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NBA - Legenden-Serie zu Julius "Dr. J" Erving: Der Playground-Pionier

Julius Erving revolutionierte den Basketball - zunächst in der ABA.
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Julius Erving: Erzwungener Wechsel in die NBA

Im Sommer 1976 fühlte sich Erving gewissermaßen wie der König der Welt - und vor allem New Yorks, was ihm vielleicht sogar wichtiger war. "Wir waren zum ersten Mal überall, in der Sports Illustrated, Sport Magazine und so weiter ... es war eine großartige Zeit in meinem Leben. Mit 26 Jahren hatte ich das Gefühl, dass mir die Basketball-Welt zu Füßen lag", erinnerte sich Erving später bei Fox Sports.

Nur ließ sich dies über die ABA nicht sagen. Nach Jahren der erbitterten Verhandlungen war die Liga dem Untergang geweiht. Um diesen abzuwenden, stimmten vier der nur noch sieben verbliebenen Teams einer Fusion mit der NBA zu - allerdings zu einem heftigen Preis. Die vier Teams mussten Aufnahmegebühren zahlen, im Falle der Nets waren es 3 Millionen Dollar, die als "Territorialgebühr" an die Knicks entrichtet werden mussten.

Besitzer Roy Boe hatte dieses Geld allerdings nicht - und die einzige Lösung, um den Bankrott zu verhindern, involvierte daher den Superstar. Erving wurde im Rahmen des Mergers 1976 an die Philadelphia 76ers verkauft, wo er auf ein Team traf, das vor Talent nur so strotzte, das aber zu Beginn auch von einer klassischen "zu viele Köche"-Situation geprägt war.

MVP-Award in der NBA als Erleichterung

George McGinnis wollte werfen. Doug Collins wollte werfen. World B. Free wollte werfen, Henry Bibby und Darryl Dawkins auch. Erving, der zu diesem Zeitpunkt vielleicht beste Spieler der Welt, wollte das zwar auch, er nahm sich bei den Sixers aber zunächst so sehr zurück, dass NBA-Fans schon zweifelten, ob dieser jahrelange Hype um den sagenumwobenen Doc überhaupt gerechtfertigt war.

Die alles zerstörende Dominanz aus seinen ABA-Tagen erreichte Erving in der NBA tatsächlich nicht mehr - aber nicht falsch verstehen: Allein seine NBA-Jahre hätten den Doktor ohne jeden Zweifel in die Hall of Fame gebracht. Innerhalb seiner ersten sieben Jahre in der "großen" Liga erreichte er allein viermal die Finals und wurde stets All-Star (insgesamt 16x).

Auch den MVP-Award sicherte er sich 1981 und wurde damit der einzige Spieler, der in beiden Ligen zum wertvollsten Spieler ausgezeichnet wurde. "Das war eine Erleichterung", gab Erving später zu. "Ich wurde kritisiert und Leute sagten, ich sei nicht mehr der Spieler, der ich in der anderen Liga war. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich noch einmal beweisen musste."

Julius Erving: Momente für die Ewigkeit

Das gelang Erving. Die ultimative Krönung blieb ihm allerdings lange verwehrt. Einmal verlor Philly in den Finals gegen die Portland Trail Blazers, zwei weitere Male gegen die Lakers mit Magic Johnson und Abdul-Jabbar. 1981 verlor Philly zudem in einer epischen Schlacht in Spiel 7 der Eastern Conference Finals gegen die erbitterten Rivalen aus Boston um Larry Bird.

Erving lieferte immer wieder legendäre Momente, darunter seinen Dunk über Bill Walton in Spiel 6 der 77er Finals, seinen Baseline-Move gegen die Lakers in den 80er Finals - ein modernes Kunstwerk! - und seinen "Rock the Baby"-Dunk über Michael Cooper in der Regular Season 83. Aber es schien, als könne er seine Magie aus der ABA mit nunmehr über 30 Jahren nicht mehr dauerhaft replizieren.

Rettung durch Moses Malone

Die Erlösung brachte letztendlich ein Trade, den die Sixers vor der Saison 1982/83 einfädelten und der so einseitig war, dass man schon damals nur den Kopf schütteln konnte. Für Caldwell Jones und einen Erstrundenpick kam mit Moses Malone der amtierende NBA-MVP aus Houston. Erstmals in seiner Karriere war Erving nun nicht mehr der beste Spieler seines Teams - aber damit konnte er sich arrangieren.

Denn die Sixers legten mit Malone, der zum dritten Mal MVP wurde, fortan eine der dominanteren Saisons der NBA-Geschichte hin, an deren Ende der Center ankündigte, sein Team werde in den Playoffs "Fo-Fo-Fo" gehen, also kein einziges Spiel verlieren. Letztendlich wurde zwar eins verloren - aber dabei blieb es. Per Sweep vermöbelten Malone (26 Punkte, 15,8 Rebounds), Andrew Toney (18,8 Punkte) und Erving (18,4) die Lakers in den Finals. Die Karriere des Dr. J war endgültig komplett.

Farewell-Tour wie bei Kobe Bryant

Bis 1987 setzte Erving seine beeindruckende Karriere noch fort. Selbst im Alter von 37 Jahren legte er dann noch 18,2 Punkte in den Playoffs auf, bevor er endgültig die Sneaker an den Nagel hängte. Die NBA verlor damit eine ihrer großen Ikonen, auch wenn mit Michael Jordan in mancherlei Hinsicht Ervings Nachfolger bereits dabei war, seine Flügel auszubreiten. Bereits während der Regular Season hatte es eine Farewell-Tour gegeben, ähnlich wie Jahrzehnte später für Kobe Bryant.

Seither ist viel Zeit vergangen und wie bei vielen anderen Legenden wurden rückwirkend auch bereits Lücken in Ervings Spiel ausgemacht: ein nur rudimentär ausgeprägter Jump-Shot, fehlende Defense in der ABA, und so weiter. All dies geht aber völlig an dem vorbei, was Erving zu einer prägenden Figur der Basketball-Geschichte machte. Nur wenige Spieler waren jemals so fesselnd - sogar für die, die neben ihm auf dem Court standen.

"Just another move"

"Da war ich, spielte für eine Championship, und mir fiel einfach nur die Kinnlade herunter", sagte Magic Johnson, als er Ervings "Baseline Move" 1980 beschreiben sollte. "Er hat das wirklich gemacht. Ich dachte mir nur: 'Was machen wir jetzt? Sollen wir weitermachen oder ihn einfach fragen, ob er das nochmal machen kann?'"

Der Doktor selbst nannte seinen berühmtesten Wurf lediglich "just another move" - und das sagte viel über ihn aus. Er hatte vermutlich wirklich hunderte Moves dieser Art. Auf dem Freiplatz. In der ABA. Bevor Basketball ein Massenphänomen wurde. Nicht zuletzt dank ihm.

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