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NBA Legenden-Serie: Chris Webber - Das Grinsen einer Ära

Chris Webber und Peja Stojakovic waren die Säulen des begeisternden Kings-Teams
© getty

Über Umwege landete Chris Webber in Sacramento und führte nach seiner Zeit mit den Fab Five ein mitreißendes Kings-Team an. Seine Karriere war geprägt von vielen überragenden Spielen, aber auch sportlichen Enttäuschungen sowie gesundheitlichen Rückschlägen. Und einer ganz großen Liebe.

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Dieser Artikel erschien erstmals im August 2015, am kommenden Wochenende wird Webber nach langem Warten in die Hall of Fame aufgenommen. Hier findet Ihr alle weiteren Geschichten zu den Legenden der NBA.

"Lieber Chris, ich habe viel an dich gedacht, seit ich euer Meisterschaftsspiel wie gebannt vor dem Fernseher verfolgt habe. Ich weiß, dass es vermutlich nichts gibt, das den Schmerz lindern und die Enttäuschung darüber, was passiert ist, vergessen machen könnte. Was auch immer es wert sein mag: Du und dein Team, ihr wart sagenhaft. Wenn viel auf dem Spiel steht und der Druck groß ist, gibt es auch immer das Risiko für einen mentalen Aussetzer. Ich weiß es. Ich habe zwei wichtige politische Kämpfe verloren und in den letzten 20 Jahren unzählige Fehler gemacht. Aber was wirklich zählt, ist die Intensität, die Integrität und der Mut, den man an den Tag legt. Und das alles hast du gezeigt. Man kann immer bedauern, was geschehen ist. Aber lass dich davon nicht runterziehen oder dir die Zufriedenheit über das, was Du erreicht hast, nehmen. Vor dir liegt eine großartige Zukunft. Lass dich nicht unterkriegen. Herzlichst, Bill Clinton."

Immer und immer wieder

Dass Mayce Edward Christopher Webber III, noch bevor er gedraftet wurde, einen Brief vom Präsidenten bekam, war genauso besonders, wie es klingt. Einen Brief vom POTUS! Dabei waren die Zeilen dieses Schreibens damals wohl nur ein geringer Trost für C-Webbs Kummer.

In jedem wichtigen Spiel mit Webbers Beteiligung sprachen die Kommentatoren von nun an über dessen Fauxpas. Vermutlich arbeitet Webber auch deshalb seit dem Karriereende als TV-Sidekick. Um sich endlich selbst über sich lustig machen zu können.

Einen Brief von Clinton haben wirklich nicht viele ehemalige Sportler an der Wand ihres Hauses hängen. Es war eine große Geste nach einem schweren Schlag. Zwei Tage zuvor, am 5. April 1993, hatten die Michigan Wolverines um Sophomore Chris Webber in den NCAA-Finals gegen North Carolina den Kürzeren gezogen. Knapp. Ultraknapp. Megaknapp. Dank - oder besser wegen - ihres Stars.

Chris Webber: Am Anfang war der Schrittfehler

Nach dem verlorenen Championship Game im Vorjahr gegen Duke war es die zweite Chance für Webber, ein Netz aus der College-Zeit mit nach Hause zu nehmen, auf dem Dachboden verstauben zu lassen und später seinen Enkeln zu zeigen.

Doch mit 19 Sekunden auf der Uhr und der Möglichkeit, das Spiel auszugleichen oder zu gewinnen, landete der Defensiv-Rebound bei Chris Webber. Die verhängnisvolle Spielszene begann mit einem Schrittfehler. Schon mal tendenziell schlecht, doch zu Webbers Glück vergaß der neben ihm stehende Referee, dass er eine Pfeife um den Hals trug.

Stattdessen dribbelte Power Forward Webber den Ball in die gegnerische Hälfte, nur um sich gegen eine Trap in die Ecke zu flüchten und dort in aussichtloser Position ein Timeout zu nehmen. So weit, so gut. Das kleine, aber feine Problem: Michigan hatte keine Auszeit mehr. Was folgte, ist Geschichte. Technisches Foul, zwei Freiwürfe, Ballbesitz Tar Heels. Ende, aus, vorbei. Dieser Aussetzer sollte Webbers Schatten sein. Für die folgenden 15 Jahre.

Chris Webber: Orlando? Oakland!

Nach unzähligen Ehrungen an der High School und einer bis auf den einen Makel herausragenden College-Zeit zogen die Orlando Magic C-Webb im Draft 1993 an erster Stelle. Doch statt in Florida durfte sich Webber eine Bleibe in der Bay Area suchen.

Die Magic tradeten ihn noch am Abend für Draftee Penny Hardaway sowie drei zukünftige Erstrundenpicks nach Golden State. Über die Entscheidung kann man streiten, deutlich mehr Konfliktpotenzial birgt aber der Vertrag, mit dem die Warriors ihren Neuzugang ausstatteten. 15 Jahre und 74 Millionen war der Deal schwer, zudem beinhaltete das Papier eine Ausstiegsklausel nach der ersten Saison.

Es war das letzte Jahr, bevor die bereits beschlossenen Rookie Scale Contracts eingeführt wurden - auch deshalb verzichtete Webber auf seinen Abschluss in Michigan und meldete sich bereits nach zwei College-Jahren zum Draft an.

Center? Nicht mit mir

In Golden State wurde Webber zum Rookie of the Year, doch intern klappte es ganz und gar nicht. Die Warriors waren eben nicht seine Jungs von der Uni. Webber vermisste die Harmonie mit Juwan Howard, Jalen Rose, Ray Jackson und Jimmy King.

Die Fab Five waren ganz weit weg, auch wenn Webber und Co. mit ihren tief sitzenden Shorts, den zu großen Trikots, ihren Streetball-Moves, ständigem Trash Talk und der Nähe zum Hip-Hop das Image und den Style des Sports für immer verändert hatten.

Im Laufe der Saison entzweite sich Webber mit Coach Don Nelson. Er mochte es nicht, Center spielen zu müssen, und auch der Trade seines Freundes Billy Owens stieß der Nummer 4 sauer auf. Webber stieg aus.

Da die Warriors ihm einen neuen Vertrag mit einer weiteren Ausstiegsklausel verweigerten, forcierte er seinen Trade. Statt in die Heimatstadt zu den Pistons ging es für C-Webb allerdings zu den Washington Bullets.

Klappe, die Zweite

In der Hauptstadt wuchs Webber zum All-Star heran und führte das Team 1997 in die Playoffs, doch Washington schaffte es nicht aus der Versenkung. Obwohl mit Webber endlich wieder ein wenig Glanz der glorreichen 70er in die verstaubte Arena in D.C. Einzug erhielt, funktionierte die Symbiose zwischen Spieler, Team und Fans nicht wie erhofft.

In Sacramento wartete zu dieser Zeit eine seit langem bedeutungslose Franchise auf ihre Chance, wieder relevant zu werden. Und dann rief Wes Unseld, damaliger GM der Wizards, an. Webber, der sich auch noch ein paar Eskapaden abseits des Courts geleistet hatte, gegen Mitch Richmond und Otis Thorpe? Zugeschlagen und eingetütet.

Chris Webber: Liebe auf den ersten Blick

Webber war endlich angekommen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Die Fans in Sac-Town lagen Webber und seinem Honigkuchenpferd-Grinsen zu Füßen. Peja Stojakovic, Jason "White Chocolate" Williams und C-Webb - man addiere in den folgenden Jahren einen Vlade Divac und Mike Bibby hinzu und bekommt? Richtig. Eine ziemlich geile Truppe. 61 Siege. Und ein Team mit Championship-Format.

2002 sollte es soweit sein. Nachdem die Lakers im Vorjahr noch deutlich eine Nummer zu groß waren, kam es in den Conference Finals erneut zum Aufeinandertreffen mit dem Titelverteidiger - und Kobe und Shaq.

Ihnen gegenüber stand ein hungriges Kings-Kollektiv, angeführt von Webber. In Sacramento war er wieder zum All-Star geworden, hatte sich sogar anstelle von Kevin Garnett ins All-NBA First Team gekämpft und sein Spiel auf eine neue Stufe gehoben.

Noch geschmeidiger seine Faceup-Moves im Post, die jetzt fast schon Kunst waren. Noch präziser seine genialen Pässe aus dem Double Team, die entweder zu einer direkten Vorlage oder einem Hockey Assist wurden. Wahlweise auch als Anspiele hinter dem Rücken oder über den Kopf hinweg. Es wurde auf jedem Streetballcourt des Landes nachgespielt: Webber im Post, Pass zu Stojakovic, für dreeeiii... Klingelingeling!

So nah und doch so fern

Als die Kings 3-2 in Führung gingen, schien der Traum greifbar, die großen Lakers wankten. Doch sie fielen nicht. In einem von vielen Journalisten als die am schlechtesten geleitete Partie der NBA-Geschichte bezeichneten Spiel 6 glich L.A. aus und holte sich auch das Entscheidungsspiel in Sac-Town. Zurück blieben geschockte und frustrierte Spieler, Fans und Journalisten. Landesweit.

"Die Kings waren nicht dazu bestimmt, Spiel 6 zu gewinnen", schrieb Vincent Bonsignore von den Los Angeles Daily News: "Das hatte weder mit den Lakers noch mit den Kings zu tun, sondern mit der Art und Weise, wie die Referees das Spiel gepfiffen haben."

Alleine im vierten Viertel bekamen die Lakers 27 Freiwürfe zugesprochen, die Kings hingegen nur 9. Das Foul gegen Bibby nach Kobes Ellenbogencheck inklusive der blutigen Nase des Kings-Spielmachers in den entscheidenden Sekunden der Partie ist noch heute ein schlechtes Beispiel in jedem Lehrvideo.

Ein Geständnis ohne Beweise

Der ehemalige Referee Tim Donaghy, der nach dem Wettskandal von 2007 ins Gefängnis musste, gab in seinem Geständnis an, das Spiel sei manipuliert gewesen, da die Liga ein siebtes Spiel erzwingen wollte. Der ehemalige Commissioner David Stern sprach sich vehement gegen die Vorwürfe aus - eine anschließende Untersuchung brachte für keine der beiden Seiten Beweise.

Für die Kings und Webber war das im Nachhinein nicht mehr wichtig. Sie hatten verloren und statt ihrer fegten Kobe und Shaq in den Finals über die überforderten New Jersey Nets hinweg. Threepeat für die Lakers statt das Ende der 51-jährigen Durststrecke für die Kings.

 

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