln, die weiter oben aufgelistet sind, bleibt Edwards der vielversprechendste Spieler dieser Klasse. In ihm steckt ein ausgewiesener Scorer, der auf jeden Fall seinen Platz in der NBA finden wird. Ob es zu einem Superstar reichen kann, ist fraglich, aber Edwards besitzt die Tools, um ein explosiver Guard vom Schlage eines Donovan Mitchell zu werden.

Edwards ist sogar noch einmal ein paar Zentimeter größer, wodurch ihm das Scoren leichter fallen sollte. Dafür muss er jedoch noch lernen, was ein guter und was ein schlechter Wurf ist. In Georgia hatte er als Local Kid und Top-Prospect alle Freiheiten, das dürfte in der NBA ein wenig anders sein. Die knapp 80 Prozent von der Freiwurflinie deuten auch darauf hin, dass Edwards besser als die knapp 30 Prozent aus der Distanz sein kann.

Dennoch ist es nicht auszuschließen, dass auch bei Edwards eine Karriere a la Andrew Wiggins hinlegt. Hin und wieder fehlt der Einsatz, die Wurfauswahl ist bescheiden, entsprechend schrillen hier einige Alarmglocken. Kann er ein Team führen oder ist er nur ein reiner Scorer, der sein Team nicht besser macht? Aus Mangel an Alternativen dürfte aber so ziemlich jedes Team diese Wette eingehen.

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