NBA

Der Gigant und das Popcorn

Von Max Marbeiter
Rudy Gobert (l.) steht mit Frankreich im Halbfinale der Basketball WM in Spanien
© getty

Rudy Goberts Größe macht ihn zum Traum eines jeden Trainers und General Managers, schützt ihn aber nicht vor Streichen seiner Teamkollegen bei den Utah Jazz. Im WM-Viertelfinale dominierte er schließlich Spaniens Frontcourt, gegen Serbien gelang dies nichts.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Pau Gasol hatte bis dahin eine herausragende WM gespielt. Der Spanier hatte dominiert. Im Post, in der Zone, am Brett. Nur verständlich also, dass Gasol Verantwortung übernahm, als seinen Spaniern gegen Frankreich das kaum für möglich gehaltene Viertelfinal-Aus drohte.

Gasol bekam links oben am Zonenrand also den Ball. Ein Dribbling. Zwei Dribblings. Spin. Babyhook. Häufig schließt ein solches Quartett unter Beteiligung Gasols mit zwei Punkten. Diesmal jedoch nicht. Im Rücken des Spaniers hatten sich stolze 2,15 Meter aufgebaut, die sich dann auch noch vom Parkett erhoben und den Wurf dorthin schickten, wo er hergekommen war. Richtung Zonenrand.

Rudy Gobert hatte soeben in aller Deutlichkeit klargemacht, was er den Spaniern bereits während der vorangegangenen 35 Minuten zu vermitteln versucht hatte. "Heute nicht!", schien der Center den Spaniern entgegenzubrüllen. Rudy Gobert dominierte die Zone. Nicht Pau Gasol. Auch nicht Bruder Marc. Und schon gar nicht Serge Ibaka.

"Der größte Erfolg meiner Karriere"

So pflückte sich Gobert allein im WM-Viertelfinale nur einen Rebound weniger als die Gasols und Ibaka zusammen. Seine Präsenz in der Zone nahm den Iberern zudem einen Großteil ihres Postspiels. Marc Gasol und Ibaka kamen insgesamt auf lediglich fünf Punkte.

Spaniens eigentlich so beeindruckendes Big-Man-Trio verzweifelte also an einem 22-Jährigen, der noch vor einem Jahr nicht ein einziges NBA-Spiel bestritten, dessen Profibasketballkarriere erst 2010 in der ersten Mannschaft von Cholet Basket in Frankreich begonnen hatte. Gobert selbst bezeichnete den Viertelfinalsieg dann auch als "größten Erfolg meiner Basketball-Karriere." Widersprechen möchte man ihm da nicht. Zu unerwartet kam der Sieg gegen Spanien daher, zu kurz ist Goberts Karriere bislang, zu steinig sein erstes Jahr in der NBA.

Nach drei Jahren in der ersten Mannschaft von Cholet Basket und 8,4 Punkten sowie 5,4 Rebounds während der Saison 2012/13 entscheidet sich Gobert vergangenen Sommer für den Weg in die USA. Er meldet sich zum Draft an, reist zum Combine nach Chicago - und hinterlässt Eindruck.

Sloan nickt, die Jazz greifen zu

Während eines Defensiv-Drills stupst Kevin O'Connor, Vice President of Basketball Operations der Utah Jazz, den kurz zuvor als Berater und Scout nach Salt Lake City zurückgekehrten Jerry Sloan an und zeigt in Richtung Gobert. Sloan, der die Jazz einst zwei Mal in Folge in die Finals führte, der das Team 23 Jahre lang coachte, nickt. Einmal. Zweimal.

Und zwei Mal nicken ist in diesem Fall gleichbedeutend mit einer Entscheidung. Die Jazz wollen Gobert. So sehr, dass sie beim Draft einen Second-Round Pick plus Cash zu den Denver Nuggets traden, die den Franzosen eigentlich gezogen hatten.

"Wir setzen große Hoffnung in ihn", unterstreicht Jazz-GM Dennis Lindsey Utahs Beweggründe zuletzt noch einmal. "Rudys Voraussetzungen in Sachen Größe und Länge sind offensichtlich, zudem mag er Basketball wirklich. Ein motivierter Sevenfooter ist ein guter Ausgangspunkt."

Die Sache mit dem Popcorn

Andererseits haben die Jazz mit Derrick Favors und Enes Kanter bereits zwei talentierte Big Men im Kader. Zwei talentierte Big Men, die das Spiel in Ringnähe ebenso favorisieren wie der Franzose. Zwei talentierte Big Men, die deshalb eigentlich nicht zum 22-Jährigen passen, will Utah nicht größte Spacing-Probleme bekommen.

Das erschwert Goberts Start in Salt Lake City, stellt sein Motivationslevel auf eine nicht ganz einfache Probe. Dass Blake Griffin und Jordan Hill die 2,15 Meter des Franzosen eher als Herausforderung sehen und Gobert noch während seiner ersten Preseason zum Postermotiv machen, hilft ebenfalls nicht unbedingt.

Dann vergisst er während der Saison auch noch die Donuts. Ein unverzeihlicher Fehler für einen Rookie. Wie unverzeihlich, erfährt Gobert, als er die Trainingshalle verlässt und eigentlich nur in sein Auto steigen will. Wo eigentlich zwei Sitze sein sollten, trifft der Franzose eine ganze Ladung Popcorn an. Das Auto ist voll. Teamkollege Brandon Rush möchte die zukünftige Versorgung des Teams mit Backwaren offenbar sichergestellt sehen.

Gobert trägt es mit Fassung. Zumal er ohnehin größere Probleme hat. Denn Coach Tyrone Corbin weiß offenbar nicht richtig, wie er seinen neuen Sevenfooter schlussendlich einsetzen soll. Mal spielt Gobert gar nicht, mal steht er mehr als zehn Minuten auf dem Court. Mal ist er Teil der Jazz, mal - genauer: zwei-mal - wird er zu den Bakersfield Jam in die D-League abgeschoben.

Starke Werte, trotz wenig Spielzeit

Steht Gobert einmal auf dem Feld, weiß er allerdings durchaus zu überzeugen. Auf 36 Minuten hochgerechnet, legt er während seines Rookie-Jahres 8,6 Punkte (48,6 Prozent FG), 12,9 Rebounds sowie 3,4 Blocks auf. Zum Vergleich: Roy Hibbert, trotz schwachem Finish immerhin All Star, kommt auf 13 Punkte (43,9 Prozent FG), 8 Rebounds und 2,7 Blocks. Dwight Howard auf 19,5 Punkte (59,1 Prozent FG), 12,2 Rebounds sowie 1,8 Blocks.

Das soll natürlich keinesfalls bedeuten, dass Gobert der Center-Elite bereits im ersten Jahr gefährlich nah kam. Das tat er bei weitem nicht Zumal er seine Zahlen meist gegen die Reserve - sprich: schwächere Gegenspieler - auflegte. Allerdings illustrieren derartige Ziffern, dass Potential beim Franzosen durchaus vorhanden ist.

Potential, das selbstverständlich auf Größe und Länge fußt. "Gefühlt hat er eine Spannweite von 2,50 Metern", erklärt Nationalspieler Daniel Theis, der Gobert von Spielen gegen Frankreichs U 20 kennt, im Gespräch mit SPOX. "Das nutzt er bei Rebounds, Dunks und Blocks." Offiziell liegt Goberts Spannweite bei "nur" knapp 2,35 Metern. Streckt er seine Arme nach oben, kommt er auf 2,92 Meter.

Offensichtlich ist der Franzose also größer als viele seiner Gegenspieler. Das bleibt niemandem verborgen. Am wenigsten natürlich Gobert selbst. Nun genügt die Erkenntnis allein jedoch nicht, die richtigen Konsequenzen müssen ebenfalls gezogen werden. Und genau das hat Gobert verstanden. Der Franzose weiß, was er kann - und was er nicht kann.

Jumper nur im Ausnahmefall

Offensiv begnügt er sich mit Abschlüssen in Ringnähe. Jumper nimmt er nur im absoluten Ausnahmefall. Hinten versucht er, Würfe dank seiner Präsenz zu verändern oder bestenfalls direkt zu blocken. Rebounds werden grundsätzlich nicht verloren gegeben. Dazu ist Gobert zwar kein herausragender Athlet, für seine Größe aber durchaus flink auf den Beinen. Dass er in jungen Jahren boxte, Leichtathletik sowie Karate machte, hilft dabei sicherlich.

Andererseits neigt Gobert zu Foulproblemen, auch die mangelnde Masse bringt ihn immer wieder in Schwierigkeiten. Nur 111 Kilo wiegt Gobert. Zu wenig für die NBA. Zu oft wurde der Franzose vergangene Saison durch die Gegend geschoben. Dazu hatte er Probleme, mit Kontakt abzuschließen. Lediglich 49 Prozent von Goberts Abschlüssen direkt am Ring fielen schlussendlich auch durch die Reuse. Deutlich zu wenig für einen Big Man.

Das soll sich nun jedoch ändern. "Der größte Unterschied diesen Sommer ist, dass er deutlich an Kraft zugelegt hat", erklärt Jazz-GM Lindsey. "Das erlaubt ihm, Plays auch abzuschließen, die er zuvor knapp nicht abschließen konnte." Und tatsächlich lieferte Gobert während der Summer League, in der er nach starken Leistungen ins All-Second Team gewählt wurde, bereits eine erste Kostprobe.

Starke WM

Den zweiten Schritt bekommt die Weltöffentlichkeit derzeit bei der WM vor Augen geführt. Dort trifft Gobert 66,7 Prozent seiner Würfe und greift sich 5,1 Rebounds. Dennoch wartete Coach Vincent Collet bis zum Viertelfinale, ehe er seinen Center erstmals mehr als 20 Minuten auf den Court (23) schickte. Gobert dankte es mit starker Defense, 13 Rebounds und 5 Punkten.

Auch wenn es im Halbfinale gegen Serbien nicht zu einem Sieg reichte, fest steht, dass Rudy Gobert als WM-Halbfinalist und Sophomore zu den Utah Jazz zurückkehren wird. Dass er dort mit Quin Snyder einen neuen Coach antreffen wird, der die WM sicherlich verfolgt und damit gesehen hat, wie Gobert in einem einzigen Spiel gleich drei der besten Big Men der NBA verzweifeln ließ. Auch vor neuerlichen Popcorn-Attacken muss er sich nicht fürchten. Gobert ist ja kein Rookie mehr.

Alles zur Basketball WM